Fälschung. Ole R. Börgdahl
Linz lachte auf. »Natürlich habe ich mich umgehört, bevor ich gekauft habe«, erklärte er. »Damals konnte ich aber keinen Hinweis finden, dass dieses Bild irgendwo gestohlen wurde. Wenn es die Mona Lisa wäre, hätte ich es nicht genommen, ich hätte vielleicht sogar die Polizei verständigt oder einfach nicht geglaubt, dass es echt ist.«
»Es gibt auch Leute, die die Mona Lisa nehmen würden«, sagte Simon. »Das war dem Louvre bewusst, als das Bild 1911 gestohlen wurde und darum haben sie es ein Jahr später sogar aus ihrem Katalog genommen.«
»Der Louvre?«, wiederholte Edmund Linz, als wenn er nicht verstanden hätte. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein, mein Bild ist kein Diebesgut, ich bin mir sicher, ich habe es geprüft.«
»Ich glaube kaum, dass Sie die richtigen Quellen hatten, um hundertprozentig auszuschließen, dass es nicht doch gestohlen ist.«
Edmund Linz sah ihn an und zuckte mit den Schultern.
»Wir haben die Möglichkeit«, sagte Simon. »Wir müssen sie haben, um zu verhindern, dass wir zum Hehler werden. Sie sagten, dass Sie das Bild seit sieben Jahren besitzen?«
Edmund Linz nickte. »Ich muss überlegen, es können jetzt auch schon acht Jahre sein, ja im April werden es acht Jahre.«
»Und haben Sie es in dieser Zeit nie versichert?«, fragte Simon nachdenklich.
Edmund Linz schüttelte den Kopf. »Ich hatte noch drei weitere Kunstwerke, müssen Sie wissen. Zwei Bilder von Paula Becker-Modersohn und eines von Heinrich Vogeler. Für die hatte ich schon Policen und die Versicherung hat sich natürlich vergewissert, dass ich alles unternommen habe, damit den Bildern in meinem Haus nichts passiert. Sie verstehen, Diebstahl und Brandschutz. Dieses Gemälde habe ich nicht mehr versichern lassen, es kam erst später dazu. Ich habe es mit den anderen Bildern in meinem Salon hängen gehabt. Für mich war das Sicherheit genug.«
»Bei meiner Frage ging es nicht um den Schutz des Gemäldes. Die Versicherung hätte das Bild bestimmt genau auf seinen Wert hin überprüft, bevor Sie eine Police bekommen hätten. Unter Umständen hätte die Versicherung nach einer Echtheitsbestätigung recherchieren lassen, wo Sie doch selbst keine richtigen Unterlagen besitzen. So etwas hätte uns die Sache jetzt einfacher und auch billiger machen können.«
»Und ich wäre das Bild jetzt bestimmt schon los«, sagte Edmund Linz gereizt. »Ich bin derzeit in einer finanziell misslichen Lage. Ich kann von Glück reden, dass meine Gläubiger nichts von diesem Schatz hier wissen. Es ist nicht so, dass ich jemandem etwas schuldig bleiben wollte, aber meine anderen Bilder sind bei der Auflösung meines Haushalts und der anschließenden Zwangsversteigerung weit unter Wert verkauft worden. Diesen Fehler möchte ich nicht noch einmal machen. Das Gemälde hier konnte ich vorerst noch retten, um es jetzt richtig zu Geld zu machen. Darum bin ich hier, wie ich Ihnen ja schon eingangs erklärt habe.«
Simon schüttelte den Kopf. »Wenn Sie mit uns zusammenarbeiten, wird es aber auch irgendwann einmal bekannt, wer ein solches Bild anbietet, vorausgesetzt, es ist wirklich echt. Wir können Sie nicht vor Ihren Gläubigern schützen, das ist nicht unsere Aufgabe.«
Edmund Linz starrte ihn an. »Aber unser Gespräch hier wird doch von Ihnen, wie soll ich sagen, diskret behandelt?«
»Ich weiß nichts von Ihren Problemen und auch Ihre Gläubiger sind mir soweit egal«, erklärte Simon. »Solange Sie nicht von der Polizei gesucht werden, sind Sie ein ganz normaler Kunde und es ist selbstverständlich, dass unsere Unterhaltung hier in diesen vier Wänden bleibt, das versichere ich Ihnen.«
»Es ist auch alles nicht so, wie es sich anhört«, sagte Edmund Linz beschwichtigend. »Ich habe einen großen Teil meiner Schulden ja auch schon bezahlt und die restlichen Forderungen sind gestundet. Ich muss jetzt nur die Möglichkeit haben, einen vernünftigen Preis zu erzielen, dann bin ich sogar wieder im Plus, ich hoffe sogar deutlich im Plus und kann einen Neuanfang machen. Sie sehen, es hängt eine Menge für mich davon ab, darum ist es mir auch wichtig, festzustellen, ob ich hier bei Ihnen richtig bin.«
»Was erwarten Sie jetzt von uns?«, fragte Simon.
