In Mexiko Bd. 1. Gerstäcker Friedrich

In Mexiko Bd. 1 - Gerstäcker Friedrich


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Mühe genug kosten wird. Und dabei warten die Parteien nur darauf, zu sehen, welche er begünstigt, um dann ebenfalls über ihn herzufallen."

      „Sie entwerfen ein freundliches Bild von unseren Zuständen," lachte Romero, „und ich fürchte fast, Sie haben in vielen Dingen Recht, aber que importa? - wir können nichts in der Sache thun, als sie eben abwarten, und das hat Maximilian doch wenigstens für sich, daß ihn das Volk in seiner ungeheuern Mehrzahl zum Kaiser selbst verlangte -"

      „Aber bester Romero," sagte der alte Herr, „Sie reden von einer Abstimmung in Mexiko. Wissen Sie nicht, was eine solche zu bedeuten hat?"

      „Nun, den Willen des Volkes," rief Romero eifrig aus, „und wenn Sie heute noch einmal den Versuch machten, bin ich fest überzeugt, daß er Tausende von Stimmen mehr bekommen würde."

      „Gewiß würde er das," lachte Bastiani, „und weshalb nicht? Wollte er in diesem Augenblick über das Kaiserreich abstimmen lassen, so glaube ich nicht, daß es zehn Menschen in der ganzen Stadt und wenig mehr im benachbarten Land gäbe, die ihm ihre Stimme vorenthielten, aber was will das sagen? Lassen Sie Juarez aus seinen Bergen vorbrechen, die Franzosen einmal schlagen und nachher über ihn abstimmen, so haben Sie das nämliche Resultat für den Indianer. Daß Maximilian eine Abstimmung in Mexiko nur verlangte, beweist, daß er das Land nicht kennt, wenn nicht überhaupt die Annahme der Krone schon den vollgültigsten Beleg dafür böte."

      „Sie kommen! sie kommen!" tonte der laute Ruf durch die Reihen, und natürlich war dadurch jedes weitere Gespräch abgebrochen, ja jeder andere Gedanke gebannt. Die Equipagen fuhren rechts und links zur Seite, die Reiter, von denen nur ein Theil als Escorte voraussprengte, trennten sich /36/ ebenfalls, und jetzt kam der Zug, von dem mehr und mehr anschwellenden Willkommensrufe begrüßt, heran. Zu einem wahren Enthusiasmus aber steigerte sich derselbe, als man das junge, schöne Paar im Wagen erst erkannte.

      Das war in der That ein Fürst, wie sie ihn sich gedacht; das war eine Kaiserin, die an seiner Seite saß, edel und schön, stolz und königlich. Der Jubel schwoll auch zu einem wahren Freudenrausch an, als das hohe Paar langsam zwischen den Wagen und Reitern, die sich dem Zug dann anschlössen, hindurchfuhr. Die Damen warfen ihre Blumen in den Wagen und schwenkten die Tücher, die Herren hoben ihre Hüte, und die donnernden Vivats pflanzten sich fort auf der Straße bis in die künftige Residenz hinein.

      Maximilian schaute hinaus auf sein neues Volk und auf dessen lauten und jetzt unzweifelhaft aus dem Herzen kommenden Jubel, und zwei helle Thränen glänzten in seinen Augen. Er war so ergriffen, daß er sich Mühe geben mußte, seine Ruhe zu bewahren. Desto unbefangener und fester zeigte sich aber die Kaiserin. Sie dankte mit huldvollem Lächeln nach allen Seiten hin, aber auf ihren schönen, doch etwas kalten Zügen lag deutlich die Freude und Genugthuung über diesen Empfang. Sie war sich des Augenblicks vollkommen bewußt und genoß ihn, während Maximilian selber, in der Erfüllung eines lange vorgeschwebten Zieles, alle Kraft anwenden mußte, um Fassung zu zeigen und dem Publikum nicht zu verrathen, welches tief empfundene Glück sein Herz in diesem Augenblick bewege.

      Und der Zug wuchs. Als sie sich den Thoren der Stadt näherten, ritt an der rechten Seite des Kaisers General Ba zaine, der den Monarchen ehrfurchtsvoll begrüßt hatte. Mit ihm umgaben Graf Bombelles, der Commandant der Garde, die Adjutanten und viele andere Officiere die Equipage des Herrscherpaares. Voraus bildete sich dabei der Zug der Ayuntamientos und höheren Beamten, und nach folgte das Volk, mit zahllosen Indianern dazwischen, während Mexiko selber im Festschmuck prangte.

      Eine Masse von Triumphbogen waren errichtet, die Straßen, durch welche der Zug ging, sämmtlich mit Guirlanden, Fahnen /37/und Draperien, die letzteren meist in den mexikanischen Farben, geschmückt; die Balköne, in der ersten wie zweiten Etage der Häuser, mit geputzten Damen und Kindern gefüllt, welche dann Blumen und seidene, mit Gedichten bedruckte Bänder über die vorbeifahrenden Majestäten ausschütteten.

