TARZAN IN GEFAHR. Edgar Rice Burroughs

TARZAN IN GEFAHR - Edgar Rice Burroughs


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      Auf der Anhöhe des Felsens nahm Tarzan dicht neben dem knorrigen Baum die Spur wieder auf. Auch hier war die Fährte ebenso gut zu finden wie auf der Wand des Felsens, und der Affenmensch schritt rasch am Rande der Schlucht voraus.

      Schließlich blieb er stehen und wandte sich an Om-at. Hier ist sie gelaufen, sie rannte aus Leibeskräften, und, Om-at, sie wurde von einem Löwen verfolgt.

      »Das kannst du aus dem Gras lesen?«, fragte Om-at, als sich die anderen um den Affenmenschen scharten.

      Tarzan nickte. »Ich glaube nicht, dass der Löwe sie gefasst hat««, fügte er hinzu. »Aber das werden wir sehr schnell feststellen können. Nein, er hat sie nicht bekommen - sieh!« Er deutete nach Südwesten.

      »Was ist es?«, fragte Om-at. »Ist sie es?« - Und er wollte darauf zueilen.

      »Warte«, riet Tarzan. »Es ist der Löwe, der sie verfolgt hat.«

      »Du kannst ihn sehen?«, fragte Ta-den.

      »Nein, aber ich kann ihn riechen.«

      Die Gesichter der anderen drückten ihr Erstaunen und ihren Unglauben aus. Aber die Tatsache, dass es sich um einen Löwen handelte, war bald unumstößlich. Das Gesträuch öffnete sich und die Bestie, den Blick auf sie gerichtet, trat ihnen entgegen. Es war ein mächtiger Löwe, groß, mit einer prächtigen Mähne und mit den glänzenden Leopardenflecken, durch die diese Art deutlich und gleichmäßig gekennzeichnet wurde. Eine kurze Weile nur sah das Tier sie an, und dann, noch immer gereizt über den Verlust seiner Beute in den frühen Morgenstunden, griff es an.

      Die Männer lösten ihre Keulen und warteten auf das Tier, das ihnen entgegenraste. Tarzan zog sein Jagdmesser und kauerte sich auf den Weg. Die erboste Bestie hatte ihn beinahe erreicht, als sie sich nach rechts wandte und Om-at ansprang, der sie mit einem schmetternden Hieb auf den Kopf zu Boden schickte. Beinahe sofort war sie wieder auf, und obgleich die Männer furchtlos hinzusprangen, gelang es ihr, die Waffen mit ihren mächtigen Pranken zur Seite zu schlagen. Ein einziger Hieb riss O-dan den Knüppel aus der Hand, der gegen Ta-den schlug und ihn zu Fall brachte. Diese Gelegenheit wahrnehmend, sprang der Löwe auf, um sich auf O-dan zu stürzen. Aber im gleichen Augenblick warf sich Tarzan auf seinen Rücken. Starke weiße Zähne schlugen sich in den gefleckten Nacken. Kraftvolle Arme umschlangen die wilde Kehle, und die sehnigen Beine des Affenmenschen umklammerten den mageren Leib.

      Die anderen waren machtlos zu helfen und standen atemlos, als sich der große Löwe hierhin und dorthin wandte und umsonst nach dem wilden Kämpfer biss und schlug, der sich auf seinen Rücken geklammert hatte. Wieder und wieder überschlugen sich die beiden, und nun sahen die Zuschauer, wie sich eine braune Hand über der Seite des Löwen hob - eine braune Hand, die eine scharfe Klinge führte. Sie sahen sie fallen, sich heben und wieder fallen - es war jedes Mal ein Stoß mit gewaltiger Kraft, und ein purpurner Strom begann den prächtigen Pelz des Löwen hinunter zu rinnen.

      Jetzt hob sich aus der Kehle des Löwen ein entsetzliches Brüllen des Hasses, der Wut und des Schmerzes. Er verdoppelte seine Anstrengungen, um seinen Peiniger aus seinem Sitz zu werfen und zu bestrafen. Aber stets blieb der zerzauste schwarze Kopf halb in der dunkelbraunen Mähne des Löwen vergraben, und der mächtige Arm hob und senkte sich, um das Messer immer wieder in die Seite der sterbenden Bestie zu stoßen.

      Die Krieger standen schweigend in Staunen und Bewunderung. Selbst tapfere Männer und mächtige Jäger, waren sie als solche auch bereit, einem Überlegeneren Anerkennung zu zollen.

      »Und ihr wolltet, ich sollte ihn erschlagen!«, rief Om-at und sah In-sad und O-dan an.

      »Jad-ben-Otho, unser Gott, belohne dich dafür, dass du es nicht getan hast«, sagte In-sad.

