In Mexiko Bd. 1. Gerstäcker Friedrich
er in diesem Augenblick in's Leben. /18/
„Seine Majestät der Kaiser ist in Vera-Cruz gelandet." Die Worte lauteten so kurz und überzeugend, daß ein Zweifel daran unmöglich wurde. Außerdem hatte ja Miramon selber die Kunde erhalten, und der Bursche, der das Schreiben gebracht, war jedenfalls der Correo gewesen.
Bazaine allein schien die Ankunft des neuen Monarchen in dem nicht angenehmen Gefühl zu vergessen, daß General Miramon - ein Mexikaner, und nicht er die erste Botschaft erhalten. Aber von wem war sie ausgegangen, und wie war es möglich, daß man in Vera-Cruz versäumt haben sollte, ihm gerade zuerst das Wichtigste zu melden, was in diesem Augenblick das Land betreffen konnte.
Mit dem Erzbischof zusammen, der sich ebenfalls der Gruppe anschloß, trat er zu Miramon, um den Zettel mit eigenen Augen zu sehen, aber derselbe enthielt nur die wenigen Worte:
„Soeben läuft die Fregatte ein, die den Kaiser Maximilian an Bord hat." Es war nur ein Stück weißes Papier ohne Adresse, aber zusammengefaltet und rein, als ob es eben aus einem Couvert genommen wäre. Es enthielt auch keine weitere Bemerkung; nur unten noch die Zahl 28, die möglicher Weise das Datum andeuten konnte - aber wie kurze Zeit hatte dann freilich der Courier gebraucht, um hier herauf zu kommen!
„Und ist Ihnen das Papier so übergeben worden, General?" frug Bazaine, der es kopfschüttelnd in der Hand herumdrehte.
„Wie es da ist," sagte Miramon, „ich begreife es nicht recht - am Ende ein höchst ungeschickter Scherz, den sich Jemand mit uns erlaubt hat. Wir hatten den Boten nicht so rasch wieder fortlassen sollen."
„Kannten Sie ihn?" frug Labastida - Miramon verneinte es, Bazaine aber sagte:
„Mir kam er bekannt vor; ich habe das Gesicht jedenfalls schon gesehen."
„Ich kann mich nicht erinnern," meine Miramon, „und begreife außerdem nicht, daß man ihn so ohne Weiteres hereingelassen."
Ein weiteres Gespräch wurde unmöglich, denn von allen /19/ Seiten drängten jetzt die Damen herzu, die sich natürlich nicht mit der einfachen Nachricht begnügen, sondern Näheres erfahren wollten. Miramon aber kannte den Zauber, mit dem er im Stande war dies unruhige, wenn auch sehr hübsche Völkchen zu bannen. Selbstverständlich hatte er ein Musikcorps engagirt, denn ohne Tanz gehen die jungen Damen an solchen Abenden nie nach Hause; die Musici mußten deshalb ihre Plätze einnehmen, und wie, inmitten der allgemeinen Aufregung, die nicht unmelodischen Töne der mexikanischen National-Hymne ertönten, regte sich kein Laut mehr, und eine wirklich feierliche Stimmung erfaßte Alle. War es doch auch ein feierlicher Moment: der erste Schritt zu einem neuen Leben, vielleicht zu Glück und Frieden in dem schwergeprüften Lande – aber diese Stimmung dauerte nicht lange. Wie nur die Hymne verklungen und die Musiker, nach kurzer Pause, eine muntere Habanera begannen, verschwand im Nu der ernste Ton. Das junge Volk hatte Musik gehört, und das ganze neue Kaiserreich
erweckte ja für dieses Alter nur Bilder von Glanz und Lust, wie von sich aneinander reihenden Festlichkeiten. Was wußte es von dem Land selber und von dem darauf lastenden Jammer! bald schwatzte und lachte und flüsterte und kicherte es wieder untereinander in vollem Jubel, und heller blitzten und funkelten selbst nicht die Brillanten am Nacken und in den Ohren ihrer schönen Trägerinnen, als die Augen der wunderhübschen Mädchenschaar.
Und hatten die jungen Damen in Mexiko nicht auch alle Ursache, mit dem neuen Stand der Dinge zufrieden zu sein? Stellte ihnen nicht Frankreich, außer ihren gewöhnlichen und eingeborenen Anbetern und Tänzern, schon allein ein ganzes Officiercorps zur Disposition, während der neue Kaiser doch jetzt auch jedenfalls eine weitere Sammlung von jungen deutschen Officieren mit herüberbrachte? Und außerdem all' die bevorstehenden Festlichkeiten und Bälle - es war kein Wunder, daß sich eine fast übermüthige Laune ihrer bemächtigte und auf die übrige Gesellschaft ansteckend wirken mußte. Man erinnerte sich nicht, je einen vergnügteren Abend in Mexiko verlebt zu haben. /20/
Diese Heiterkeit erstreckte sich freilich nicht auf Alle, denn zu ernst trat das Leben in diesem neuen Abschnitt an Manche heran. Miramon selber hatte eine lange Unterredung mit dem Erzbischof Labastida, und selbst die älteren französischen und mexikanischen Officiere verhandelten eben so eifrig und die Gesellschaft gar nicht mehr beachtend mit Bazaine, denn wie plötzlich war das Alles gekommen!