»Nehmen Sie das Bild und verkaufen Sie es für mich, bestmöglich. Mir ist dabei nur eines wichtig, dass mein Name vorerst nicht ins Spiel kommt, und zwar solange, bis keine Instanz mehr zugreifen und sich in unser Geschäft einmischen kann. Ich gehe davon aus, dass Sie Ihre Provisionen bei solchen Geschäften haben. Ich biete Ihnen für Ihre Dienste und natürlich auch für Ihre Diskretion mehr als die üblichen Prozente.«
Simon lächelte. »Um Ihren Namen brauchen Sie sich zunächst keine Gedanken zu machen. Ein Vertrag mit uns bedeutet, dass Sie auf der ganzen Linie von uns vertreten werden. Ihr Name wird auch vorerst nirgends auftauchen. Das Haus Blammer steht sozusagen vor Ihnen und schützt Ihre Interessen.« Er machte eine kurze Pause. »Ich habe allerdings ein anderes Problem. Gewinne und Provisionen sind nicht alles, wofür unsere Geschäftsprinzipien stehen. Wir sind ein seriöses Haus. Unsere Kunden, die in den von uns veranstalteten Auktionen Objekte ersteigern, gehen davon aus, dass alles korrekt ist. Wenn wir einen Caspar David Friedrich anbieten, dann ist es auch garantiert ein echter Friedrich. Genauso muss das mit Ihrem Gemälde laufen. Wenn wir uns nicht sicher sind, lassen wir die Finger von dem Geschäft, egal wie hoch unsere Provisionen sein werden.« Wieder machte Simon eine kurze Pause. »Und dann muss Ihnen doch auch klar sein«, sagte er ernst, »dass wir Ihr Bild nicht einfach so anbieten können. Die Fehlenden, oder sagen wir, die unvollständigen Dokumente sind wirklich ein Problem, vorerst zumindest.«
»Das verstehe ich nicht, Sie reden von Dokumenten. Ich dachte es würde Ihnen lediglich ein Herkunftsnachweis für das Bild fehlen?«, fragte Edmund Linz.
»Zunächst einmal müssen wir die Laboranalyse wiederholen, aber diesmal mit einem beeideten Untersuchungsbericht, mit Stempel und so. Als Zweites muss das Gemälde einem noch lebenden Kunsthistoriker vorgelegt werden, am besten einem Fachmann zum Thema Expressionismus oder für das neunzehnte Jahrhundert. Und dann kommt noch der schwierigste Teil, wir brauchen einen Herkunftsnachweis, am besten von einer Galerie oder aus einer Ausstellung. Schön wäre es, wenn wir einen Katalog fänden, in dem unser Gemälde abgebildet ist.«
»Und wenn es keine Ausstellung gab?«, fragte Edmund Linz mit leicht provozierender Stimme. »Die erneuten Laboruntersuchungen und das Gutachten sehe ich ja ein und akzeptiere ich auch, aber wenn es nun wirklich keine Ausstellung gegeben hat, wenn das Bild also seit seiner Entstehung nur im privaten Umfeld aufbewahrt wurde, wie die letzten acht Jahre in meiner Villa, was ist dann? Ich habe das Bild zwar Freunden gezeigt, aber keiner hat Fotos für einen Katalog gemacht oder gar einen Artikel darüber geschrieben, was für eine tolle Kunstsammlung ich habe. Was ist, wenn das gleiche für alle Vorbesitzer des Gemäldes gilt, wenn auch sie ihren Schatz für sich behalten und versteckt haben?«
Edmund Linz redete sich beinahe in Rage. Nachdem er geendet hatte, schwiegen die beiden Männer und sahen sich nur über den Besprechungstisch hinweg an. Simon räusperte sich schließlich. Er legte die Hände auf die Tischplatte und beugte sich nach vorne, in Richtung seines Gastes.
»Ich bin mir sicher«, sagte er beschwichtigend. »Ich bin mir wirklich sicher, dass es irgendein anderes Dokument gibt, aus dem hervorgeht, dass dieses Bild echt ist. Soweit ich es beurteilen kann, sieht das hier nicht wie eine Fälschung aus.«
Edmund Linz zögerte kurz. »Gut, ich verstehe, Sie brauchen eben noch diesen Herkunftsnachweis, bevor Sie das Bild einer Auktion zuführen, aber was schlagen Sie vor, wie soll ich an so etwas herankommen?«
»Ich sage ja nicht, dass Sie es sein müssen, der einen Herkunftsnachweis besorgt. Wir sind ein Kunst- und Auktionshaus und haben unsere Methoden und Quellen.«
Er stand vom Besprechungstisch auf und ging zu seinem Schreibtisch. »Sie haben nichts dagegen, wenn ich einen meiner Mitarbeiter dazuhole?«
Edmund Linz schüttelte den Kopf. Simon drückte auf eine Taste seines Telefons und nahm den Hörer ab.
»Frau Hoischen, suchen Sie Herrn Kühler und fragen Sie ihn, ob er kurz zu mir ins Büro kommen kann.« Er legte den Hörer wieder auf. »Herr Kühler ist mein Stellvertreter.«
Edmund