      Plötzlich fiel der Löwe zu Boden und nach ein paar krampfhaften Zuckungen lag er still und reglos. O-dan ging rasch auf Tarzan zu. Eine Hand auf dem eigenen Herzen, legte er die andere auf Tarzans Brust. »Tarzan, der Schreckliche«, sagte er. »Ich kenne keine größere Ehre, als dich um deine Freundschaft zu bitten!«

      »Und ich keine andere, als die Freundschaft von Om-ats Freunden«, gab der Affenmensch bescheiden den Gruß des anderen zurück.

      »Glaubst du«, fragte Om-at, während er sich Tarzan näherte und ihm die Hand auf die Schulter legte, »dass er Dunkle Blume bekommen hat?«

      »Nein, mein Freund. Es war ein hungriger Löwe, der uns angegriffen hat.«

      »Du musst sehr viel von Löwen wissen«, sagte In-sad.

      »Wenn ich einen Bruder hätte, ich könnte ihn nicht besser kennen«, gab Tarzan zurück.

      »Wo aber kann sie sein?«, fragte Om-at erneut.

      Einen Augenblick prüfte Tarzan den Boden zur Rechten und zur Linken, dann richtete er sich auf, sah Om-at an und deutete in den Abgrund.

      Kurz nur schaute der Waz-don hinab, wo ein reißender Fluss in die Schlucht hinunterstürzte, dann schloss er die Augen, um seinen Schmerz zu verbergen und wandte sich ab.

      »Du - meinst - sie ist gesprungen?«, fragte er.

      »Um dem Löwen zu entgehen«, erwiderte Tarzan. »Er war dicht hinter ihr - schau, du kannst noch sehen, wo seine vier Pranken sich in den Boden gedrückt haben, als er seinen Angriff am Rande des Abgrunds bremste.«

      »Besteht eine Möglichkeit...«, begann Om-at, um plötzlich von einer warnenden Handbewegung Tarzans unterbrochen zu werden.

      »Runter«!, flüsterte der Affenmensch. »Viele Männer kommen. Sie rennen.« Er legte sich sogleich flach auf den Bauch ins Gras, und die anderen folgten seinem Beispiel.

      Ein paar Minuten lagen sie so, wartend, und dann hörten auch die anderen das Geräusch laufender Füße und einen wilden Ruf, dem viele andere folgten.

      »Es ist der Kriegsruf der Kor-ul-lul«, flüsterte Om-at. »Der Jagdschrei von Menschen, die Menschen jagen. Wir werden sie sogleich sehen und wenn Jad-ben-Otho, unser Gott, uns wohl gesinnt ist, werden sie uns nicht zu sehr überlegen sein.«

      »Es sind viele«, sagte Tarzan. »Vierzig oder fünfzig, nehme ich an. Aber wie viele verfolgt werden und wie viele verfolgen, kann ich nicht erraten, nur, die letzteren sind den ersteren bedeutend überlegen, sonst würden sie nicht derart schnell laufen.«

      »Dort kommen sie«, sagte Ta-den.

      »Es sind An-un, der Vater von Dunkle Blume, und seine beiden Söhne«, rief O-dan aus. »Wenn wir uns nicht beeilen, werden sie an uns vorüberlaufen, ohne uns zu sehen«, fügte er hinzu und sah Om-at, den Häuptling, an, um Zeichen zu erhalten.

      »Kommt!«, rief dieser, erhob sich und lief rasch den drei Fliehenden entgegen. Die anderen folgten ihm.

      »Fünf Freunde!«, rief Om-at, als An-un und seine Söhne sie entdeckt hatten.

      Die Verfolgten hielten kaum inne, als diese unerwartete Verstärkung zu ihnen stieß, aber sie warfen erstaunte Blicke auf Ta-den und Tarzan.

      »Es sind viele Kor-ul-lul«, rief An-un. »Ich wollte, wir könnten anhalten und kämpfen, aber erst müssen wir Es-sat und unser Volk warnen.«

      »Ja«, sagte Om-at. »Wir müssen unser Volk warnen. Es-sat ist tot«, sagte In-sad.

      »Wer ist Häuptling?«, fragte einer der Söhne An-uns.

      »Om-at«, erwiderte O-dan.

      »Das ist gut«, rief An-un. »Dunkle Blume sagte, dass du zurückkehren würdest, um Es-sat zu erschlagen.«

      Jetzt kam hinter ihnen auch der Feind in Sicht.

      »Kommt!«, rief Tarzan. »Lasst uns wenden und sie angreifen, indem wir ein großes Kampfgeschrei erheben. Die Verfolgten waren nur drei Mann. Wenn sie nun acht sehen, die ihnen entgegenstürzen, werden sie glauben, dass viele zum Kampf gekommen sind. Sie werden annehmen, wir sind mehr als sie sehen. Dann wird einer, der schnell ist, Zeit haben, die Schlucht zu erreichen und dein Volk zu warnen.«

      »Das ist eine gute Idee«, sagte Om-at.


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