Hexenseele. Stefanie Purle

Hexenseele - Stefanie Purle


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senke ebenfalls den Kopf und erwidere seine formelle Begrüßung. Dann gehe ich auf ihn zu. „Was machst du hier?“, frage ich und luge in die Pfanne hinein. „Das riecht ja… himmlisch!“

      Seine ledrige Gesichtshaut verzieht sich zu einem verschmitzten Lächeln. „Nicht wahr?“, stimmt er mir zu und wir beide saugen zusammen diesen würzigen Duft in unsere Nasen. „Das ist ein Druidikum, ein altes Familienrezept.“

      Ich schließe für einen Moment die Augen und kann plötzlich die ganzen Zutaten aus dem Gebräu heraus vor mir sehen: Eichenborke, Birkenzweige, verschiedene Moossorten, Kiefernharz und getrocknete Pilze. Ich öffne wieder die Augen und sehe meine Umgebung wie durch einen Regenbogenkristall hindurch. Alles strahlt, Darius´ Aura ist für mich plötzlich sichtbar, ich erkenne die uralte Weisheit, die ihn wie einen Schleier umgibt, dazu seine Güte und Friedfertigkeit. Das knisternde Feuer in seinem kleinen Herd züngelt mit kunterbunten Flammen nach dem Wok, das Gebräu da drin sieht aus, wie eine kleine Galaxie, mit funkelnden Sternen und blubbernden Sternschnuppen.

      „Wow!“, hauche ich berauscht und kann meinen Blick nicht von dem Brei nehmen. „Das ist ja wunderschön!“

      Darius kichert und nickt. „Ja, ich weiß. Ich bin für mein Druidikum berühmt, weißt du?“

      „Dru-idi-kum“, sage ich und lasse jede Silbe auf meiner Zunge zergehen. Sogar der Name dieses Gebräus schmeckt kunterbunt, salzig-süß und so wohltuend wie eine Mischung aus warmer Milch und Honig. „Wow!“

      Er rührt mit dem hölzernen Löffel in dem Brei herum und erschafft so neue Galaxien und ein kleines Feuerwerk aus Blubberblasen. „Wenn du willst, gebe ich dir etwas von meinem Vorrat ab“, sagt er und lächelt schief. „Ich habe noch eine Menge davon.“

      Ich nicke, ohne wirklich zu wissen, was genau ich mit dem Gebräu überhaupt machen soll, aber ich muss es haben. „Was macht man damit?“, frage ich, beuge mich über den Herd und sauge soviel von dem Dampf auf, wie ich nur eben kann.

      „Es erweitert das druidische Bewusstsein“, antwortet er. „Wenn es abgekühlt ist, fülle ich es in kleine dunkle Gläser. Wenn man dann etwas von dem Druidikum haben will, nimmt man eine Fingerspitze davon und lässt es unter der Zunge zergehen.“

      „Oh ja!“ Ich schaue mich um und betrachte die Regenbogenglitzer, die sich wie kleine Elfen über alles in diesem Kokon legen. In allem ist Leben, in den Lianen, dem Baumstamm der alten Eiche, ja sogar in der Felswand! Ich sehe die Moleküle und Atome von allem, spüre wie sie sich fühlen, wie sie aufgebaut sind, was ihnen fehlt und wie sie denken. „Wahnsinn!“

      Wieder kichert Darius. „Ich werde mal die Luke öffnen und etwas frische Luft hereinlassen“, sagt er und übersieht mein enttäuschtes Gesicht. „Es gab sicherlich einen Grund, warum du mich besuchen kamst. Das Druidikum kann einem schon mal die Sinne rauben.“

      Er zieht an einer Schnur über dem Herd und löst so eine Klappe in der Decke, die sich knarrend öffnet und den Blick auf den Himmel freigibt. Der schimmernd glitzernde Dampf zieht wie aus einem Schornstein nach draußen und die Regenbogenfunkel, die über allem lagen, werden schwächer und verschwinden schließlich.

      „Oh nein“, sage ich enttäuscht und blicke dem herausziehenden Dampf hinterher. „Welch Verschwendung.“

      Darius geht zu einem Regal an der Felswand und kramt in einem Weidekorb herum. Dann kommt er auf mich zu und streckt die Hand aus. „Hier, bitteschön“, sagt er und lässt sieben kleine braune Glasfläschchen in meine Hand kullern. „Wenn du noch mehr brauchst, ich habe immer genug Vorrat hier.“

      Meine Finger schließen sich um die Glasflaschen und ich schiebe sie schnell in meine Hosentasche. „Danke.“

      „Also, womit kann ich dienen, Scarlett? Es gibt doch bestimmt einen Grund, warum du gerade mich aufsuchst.“