Wohl mußten Alle auf den jetzt eingetretenen Fall schon vollkommen vorbereitet sein, und trotzdem waren doch so wenig wirkliche Vorbereitungen getroffen und noch von so Vielen die thatsächliche Annahme und Ankunft des Kaisers bezweifelt worden, so daß Maximilian jetzt fast wie ein unerwarteter Gast in seinem eigenen Reiche erschien. Alles das mußte nun in einem Zeitraum nachgeholt werden, der kaum so viel Tage dazu gestattete, als man sonst und unter gewöhnlichen Umständen Monate gebraucht haben würde.
Miramon und Labastida besprachen freilich andere Dinge, denn der Erzbischof sah in seinem jungen, der höchsten Aristokratie des Landes angehörenden Freunde seine festeste Stütze. Jetzt aber war die Zeit gekommen, wo die Wahl eines neuen Ministeriums die Richtung bezeichnen mußte, die das neue Kaiserreich zu nehmen gedachte - und konnte es eine andere als solche treffen, die ihm von den Conservativen wie der Geistlichkeit vorgezeichnet wurde? - Es schien nicht denkbar. Diese gerade hatten den Kaiser berufen und all' ihren Einfluß aufgeboten, um das Volk für ihn zu stimmen, nur mit ihnen konnte er sich deshalb auch halten. Es galt deshalb nur die Schritte anzubahnen, die gleich von Ansang an gethan werden mußten, um den jungen Kaiser zu bewahren, daß er nicht in falsche Hände geriethe.
Labastida fürchtete es kaum, aber Vorsicht konnte trotzdem nicht schaden.
Unter den jungen Leuten war indessen der Kaiser bald vergessen, oder lieferte doch nur erwünschten Stoff zu lebendiger Unterhaltung. Die munteren Töne der Habanera erklangen, und das junge fröhliche Volk gab sich der Lust des Tanzes mit ganzer Seele hin. /21/
2.
Die Landung des Kaisers.
Wenn man schon in der Hauptstadt Mexiko erstaunt über die Ankunft des Kaisers war, wo man ihn seit Monaten erwartet und einen solchen Fall besprochen hatte, so überraschte Maximilian die Bewohner von Vera-Cruz noch viel mehr und auf das Entschiedenste, denn gerade hier bestand fast die ganze gebildete Klasse der Bevölkerung aus fremden Kaufleuten, und hier gerade hatte man auch am allerwenigsten dem Gerücht geglaubt, daß ein österreichischer Prinz je dem Ruf eines Napoleon folgen werde. Besonders die Deutschen, von denen es sehr viele im Hafen gab, bestritten eine solche Behauptung, wenn auch noch so bestimmt von Mexikanern oder einzelnen Franzosen geäußert, auf das Entschiedenste - und trotzdem war es geschehen.
Draußen auf der gewöhnlichen Rhede, gerade vor der Stadt - nicht weiter oben im Hafen bei Sacrificio, wo die französische Flotte am Sammelplatz der Kriegsschiffe lag - hatte die „Novara" ihren Anker fallen lassen. Aber selbst als die wehenden Flaggen keinen Zweifel gestatteten, und sogar Boote schon herüber- und hinüberglitten lag es noch wie ein dumpfes Erstaunen auf der Hafenstadt, und nichts regte sich darin, kein Zeichen der Freude, keine Bewillkommnung des Herrschers auf dem neuen fremden Boden wurde laut.
Auf dem Quarterdeck der „Novara" indessen, die Kaiserin neben ihm, die Begleitung kurze Strecke entfernt von den beiden Monarchen, aber alle Blicke dem neuen, wunderlich aussehenden Lande zugewandt, stand Maximilian. Die linke Hand stützte er auf die Bulwarks, die das Deck umgaben, die rechte hatte er vorn in seinen Rock geschoben, und sein Auge hing still und forschend an der vor ihm liegenden flachen und eigentlich trostlosen Küste, an den braunen Häusern und eigenthümlichen Kuppeln der Hafenstadt.
Wie ein leichtes, spöttisches Lächeln legte es sich dabei über /22/ seine Züge, und als sein Blick für einen Moment nach der Kaiserin hinüber schweifte, und er den peinlichen Ausdruck bemerkte, der auf ihrem Antlitz ruhte, sagte er leise und ironisch:
„Nicht wahr, Charlotte, die Leute sind hier ganz außer sich vor Freude, daß sie uns endlich nur im Hafen haben."
„Sie wissen vielleicht gar nicht einmal, daß wir an Bord sind," erwiderte die Kaiserin, die nur mit Mühe ihre Erregung verbergen konnte.
„Und hat nicht die „Themis" unsere Ankunft angezeigt? Aber dort drüben kommt ein Boot vom Ankerplatz der Franzosen herüber