In Amerika. Gerstäcker Friedrich

In Amerika - Gerstäcker Friedrich


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einmal ein bestimmter Eigentümer des Burschen pekuniären Verlust durch seinen Tod erlitt – er trug ja seinen Freipass und das Zeugnis, dass er sich durch fleißige Extraarbeit losgekauft, bei sich.

      * * *

      ZWEITES KAPITEL

      In Belleville.

       Belleville war ein reizendes kleines Binnenstädtchen im Süden des Staates Georgia, und wenn man sich ihm aus der Ferne näherte, so hätte man es sogar, der Anzahl von Gebäuden nach, für eine größere Stadt halten können. Und doch bestand es nur aus sehr wenig Wohnungen w e i ß e r Insassen, um die sich dann aber freilich größere Komplexe von Negerhütten reihten, so dass es mit diesen, wie mit den Zuckerfabriken und Baumwollenmaschinen, mit Rathaus, Hotel, Apotheke und einigen Privathäusern, einen ziemlich bedeutenden Flächenraum einnahm.

       Das Rat- oder sogenannte Courthouse bildete den Mittelpunkt – dicht daran schloss sich das Gefängnis, und ein breiter grüner, aber nicht gepflegter Rasenplatz dehnte sich davor aus und wurde von einzelnen Büschen der Wunderblume oder des Rizinusbusches9, der auch hier zu hohen Sträuchern emporwuchs, mehr überwuchert als geziert.

       Das Hotel war ein sehr anständiges und natürlich nur von Weißen besuchtes und benutztes Gebäude; ja eigentlich diente es nur der Aristokratie des Landes zum Verkehr, denn die wenigen weißen Ansiedler hier, die teils aus dem Norden hergezogen waren, nahmen nur eine sehr untergeordnete Stellung neben den stolzen Pflanzern ein und wurden an solchen Stellen, wo diese ihre Zusammenkünfte hielten, nicht einmal gern gesehen und stets zurückgesetzt. Verachteten jene südlichen „Herren“ doch grundsätzlich die arbeitende Klasse, welcher Farbe sie auch angehörte, und kannten n u r den Unterschied zwischen schwarzen und weißen Sklaven, dass die ersteren als „Eigentum“ betrachtet wurden, die letzteren aber – leider – nicht.

       Unmittelbar um Belleville her reihten sich drei sehr bedeutende Pflanzungen und umschlossen mir ihren Baumwoll- und Zuckerfeldern, in denen dann wieder zahlreiche Fabriken und Maschinen standen, die ganze Stadt, während die Wohngebäude oder vielmehr „Herrenhäuser“ derselben sämtlich so gebaut waren, dass sie nur noch durch ihren großen, prächtigen Garten von den Außengebäuden der Stadt selber getrennt blieben und dadurch förmlich im Grünen und mit der Aussicht auf ihre Negerhütten und Felder lagen.

       Man errichtet diese Gebäude in den südlichen Teilen der Vereinigten Staaten fast alle nach einem einzigen, aber sehr freundlichen Muster und selten übermäßig groß, so dass sie nur der Familie selber vollgenügenden Raum bieten und noch ein paar Fremdenzimmer umfassen, denn Gastfreundschaft – aber selbstverständlich nur unter ihresgleichen – herrscht überall.

       Ein Arbeiter, ja selbst ein Farmer, wenn auch ein Weißer, würde nie dort Aufnahme gefunden haben, so lange er selber die Hand an seinen Pflug legte. – Hielt er sich Sklaven, so war das schon etwas Anderes; aber eine gewisse Quantität Ballen Baumwolle für die Ernte gehörte immer dazu, um ihn als gleichberechtigt in die Gesellschaft einzuführen. Die Herren n a n n t e n sich allerdings Republikaner, aber es gibt deren doch nur sehr wenige in Wirklichkeit.

       Das Haus Mr. Taylgroves – eines der reichsten Pflanzer in der ganzen Gegend – lag hier am Eingang des Orts, wenn man ihn von Nordosten kommend berührte. Zuerst führte eine breite Straße, die nur von den Umzäunungen der Zucker- und Baumwollenfelder eingefasst wurde und weit über eine englische Meile auch nicht den geringsten Schatten bot, direkt auf Belleville zu, und das erste Laub, was man traf, war eine mächtige Orangenhecke, die nach Norden zu das ganze Negerdorf einfasste. Dann kamen diese Hütten, kleine, von außen ziemlich wohnlich aussehende Gebäude, jedes mit einem Miniaturgarten daran, die aber gut gepflegt wurden und nicht allein Gemüse und Früchte, sondern auch Blumen trugen und – etwa zwanzig an der Zahl – in einem regelrechten Viereck gebaut und von drei ordentlichen Straßen durchschnitten wurden.