      Je mehr die Regenbogenfunkel sich verziehen, umso klarer kann ich denken. Ich schüttle den Kopf, um auch den letzten Nebel daraus zu verbannen. „Eigentlich suche ich das Zimmer von Chris. Es gab … einen Zwischenfall“, sage ich und hole zitternd Luft, als mir unsere ganze Misere wieder bewusst wird. „Chris wird von den Heilerinnen oben im Schloss behandelt, aber ich komme nicht in die oberen Stockwerke. Ich schätze, die Wendeltreppe ist verhext, oder sowas.“

      Er blickt mich mitleidig an, während ich mir die Schläfen reibe. „Es muss etwas Schlimmes passiert sein, wenn Roberta dich mit einem Schleier aus Beruhigung belegt.“

      „Ja… Ja, die Vermutung hatte ich auch schon. Ich war total aufgebracht, als wir hier ankamen. Chris und ich sind angeschossen worden. Wir waren tot!“ Jetzt scheint sich der Schleier gänzlich zu heben und mein Herz beginnt aufgeregt zu rasen. „Ich muss zu Chris, Darius! Kannst du mich zu seinem Zimmer bringen?“

      Er nickt und holt seinen Druidenstab aus einer Ecke des Kokons. „Roberta ist nach all den Jahren der Flucht noch immer paranoid, weißt du? Auch wenn dein Vater schon längst tot ist, wechselt sie trotzdem alle paar Tage ihren Wohnort und verhext jeden Winkel, damit kein Eindringling weit kommt.“ Er zuckt mit den Schultern, geht an mir vorbei und bedeutet mir mit einer Handbewegung, ihm zu folgen. Sein sandfarbenes Druidengewand schleift wie eine kurze Schleppe über den aus Lianen gewachsenen Boden. „Das hat natürlich den Nachteil, dass magische Wesen in Nöten sie nur schwer erreichen können. Sie können nicht wie du durch ein Portal springen und sie besuchen.“

      Ich antworte nicht, da ich gedanklich bereits schon wieder bei Chris bin. Die Tunnel, die jeden der baumhausartigen Kokons miteinander verbinden, hängen über dem Spalt zwischen Bergklippe und Schloss, und nun, da der Beruhigungszauber von Roberta nachgelassen hat, erkenne ich erst wie gefährlich diese Konstruktion eigentlich ist. Wäre da nicht Darius´ Druidenkraft, würden uns die Lianen nicht halten und wir würden in die Tiefe stürzen. Dieser Gedanke und die Sorge um Chris treiben mich zur Eile an, sodass ich fast auf das Leinengewand von Darius trete.

      „Weißt du, wo Chris sein könnte? Es war ein mittelalterliches Schlafgemach, mit Himmelbett und rotgoldenem Brokat“, sage ich, als wir endlich den Flur erreicht haben.

      „Ja, ja“, antwortet er, ohne mich anzusehen und hält auf den Turm mit der verzauberten Wendeltreppe zu. „Ich denke, ich weiß wo er ist.“

      „Da war ich schon, ich bin etliche Etagen hochgegangen, doch ich gelangte immer wieder zum selben Stockwerk.“

      Jetzt verdreht der Druide die Augen und hält seinen Druidenstab hoch. „Du hattest auch nicht den hier dabei!“, sagt er und fügt nach dem Betrachten meines fragenden Gesichtes hinzu: „Roberta hat meinen Stab zum Universalschlüssel umfunktioniert. Die Bereiche, die sie mich betreten lassen möchte, kann ich mit Hilfe des Stabs auch erreichen.“

      Ich folge ihm die Treppen nach oben und tatsächlich gelangen wir zum höheren Stockwerk. Als ich die Tür zu Chris´ Schlafgemach wiedererkenne, renne ich darauf zu und reiße sie auf.

      „Chris!“, keuche ich und vor Erleichterung und Sorge zugleich werden meine Knie weich und ich stolpere in den Raum hinein.

      Chris liegt ausgestreckt auf dem Bett, die Augen geschlossen, das Gesicht nicht mehr so grau und aschfahl wie noch zuvor. Neben seinem Bett stehen zwei Heilerinnen. Eine von ihnen schwenkt eine Räucherschale über seinen Körper, aus der ein Duft von Zitronengras, Verbene und Kiefernnadeln steigt: Eine einfache, belebende Kräutermischung. Die andere Frau wringt einen Lappen in einem Eimer aus und legt ihn auf Chris´ Stirn, wo die Schusswunde jetzt ohne das Pflaster wieder deutlich sichtbar ist.

      „Wie geht es ihm?“, frage ich und knie mich zwischen die beiden vor Chris´ Bett. Ich greife nach seiner Hand und drücke seine Fingerknöchel gegen meine Wange. „Gab es schon irgendeine Reaktion von ihm?“

      Die Heilerin mit der Räucherschale tritt zurück und stellt die Schale auf dem offenen Fensterrahmen ab, von wo der Wind den Rauch gleichmäßig im Raum verteilt. „Nein, bislang noch nicht.“

      Darius stellt sich neben mich und blickt mit besorgtem Blick über Chris´ leblosen Körper. Dann hebt er seinen Druidenstab, fährt mit ihm durch die Luft und schließt konzentriert


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