In Mexiko Bd. 1. Gerstäcker Friedrich

In Mexiko Bd. 1 - Gerstäcker Friedrich


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übertrieben wurde, ebenfalls beunruhigt, ja geängstigt, war es kein Wunder, daß das Kaiserpaar Vera-Cruz nur als flüchtige Station betrachtete und rasch hindurchfuhr, um den Bahnhof zu erreichen. Dort bestiegen der Kaiser und die Kaiserin einen besondern Salonwagen, von den europäischen dadurch unterschieden, daß der vordere Theil desselben vollkommen offen war, während der Nachtzeit, mit hellgrauem Tuch beschlagen, durch Glasfenster geschlossen werden konnte. Die Begleitung nahm die gewöhnlichen, mit Rohrsitzcn versehenen Salonwagen ein, und fort ging der Zug, die kurze Strecke Eisenbahn durch die tierra caliente benutzend, die von den Franzosen angelegt worden, um ihre Truppen so rasch als möglich durch das „heiße Land" zu bringen.

      Eine andere, wenn auch nur geringe Enttäuschung beach-/27/teten sie kaum, denn der Kaiser sowohl als die Kaiserin hatten erwartet, den für sie bestimmten hiesigen Hofstaat schon in Vera-Cruz vorzufinden. Aber das gelbe Fieber langte vor ihnen an und scheuchte mit seiner drohenden Todtenhand den Schmuck und Glanz des Hofes zurück auf seiner Bahn. Die Cavaliere und Damen des Hofes hatten es vorgezogen, die Majestäten in Mexiko selber zu erwarten.

      Der Zug brauste durch den weiten Wald; in dem Wagen saß der Kaiser mit der Kaiserin, und draußen schien die Sonne Mexicos auf das wilde, weite, aber von üppiger Vegetation strotzende Land, auf Palmenwipfel und blühende Lianen nieder, zwischen denen freilich die faulen Wasser der Vera-Cruz umgebenden Sümpfe liegen. Kein Wort wurde aber auf der ganzen Fahrt bis Soledad zwischen Beiden gewechselt, denn wie ein drückendes Gewicht lag es auf Beider Seele: dieser trübe, erste Empfang im neuen Reich, diese Flucht fast aus der kaum erreichten Hafenstadt.

      Und wenn sie so ihre Hauptstadt betreten mußten? - kalt und herzlos von dem Volk empfangen, dem der junge Fürst sein ganzes Leben geopfert und in seiner Stellung daheim, moralisch ebenso wie Cortez, die Schiffe hinter sich verbrannt hatte? - War denn das Alles Täuschung, Lug und Trug gewesen, was man ihm daheim von der Stimmung dieses Landes gesagt? Galt er dem Volke hier, das ihn ja doch aus „freier Wahl" zu seinem Kaiser erhoben, nur als ein anfgezwungener Gast, den man wohl unter ein paar Triumphbogen durchziehen ließ, aber dann auch glaubte, sich bis auf Weiteres mit ihm abgefunden zu haben?

      Wie schön und sonnig lag die Scenerie um sie her - den Sumpf hatten sie verlassen, und kleine, von Indianern bewohnte Hütten wurden zwischen dem Grün der Bäume sichtbar. Die Menschen darin sprangen auch in die Thür, aber nur in stumpfer Neugierde starrten sie dem vorüberbrausenden Zug nach, in dem ihre neuen Herrscher saßen.

      Und was Alles zog in dieser kurzen Stunde gezwungener Unthätigkeit durch die Seele des Kaisers? Der erste ungeschliffene Empfang des französischen Admirals, das unangenehme Gefühl der, vielleicht nothwendigen, aber nur zu /28/ deutlich ausgesprochenen und überall zur Schau getragenen französischen Oberherrschaft. Die Zurückhaltung der Mexikaner, dabei mit dem Eindruck, den hier das noch wilde, fast unbenutzte sumpfige Land auf ihn machen mußte. - War er wirklich ein Opfer französischer Diplomatie geworden? ein Vorschiebsel, um Napoleon den Dritten aus einer ihm über den Kopf gewachsenen Verlegenheit zu ziehen? - Aber des Kaisers Lippen preßten sich fest zusammen. Wollten sie ihn wirklich hier nur zu einem Werkzeug machen, um das schöne Reich in Zwang und unter französischem Befehl zu halten, so hatten sie sich jedenfalls in der Person geirrt. Das Volk mußte ihn allerdings erst kennen lernen, ihn und die Absichten, die er mit dem Lande hatte und die nur aus reiner, edler Seele entsprungen. Stand es ihm dann aber so treu zur Seite, wie er entschlossen war bei ihm und mit ihm auszuhalten, so war es ein Leichtes, französische Hintergedanken zu kreuzen und den Thron fest gegen jede äußere Macht zu stellen.

      Eine Wolke zog über die Sonne; düster lag der wilde, dicht verwachsene Wald an beiden Seiten, und häßliche Geier, die neben der Bahn an einem gefallenen Stück Vieh ihr ekles Mahl gehalten, strichen mit lautem Flügelschlag erschreckt zur Seite.

      In dem Augenblick gellte der grelle Pfiff der Locomotive durch den Wald; sie näherten sich einer zum Halteplatz bestimmten Station, und wie der Zug einbremste und die Sonne wieder voll und fröhlich aus den flüchtigen Schleiern heraustrat, da grüßten die Klänge fröhlicher Musik das Ohr des Kaisers. Eine Menge geputzter Menschen war dort versammelt, eine kleine, mit Blumen und Kränzen geschmückte Halle zeigte sich dem Blick, mit lauter Jubel drang daraus dem Herrscherpaar entgegen.

