Milten & Percy - Der Tod des Florian C. Booktian. Florian C. Booktian

Milten & Percy - Der Tod des Florian C. Booktian - Florian C. Booktian


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aufpassen, dass mir nichts passiert.“

      Mit federleichten Schritten ging Percy zum Ausgang. Der Boden war weich und gab mit jedem Schritt nach.

      Er verabschiedete sich von seiner Oma und gerade als er gehen wollte, schob sich eine Traube aus alten Damen, die nach Haarspray und Parfüm rochen, an ihm vorbei und setzte sich. Pokerkarten wurden ausgebreitet und die Ladys stürzten sich auf die Kekse. Die Haustür ging zu, der Besuch war beendet.

      Das Maschinengewehr verstaute Percy im gesicherten Kofferraum seines Mustangs. Den Wagen selbst ließ er stehen. In diesem Zustand konnte er es nicht verantworten zu fahren. Percy taumelte mit einem weggetretenen Lächeln die Straße hinunter. Mal ein bisschen nach rechts, mal ein bisschen nach links. Was er jetzt brauchte, war weibliche Gesellschaft. Viel weibliche Gesellschaft.

      Und er wusste auch ganz genau, wo er die bekommen konnte.

      6

      Die Uhr tickte und mit jeder Sekunde kam das gelbe Taxi dem Polizeipräsidium näher. Milten war schon auf die Straße herausgetreten, als ihm einfiel, dass er mit Percy hierhergekommen war und kein Auto hatte. Also hatte er sich kurzerhand ein Taxi bestellt und gewartet. Er hätte auch einen Dienstwagen beantragen können, aber da es sich nicht um eine offizielle Polizei-Angelegenheit handelte, hatte er darauf verzichtet. Vorschriften waren Vorschriften, auch wenn es ihn inzwischen nicht mehr so sehr störte, ein paar davon zu übertreten.

      Die Wartezeit hatte Miltens Gedanken tief abdriften lassen. Es fing an mit Vanessas Tod, über die Ereignisse in Sharpytown bis hin zu dem Tag, als er Melody auf der Polizeiakademie kennengelernt hatte. Eigentlich war er ein Erfinder und kein Detective, aber nach der Zeit mit dem Erdmännchen in Sharpytown wollte er Percy nicht mehr von der Seite weichen. Das Erdmännchen, Detective und Jungesselle, war sein erster richtiger Freund geworden. Natürlich hatte Milten zuvor schon auf der Universität Freunde gehabt. Aber die Freundschaften zu seinen Mitschülern waren oftmals nur flüchtige Zweckbekanntschaften, die sich nach dem Semester auflösten. Wobei das nicht ganz stimmte. Milten hatte einen Freund, seinen Professor Charles P. Notlob, mit dem er ein gemeinsames Interesse an Erfindungen teilte. Notlob arbeitete an großen Projekten wie der Perpetuum-mobile-Eisenbahn und einer Zeitmaschine. Milten hatte dem Professor während seiner Studienzeit assistiert, ihm beim Korrigieren von Arbeiten und Vorbereiten von Lesungen geholfen. Zeitweise weckte er den Professor morgens sogar auf und schubste ihn unter die Dusche, wenn er wieder mal die ganze Nacht damit verbracht hatte, Berechnungen durchzuführen und Pläne zu zeichnen. Bisher war Notlob nur ein markanter Durchbruch gelungen. Er hatte ein Putzmittel erfunden, das Staub davon abhielt, sich auf Oberflächen abzusetzen, und ihn dazu zwang, sich in einem gesonderten Behältnis anzusammeln: direkt im Mülleimer. Ein Spritzer auf ein Regal, ein zweiter in die Tonne, fertig. Der Staub verkroch sich von alleine. Das Mittel bescherte ihm finanzielle Unabhängigkeit und einen Lehrstuhl, mit dem er weiter forschen konnte. Mancher Tage war Milten froh, dass der Professor jeden Morgen im Vorlesungssaal sein musste, denn wenn man ihn sich selbst überließ, schlief er bis in den Mittag und arbeitete bis in den Morgen hinein. Das ging so lange gut, bis er immer später aufstand und immer später schlafen ging. Dann brach für einen Monat alles zusammen, als der Biorhythmus von Notlob die Kapitulation anmeldete und durch Schlafstörungen klarmachte, dass keiner von beiden mehr wusste, wie ein geregelter Tagesablauf überhaupt auszusehen hatte.

      Als Spätfolge wanderte der Professor einen Monat nachts umher und schlief irgendwann aus Erschöpfung an Ort und Stelle ein. Das hatte Milten genau einmal miterlebt. Es war scheußlich gewesen, seinen Freund so leiden zu sehen. Er wusch sich nicht mehr und verlor mehr und mehr an Gewicht, sodass man ihn schon fast nicht mehr wiedererkannte. Seitdem hatte Milten peinlichst genau darauf geachtet, dass Charles P. Notlob seinen Pflichten als Professor nachkam und sich ansonsten seiner Forschung widmete. Am Ende seines letzten Semesters hatte Notlob Milten gratuliert und ihn gefragt, was er jetzt vorhabe. Milten hatte gelächelt. Es war typisch für den Professor, so viel Zeit mit jemandem zu verbringen und dennoch derartige Kleinigkeiten zu vergessen. Milten hatte ihm etliche Male gesagt, dass er keine Ahnung habe, was er nach dem Studium machen wolle. Am liebsten hätte er einfach weiter studiert, weiter assistiert und weiter vor sich hin getüftelt. Notlob führte ihn in seine Lieblingskneipe, den Steppenden Drachen, und fragte bei einem heißen Donnerschwarztee, was ihm denn fehle. Milten hatte geseufzt, und dann hatte er gebeichtet, dass ihm wohl etwas Aufregung fehlte.