      Viele kleine Privataufzüge wurden dabei improvisirt, wie sie auch noch nie beim Einzug irgend eines der übrigen Präsidenten gefehlt hatten, und das geschieht fast stets mit Hülfe von kleinen, hübschen und phantastisch angezogenen Kindern, die entweder von mexikanischen Flaggen umgeben, in künstlichen Muscheln getragen oder auch von Maulthiercn gezogen werden. Die Figur oder auch Gruppe stattet man dabei stets allegorisch aus, worin die Mexikaner eine große Fertigkeit zeigen, so daß sie sinnbildlich das Land selber, bald die Freiheit, bald den Sieg, die Gerechtigkeit oder irgend etwas, womit man gerade dem Gefeierten schmeicheln will, vorstellen.

      Alle diese kleinen Aufzüge suchten dem Kaiserpaar zu nahen und ihm ebenfalls Blumen und Gedichte in den Wagen zu werfen. Selbst die Bildnisse des Kaisers wie der Kaiserin fehlten nicht; Raketen aber wie anderes Feuerwerk stieg am hellen, sonnigen Tag in die Luft empor, wie das bei allen Feierlichkeiten die wunderliche Sitte in ganz Südamerika ist.

      Auch an Miramon's Haus ging der Zug vorüber. Miramon selber stand mit seiner jungen, schönen Frau und den Kindern auf dem mittleren Balkon, und die Kinder streuten ebenfalls Blumen hinab. - Auch Seňora Miramon hielt einen lockern Strauß prachtvoller Rosen in der Hand und schaute, den rechten Arm auf die Balkonlehne gestützt, sinnend auf den gerade langsam vorbeifahrenden Wagen nieder. Mira mon sagte lächelnd:

      „Das mexikanische Volk bleibt sich doch immer gleich. Bei meinem Einzug fehlten eben so wenig diese Allegorien, wie die Blumen und Gedichte, und es sollte mich gar nicht wundern, wenn viele dieser bunten Bänder die Reise aus Fenster oder Balkon in die Straße bei den verschiedensten Gelegenheiten schon vorher gemacht. Siehst Du, wie sie da einige Leute sorgsam aufheben?"

      „Und wenn Du wieder einzögst," sagte die junge Frau, /38/ indem ihr Blick unten von dem lebendigen Bild abschweifte und am Leeren haftete, „so würde Dir das Volk ebenso entgegenjubeln."

      „Gewiß, gewiß," nickte der General. „Volk bleibt Volk, und der Erfolg der alleinige Maßstab für dasselbe. Wohin Du siehst in der Welt, findest Du das Nämliche. Aber Du hast ja Deine Blumen nicht geworfen, Schatz?"

      „In der That, nein," sagte die Senora, „ich habe wahrlich gar nicht daran gedacht, aber die Herrschaften werden nicht böse darüber sein. Sie sind ja jetzt schon von Blumen fast bedeckt und können das Gewicht kaum tragen. - Wie das so wunderbar wechselt auf der Welt," setzte sie dann nach einer kurzen Pause sinnend hinzu: „Du, der frühere Präsident der Republik, stehst jetzt hier oben auf dem Balkon und siehst dem Einzug eines Kaisers zu."

      „Und ich darf dafür nicht einmal undankbar gegen mein Vaterland sein," lächelte der junge Mann, „denn Iturbide und Guerrero waren nicht so glücklich, das von sich sagen zu können."

      „Und nennst Du das ein Glück?" sagte die junge, schöne Frau, die Oberlippe dabei leicht emporwerfend.

      „Daß ich noch am Leben bin? gewiß," lachte Miramon, „aber paciencia, amiga, paciencia! Du kennst doch den Wahlspruch unseres Landes. Maximilian zieht zu einer bösen Zeit in Mexiko ein, böse in sofern, wenn er glaubt, daß er seine Herrscherwürde ruhig in den Schooß geworfen bekommt.

      Er wird Arbeit und Aerger, wenn nicht Schlimmeres, gerade genug finden. Ich wäre der Letzte, ihm das Alles, nur des Namens wegen, zu mißgönnen. Schafft er sich wirklich Ruhe, was ich noch sehr stark bezweifle, so verdient er sie sich auch im vollen Maße, und ich irre mich vielleicht kaum, wenn ich denke, daß er doch trotz alledem nur eben wieder für einen Andern arbeitet."

      „Für welchen Andern, Miguel?" frug rasch die Frau.

      ,,Quien sabe, Schatz," sagte achselzuckend Miramon, „jedenfalls erleben wir es noch, denn so lange dauert eine Umwandlung in unserem etwas veränderlichen Reiche nicht."

      „Und wenn sich das Volk nun doch ihm fügen sollte? Es hat die ewigen Revolutionen satt." /39/ „Das Volk, liebes Herz, hat mit der Sache gar nichts zu thun," sagte Miramon kopfschüttelnd, „und wird zu allerletzt deshalb befragt. Außerdem ist es ein Fremder, und Du weißt, wie rasch die Creolen geneigt sind, gegen den Partei zu nehmen - wenn es nämlich einmal nöthig werden sollte. Doch das Alles liegt noch in weiter Ferne, und weshalb sollten wir uns damit jetzt schon den schönen Tag trüben. - Sieh, der Zug nähert sich der Kathedrale, und ich glaube es wird Zeit, daß wir an unsere Toilette denken; wir kommen sonst wirklich zu spät zum Empfang."


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