Fälschung. Ole R. Börgdahl
auch die Deckenstrahler wieder ein und setzte sich schließlich an den Besprechungstisch zurück. Der Holzkoffer lag direkt vor ihm. Er hob das Bild heraus, um es flach auf die Tischplatte zu legen. Er sah sich das Gemälde noch einmal genau an. Dann klopfte es auch schon an der Tür und Heinz Kühler betrat den Raum.
»Das ging aber schnell«, sagte Simon. »Waren Sie doch in Ihrem Büro, dann hätte ich Sie ja direkt anrufen können, auch egal, kommen Sie bitte.«
Heinz Kühler trat an den Besprechungstisch, woraufhin sich Edmund Linz erhob.
»Darf ich Ihnen Herrn Heinz Kühler vorstellen«, sagte Simon zu Edmund Linz gewandt.
Die beiden Männer gaben sich die Hand.
»Herr Linz hat uns ein Kunstobjekt mitgebracht«, fuhr Simon fort. »Sehen Sie es sich bitte an und achten Sie besonders auf die Signatur, aber einen Moment noch bitte.«
Simon ging zu einem der Einbauschränke und holte eine Staffelei heraus. Er baute sie neben dem Besprechungstisch auf, sodass die Deckenstrahler noch darauf fielen. Dann nahm er das Ölgemälde von der Tischplatte und stellte es in die Staffelei. Heinz Kühler trat sofort dicht an das Bild heran. Simon ließ ihm einige Sekunden.
»Da staunen Sie, mein lieber Kühler.«
Es klang fast schon verächtlich. Heinz Kühler fixierte immer noch das Bild fixierend. Er äußerte sich nicht, sondern ließ seinen Chef weitersprechen.
»Es kommt nicht häufig vor, dass uns ein solcher Meister angeboten wird. Ich glaube sogar, dass es das erste Mal ist, zumindest in meiner Amtszeit. Herr Linz hat nur ein Problem. Er hat keine aktuellen Nachweise, dass das Bild echt ist. Ein Herkunftsnachweis fehlt sogar ganz. Ich habe Sie gerufen, weil ich mich mit Ihnen beraten möchte, wie wir hier vorgehen.«
Heinz Kühler richtete sich wieder auf und sah erst Edmund Linz und dann seinen Chef an. »Was fehlt denn alles?«, fragte er nach einigen Sekunden.
»Eine Materialanalyse wurde gemacht, aber wir müssen sie wiederholen, es fehlt die Beglaubigung. Dann gibt es noch eine Expertise von Lehner. Sie kennen doch noch Professor Lehner.«
Heinz Kühler nickte. »Er ist gestorben. Es ist natürlich schlecht, wenn wir nur sein Gutachten haben, aber nicht mehr mit ihm sprechen können.«
»Richtig«, bestätigte Simon. »Das ist ebenfalls ein Problem, sodass wir auch das Gutachten neu in Auftrag geben müssen. Was uns Herr Linz überhaupt nicht liefern kann, ist wie gesagt ein Herkunftsnachweis. Er hat das Bild privat gekauft, also von Sammler zu Sammler. Wir wissen auch nicht, ob das Gemälde vielleicht sogar auf dem Index steht.«
Heinz Kühler nickte erneut. Er dachte über das Gesagte nach. Er ging noch einmal an das Gemälde heran, nahm es jetzt sogar von der Staffelei und sah es sich von allen Seiten an, auch von der Rückseite.
»Ich habe die Farben und die Leinwand selbst untersucht«, warf Edmund Linz ein. »Ich bin Chemiker. Nach allem, was ich feststellen konnte, sind die Farben eindeutig älter als sechzig oder siebzig Jahre. Ich habe Cadmiumoxid und eine schwache Zyanverbindung gefunden. Die Leinwand ist mit Reisstärke behandelt, ein Verfahren, das auch schon seit Jahrzehnten nicht mehr üblich ist. Außerdem trägt die Leinwand den Stempel einer Firma, die seit 1929 nicht mehr existiert.«
»Das hatten Sie noch gar nicht erzählt«, unterbrach ihn Simon.
»Ja, stimmt, habe ich vergessen. Ich habe für diese Feststellung lange recherchiert, aber ich kann es beweisen. Ich habe die Unterlagen noch.«
»Es wird kein Problem sein, zunächst einem Gutachter das Bild zu zeigen«, meinte Heinz Kühler. »Erst danach lassen wir die Materialien noch einmal prüfen. Laboruntersuchungen sind nämlich relativ teuer. Je nachdem, wie die Ergebnisse ausfallen, entscheiden wir dann über das weitere Vorgehen. Entweder lassen wir die Finger von diesem Objekt oder wir investieren in die Recherche eines Herkunftsnachweises. Als allererstes sollten wir allerdings den Index bemühen. Vielleicht wurde dieses Bild hier ja auch gestohlen. Das wäre zwar für einen Echtheitsbeweis recht vorteilhaft, könnte aber für Herrn Linz unangenehm werden.« Heinz Kühler lächelte. »Ich nehme an, das wollten Sie von mir hören, Chef.«
»In der Tat wäre das natürlich ein hervorragender Herkunftsnachweis«, lachte Simon. »Entschuldigen Sie, Herr Linz, aber wir sind eben ehrlich mit Ihnen.«
»Das verstehe ich nicht, was für ein Index?«, fragte Edmund Linz.