      Einen Tag später bekam Milten einen Anruf seines Professors, der ihm erklärte, dass er sich auf der Polizeistation für ein Praktikum einfinden solle. Er hatte einen Gefallen eingeholt, ihm eine Stelle an der Seite eines berühmten Detectives besorgt. Zuerst hatte Milten gar nicht verstanden, was sein Freund ihm sagen wollte, es klang, als würde er während des Gesprächs Koffer aufwerfen und hastig seinen Kleiderschrank ausräumen. Auf Nachfrage erklärte er Milten, er habe ihn gefunden, den perfekten Ort für seine Zeitmaschine.

      Dann war der Professor aus seinem Leben verschwunden. Weder an der Universität noch bei seinem ehemaligen Vermieter konnte Milten erfahren, wohin sein Freund gefahren war. Die Wohnung des Professors war wie leer gefegt, an der Universität hatte er eilig gekündigt. Aus seinem Arbeitszimmer an der Universität war alles verschwunden, einschließlich der Pläne für die Zeitmaschine. Für einen kurzen Moment war Milten ganz alleine. Und dann kam Percy. Nach ihrem ersten Fall wurde Milten im Schnelldurchlauf zum Detective.

      Von Charles P. Notlob hatte er bis heute nie wieder etwas gehört. Er hatte ihn verlassen, genau wie Melody ihn verlassen hatte, und auch wenn Percy noch da war, seine Melody konnte das Erdmännchen nicht ersetzen.

      Das gelbe Taxi hielt direkt vor Milten und eine nüchtern dreinblickende Fahrerin schaute zu ihm. Ihr Kopf war wie ihre Hände in Bandagen gehüllt. Sie ließ das Fenster herunter und entgegnete plump: „Taxi?“ Plötzlich kniffen sich ihre Augen zusammen, als hätte sie ihn wiedererkannt. Milten konnte mit der Frau aber nichts anfangen. Die winzige freie Stelle um ihre Augen war stark vernarbt und wirkte angespannt. Nichts Ungewöhnliches. In Bimbeldove wimmelte es nur so von billigen Chirurgen. Ein Trend, der scheußliche Nachteile mit sich brachte. Scharenweise kamen Leute unters Messer, die es sich weder leisten konnten noch nötig hatten. Das Ergebnis waren entstellte Gesichter und aufgeblasene Hintern. Der berühmteste unter ihnen war Jeremaya Steinman, ein Wahnsinniger von ganz eigenem Kaliber. Der Mann war vor Monaten verschwunden, angeblich in eine Unterwasserstadt, um sich dort neu zu entfalten.

      Milten stieg ein. Die Fahrerin hatte runde Stumpen von Ohren. Vielleicht hatte sie schwere Verbrennungen erlitten?

      „Wohin solls gehen?“ Ihre Stimme klang kratzig.

      Milten sollte in die Yellowbuttonstreet Nummer 64, um für heute Abend etwas Wichtiges einzukaufen. Der Erfinder, inzwischen Detective, warf einen Blick auf seine traute Taschenuhr. In der Tat, der Tag war noch jung.

      „Bringen Sie mich in den Tempelway 3.“

      Die Fahrerin nickte und ordnete den Wagen an der Kreuzung zum Linksabbiegen ein.

      In dem Taxi herrschte ein unangenehmer Geruch. Eine Mischung aus den vielen Körpergerüchen verschiedener Daseinsformen, die den ganzen Tag auf der Rückbank transportiert wurden.

      Der Wagen hielt im Tempelway 3. Milten bat die Fahrerin zu warten und stieg aus. Gegen das Taxi gelehnt schaute er zu ihr empor, irgendwo dort oben war sie. Und vielleicht gab es ja eine Chance, dass sie doch wieder zusammenkamen, immerhin war der Grund ihrer Trennung kein ernster gewesen. Oder? Vielleicht konnte er sie doch teilen. Lieber ein bisschen Melody als gar keine.

      Sie hatte die Ausbildung an der Polizeiakademie mit ihm abgeschlossen. Aber während Milten direkt Percy zur Seite gestellt wurde, und er somit Jahrzehnte an Vorarbeit und nötigen Beförderungen übersprungen hatte, arbeitete Melody als normale Streifenpolizistin. Vielleicht war Milten einfach zu wenig da gewesen, hatte zu viel gearbeitet. Vielleicht hätte er ein klein wenig mehr von sich erzählen sollen, etwas mehr preisgeben. Sie näher an ihn heranlassen.

      Hinter einem Vorhang tauchte ein Schatten auf, ein paar Augen schauten direkt in Miltens Richtung und verschwanden wieder. Er lehnte sich vom Wagen und machte einen Schritt nach vorne. War das etwa Melody gewesen?

      Miltens


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