      Unwillkürlich suchte Maximilian's Auge das der Gattin, das er bis jetzt in seinem düstern Brüten gemieden; eine Thräne glänzte darin. War sie erst jetzt durch diesen ersten Lichtblick ihres neuen Lebens hervorgepreßt, oder hing sie noch an den Wimpern der hohen Frau, als Zeuge ähnlicher Ahnungen, wie sie auch kurz vorher des Gatten Herz bewegt? /29/

      Es blieb ihm keine Zeit, auch nur eine Frage an sie zu richten, denn das Volk drängte herbei; Indianer mit Blumen und Früchten, Weiße und Mischlinge in ihrer Sonntagstracht, und da war nichts Gemachtes, keine auf Befehl in Scene gesetzte Demonstration. So einfach die Begrüßung war, so sicher kam sie von Herzen, und besonders die Indianer dort schaarten sich um den Kaiser, während ein nur halblaut und fast wie scheu ausgesprochenes Wort flüsternd durch ihre Reihen lief.

      Von da an schien der Bann gebrochen, der auf Maximilian's Eintritt in sein fremdes Reich gelegen. Der erste Bote, der seine Ankunft in Mexikos Hauptstadt gemeldet, hatte die Kunde auch durch das Land getragen. Friede sollte von jetzt an herrschen. Der neue Kaiser kam, den eine alte indianische Sage schon seit Jahrhunderten verkündet, und von allen Seiten strömte das Volk herbei, um ihn zu begrüßen.

      Und Mexiko, die Hauptstadt, durfte darin nicht zurückbleiben.

      Wie ein Lauffeuer hatte sich die Kunde von der Ankunft des Kaiserpaares in der großen Stadt verbreitet und gerade hier auch ungetheilten Jubel hervorgerufen. Man war der französischen Herrschaft schon recht von Herzen müde geworden und sehnte sich nach einem andern Regiment, das - wenn es nur die Hälfte von dem hielt, was es versprach - Segen und Ruhe über das arme, fast zu Tod gehetzte Land ausschütten mußte. - Sagte denn nicht dieser neue Kaiser in seiner von Vera-Cruz aus datirten Proclamation, die ein zweiter Courier heraufgebracht:

      „So schwer es mir auch wurde, meinem Geburtsland zu entsagen, so habe ich es doch in der Ueberzeugung gethan, daß mich der Allmächtige, durch Eure Vermittlung, zu der edlen Mission ausersehen hat, meine ganze Energie und mein ganzes Herz einem Volke zu weihen, das, von unheilvollen Kämpfen ermüdet, aufrichtig den Frieden wünscht. Die Segnungen des Himmels und mit ihnen der Fortschritt werden uns sicherlich nicht fehlen, wenn sich alle Parteien von einer starken und redlichen Regierung leiten lassen und sich einigen, um das vorgesteckte Ziel zu erreichen, und wenn wir stets /30/ fortfahren, von religiösen Gefühlen beseelt zu sein, diesem Kennzeichen unseres schönen Vaterlandes selbst in den schwierigsten Epochen. Was mich betrifft, so biete ich Euch einen aufrichtigen Willen, Redlichkeit und die feste Absicht an, Eure Gesetze zu achten und sie mit unerschütterlicher Autorität zur Achtung zu bringen. Einigen wir uns, um das gemeinsame Ziel zu erreichen; vergessen wir eine düstere Vergangenheit; begraben wir den Parteihaß, und die Morgenröthe des Friedens wird sich leuchtend über dem neuen Kaiserreich erheben."

      So etwa lautete der kurze Inhalt des Schriftstückes, das rasch in Tausenden von Exemplaren in der Staatsdruckerei hergestellt und unter das Volk verbreitet wurde, und natürlich, seinem Inhalte nach, Jubel in allen Kreisen erregte. - Sah doch jede Partei darin eine Erfüllung dessen, was sie selbst erstrebte.

      Es waren aber auch einfache-ehrliche Worte, die der neue Herrscher zu ihnen sprach, und man glaubte ihnen so gern, da sie doch für die nächste Zeit wenigstens bessere und geregelte Zustände verkündeten.

      Am 12. Juni endlich wurde die Ankunft des Kaiserpaares, das sich unterwegs und zwar in Orizaba und Puebla länger aufgehalten, in der Hauptstadt Mexiko angekündigt, und alle Straßen fast prangten im Festschmuck, schwärmten von jubelnden Massen, und schienen ihr schönstes Festkleid angelegt zu haben.

      Nur im kaiserlichen Palais selber gab cs noch unglückliche Menschen, die bis an die Schultern in Seifenwasser und Schaum staken, gab es noch Tischler und Tapezierer, noch Schlosser, Zimmerleute und Maurer, denn man war ja, nach ächt mexikanischer Art und Weise, gar nicht an die selbst nöthigsten Arbeiten gegangen, bis den Leuten das Feuer auf den Nägeln brannte - dann aber auch natürlich nicht fertig geworden. Wie ein Blitzstrahl schlug daher die Nachricht: „der Kaiser kommt!" bei allen den mit irgend einer Arbeit Betrauten ein, und richtete


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