»Erklären Sie es ihm, Herr Kühler«, übergab Simon wieder an seinen Mitarbeiter.
»Gut, wir haben Zugriff auf den Index verschwundener Kunstgegenstände. Das können Sachen sein, die seit dem Ende des Dritten Reiches verschollen sind, das können aber auch Gemälde und andere Objekte sein, die in jüngster Zeit seit einem Diebstahl verschwunden und bisher noch nicht wieder aufgetaucht sind. Wenn Sie Glück haben, ist die Sache solange her, dass niemand mehr Anspruch auf so ein Objekt erhebt, ich gehe allerdings davon aus, dass es bei dem Werk eines solchen Malers immer jemanden gibt, der nur darauf wartet, dass das Bild wieder auftaucht.«
»Ich verstehe«, sagte Edmund Linz leise. »Ich habe mich zwar selbst umgehört, aber das war natürlich nicht so gründlich und auch nicht mit den Mitteln, die Ihnen sicherlich zur Verfügung stehen.«
Simon deutete mit einer Handbewegung auf den Besprechungstisch. Sie setzten sich. Er sah zu Heinz Kühler hinüber.
»Sie schlagen also vor, dass wir den Auftrag unter Vorbehalt annehmen.«
»Das schlage ich vor«, antwortete Heinz Kühler. »Bei dem Gutachten habe ich auch schon jemanden im Auge, den wir im Prinzip ohnehin gerade im Hause haben. Wenn er sein Okay gibt, können wir bei den Analysen dann das volle Programm durchfahren lassen. Wenn nicht, sparen wir uns die Sache. Und was den Index betrifft, da würde ich jetzt gleich einmal hineinschauen.«
»Gut!« Simon sah Edmund Linz direkt an. »Sie haben Glück, wir gehen das Risiko ein, unter Vorbehalt natürlich und die Kosten werden wir wohl auch zunächst übernehmen. Das ist so üblich in der Branche. Entweder ist die ganze Sache ein Flop oder Sie werden unser wichtigster Kunde sein, zumindest in diesem Jahr.« Er lächelte.
Edmund Linz lächelte zurück. »Danke für Ihr Vertrauen. Ich bin davon überzeugt, dass es sich für Sie lohnen wird. Was kann ich jetzt noch tun?«
»Sie überlassen uns das Gemälde für die nächsten, sagen wir mal, fünf Tage. Wir führen die Untersuchungen durch und melden uns dann wieder. Wir machen jetzt gleich einen Vorvertrag, in dem wir auch bestätigen, dass sich das Objekt in unserer Obhut befindet. Außerdem notieren wir, dass Ihnen vorerst keine Kosten entstehen. Im Gegenzug geben Sie uns das Recht, dass Sie das Bild in den nächsten vierundzwanzig Monaten keinem unserer Wettbewerber zur Auktion oder zum Verkauf anbieten. Wenn das Bild wirklich echt ist, garantieren wir Ihnen, es in dem genannten Zeitraum zu versteigern. Sollten Sie bis dahin selbst einen Käufer gefunden haben, können wir gegen den Verkauf Veto einlegen, wenn der Preis zum Beispiel zu niedrig ist oder wir selbst einen Käufer gefunden haben.« Simon überlegte. »Das sind die wesentlichen Punkte des Vorvertrags, denke ich, oder habe ich noch etwas vergessen?«
Er sah zu Heinz Kühler hinüber, der den Kopf schüttelte. Mit diesen Konditionen konnte Edmund Linz leben. Er tippelte mit den Fingern auf der Tischplatte.
»Ich hole ein Vertragsformular und fülle es schon einmal aus«, sagte Heinz Kühler. »In zehn Minuten bin ich wieder zurück.« Er stand auf und verließ den Raum.
Simon erhob sich ebenfalls und ging zu seinem Schreibtisch. Aus einer der unteren Schubladen holte er eine Fotokamera. Es war eine kleine handliche Digitalkamera. Er hielt sie hoch, um sie Edmund Linz zu zeigen.
»Die Auflösung ist zwar nicht besonders, aber ich möchte trotzdem einen kleinen Schnappschuss von dem Bild machen.«
Er stellte sich vor die Staffelei, ging etwas in die Knie und drückte auf den Auslöser. Er machte noch ein zweites Foto, dann ging er noch tiefer in die Knie und machte eine Nahaufnahme von der Signatur. Edmund Linz trat an ihn heran, um sich die Aufnahmen auf dem kleinen Monitor der Kamera anzusehen. Das erste Bild