       Südlich an die Negerhütten schloss sich dann wieder ein schmaler Streifen Garten an, der noch zum Herrenhaus gehörte und kleine Bosquets10 von niedrig gehaltenen Orangen, Granatbäumen und Pfirsichen enthielt – und jetzt kam die Wohnung selber, die fast unmittelbar an der Hauptstraße lag und von dieser eigentlich nur durch vier weitastige Chinabäume, die aber Raum genug zum Durchsehen gaben, getrennt wurde. Im Sommer trugen diese Bäume nun allerdings ein dichtes Laub und prachtvolle lila Blüten, die, einen wonnigen Duft verbreitend, in Trauben niederhingen. Jetzt hatte der Spätherbst die Blätter von den Bäumen geschüttelt, die Äste standen kahl, und nur dicke Bündel runder gelblicher Beeren hingen noch daran und erhöhten das wunderliche Aussehen der Wipfel, durch welche man jetzt auch deutlich die Form des Hauses selber erkennen konnte.

       Es war, wie alle diese Häuser, ein einstöckiges hölzernes Gebäude, freundlich angemalt und durchweg mit grünen Jalousien versehen. Rechts und links befanden sich die beiden Schornsteine zu den Kaminen im Innern, und vorn hin lief vor dem unteren Geschoss eine Piazza oder Galerie, auf der dann die durch das vorspringende Dach des Hauses geschützte Veranda der oberen Räume lag.

       Hier befanden sich die Wohnzimmer der Damen, und einen reizenderen Aufenthalt konnte man sich kaum denken.

       Trotz der vorgerückten Jahreszeit brannte die Sonne in dieser südlichen Breite doch noch heiß genug auf die Erde nieder, aber dort oben bot eine förmliche Hecke der prachtvollsten Topfgewächse hinlänglichen Schatten, und buschige Lianen rankten noch außerdem an den Pfeilern hinauf. Dort oben waren zwei Hängematten geschlungen, und in der einen lag ein bildschönes junges Mädchen von vielleicht siebzehn Jahren, in der anderen ihre Mutter – eine Dame, die wirklich kaum viel älter als die Tochter aussah und auch in der Tat kaum dreiunddreißig Jahre zählte. Neben jeder aber stand ein junges Negermädchen, fast noch Kinder beide, mit einem breiten Pfauenfächer in der Hand, und fächelten den Damen Kühlung zu. Es war Herbst, ja, aber die Sonne brannte doch noch recht heiß auf den Boden nieder, und der Schwarm von Negern, der noch draußen in den Baumwollfeldern eine etwas verspätete Nachlese hielt, schaffte mit tropfender Stirne die schweren Körbe der Reinigungsmaschine zu.

       Die Freiheit aller Sklaven war in Washington proklamiert worden, die Sklaverei aufgehoben; und das schöne Wort in der Constitution11: „Wir halten folgende Wahrheiten für klar und keines Beweises bedürfend, nämlich: dass alle Menschen gleich geboren, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt sind; dass zu diesen: Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit gehören usw.“, es war endlich zu einer wirklichen Wahrheit, auch den Gesetzen nach, geworden. Aber hier im Inneren der Rebellenstaaten, deren Territorium trotz dem schon dreiundeinhalb Jahr dauernden Krieg noch kein Unions-Soldat, außer als Gefangener, betreten hatte, verhöhnte man das im Norden gegebene Gesetz und trotzte noch immer auf die freilich schon arg bedrängte und ringsum abgeschlossene Armee der Südstaaten, die unter General Lee bald da, bald dort die immer enger gezogenen Bande zu durchbrechen suchte.

       Unterliegen? Der Süden konnte nicht unterliegen, wie die Herren meinten; und wo sie schon so oft die nördlichen Armeen geschlagen und sogar die Hauptstadt der Union, Washington, ein paar Mal ernstlich bedroht hatten, hofften sie auch diesmal wieder auf einen Umschlag zu ihren Gunsten, der dann, weil so und so oft eingetreten, die Ausdauer des Feindes brechen und den Krieg dadurch beenden sollte: dass man ihre Rechte anerkannte und sie selber als souveräne Macht betrachtete12.

       In der oberen Piazza des Hauses, im Schatten duftender Blütenbüsche, schaukelten die Damen in ihrer Hängematte, und drunten in dem Baumwollfelde, auf das die Sonne ihre sengenden Strahlen niedersandte, keuchten eben so zarte Wesen wie sie, nur mit schwarzer oder gelber Haut, von Reihe zu Reihe, und die Peitsche des Negeraufsehers oder Negertreibers, wie er ganz richtig genannt wurde, zog breite Striemen über ihre Schultern, wenn sie einen Moment ermattet in ihrer endlosen Arbeit einhielten.

       Da hob sich eine Staubwolke in der Allee, die zwischen den Feldern, an dem Haus vorüber, in die Stadt führte, und lautes Lachen und Pferdegestampfe wurde von dort her gehört. Scheu aber blickten die Sklaven von ihrer Arbeit auf, denn sie wussten nur zu gut, was der Lärm bedeute; sie wussten, weshalb die „Herren“ heute Morgen ausgeritten waren und den bösen Buckra13 mit seinen schrecklichen Hunden zu ihrer Begleitung genommen


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