Die Pferdelords 01 - Der Sturm der Orks. Michael Schenk
Umhänge der Pferdelords, und vor ihren rechten Schenkeln hingen die
typischen Rundschilde ihres Volkes vom Sattelknauf. Grüne Schilde mit dem
Wappen der Hochmark des Königs, einem doppelten Pferdekopf mit einem
Schmiedehammer, und diese gekreuzten Symbole wiederholten sich auch auf
den Brustharnischen der Männer. Blaue Rosshaarschweife waren an den
Kämmen ihrer runden Helme befestigt. Die Reiter trugen Lanze und Schwert
der Wache des Pferdefürsten Garodem. Schwertmänner nannte man sie, und
sie waren stolz auf diesen Ehrentitel. Von Kormunds erhobener Lanzenspitze
wehte der lange dreieckige Wimpel der Pferdelords aus und zeigte an, dass er
der Führer eines Beritts war. Der Wimpel bildete ein weißes Pferd auf grünem
Grund ab, wobei der Kopf des Tieres stets nach vorne, dem Feind entgegen,
wies, und er war rundherum mit einer schmalen dunkelblauen Borte
eingefasst. Dem dunklen Blau der Hochmark.
Kormund ließ sein Pferd im Schritt auf den vermeintlichen Felsbrocken,
der vor der Patrouille auf dem Weg lag, zugehen, und als die Gruppe näher
kam, wurde der faulige und süßliche Geruch der Verwesung, der von dem
Klumpen ausging, zunehmend für alle riechbar. Insekten begannen sich von
dem Gegenstand zu erheben, und nun wussten sie, dass hier wohl ein
menschliches Lebewesen den Tod gefunden haben musste, denn der Klumpen
vor ihnen war zu klein für ein Pferd und zu groß für ein Wolltier, aber genau
richtig für einen Menschen.
Die Gruppe hielt neben dem Toten an, und Kormund und sein Freund und
Stellvertreter Lukan schwangen sich aus den Sätteln. Sie stießen die
Lanzenenden in den Boden und gingen nebeneinander zu den menschlichen
Überresten hinüber.
»Einer der Unseren«, brummte Lukan und rümpfte wegen des Gestanks die
Nase, als er den Toten herumzog. Jetzt wurden die Konturen der Gestalt
deutlicher, ebenso wie die Verletzungen, die der Mann erlitten hatte. Auch
der vom Wind herangewehte feine Staub löste sich teilweise und entblößte
nun die Kleidung und die Wunden des Toten. Lukan zupfte an dem grünen
Umhang der Leiche. »Ein Pferdelord.«
Kormund nickte. »Einer der Unseren. Aber nicht aus der Hochmark. Habt
Ihr den Saum gesehen?«
»Natürlich.« Der Umhang war mit einem goldenen Saum eingefasst, was
ihnen zeigte, dass es sich bei dem Reiter, der vor ihnen lag, um einen Mann
aus der Mark des Königs gehandelt haben musste. Sein Gesicht war
unkenntlich. »Ich denke, er dürfte fünf oder sechs Tage hier liegen. Jedenfalls
noch keinen Zehntag.« Er sah sich um. »Kein Helm. Er hat seinen Helm
verloren. Seltsam.«
Der Helm hätte ihnen verraten können, ob der Mann direkt vom Hofe des
Königs gekommen war, denn alle Schwertmänner der königlichen Wache
trugen keine blauen, sondern helle Rosshaarschweife an ihren Helmkämmen.
Die Augen und größere Gewebeteile des Toten waren bereits von Aasfressern
und Insekten weggefressen worden. Lukan knurrte missmutig und starrte in
den halb offenen Mund der Leiche. »Die Zähne sind noch in Ordnung. Es
muss ein junger Mann gewesen sein. Was, beim Dunklen Turm, hat ein
Pferdelord des Königs hier bei uns verloren?«
»Ja, das würde mich auch interessieren.« Kormund bückte sich neben
seinem Freund und begann die Leiche zu untersuchen. »Aber zunächst
interessiert mich, was ihn getötet hat. Seht Ihr diese parallelen Risse in seiner
Kleidung? Sieht ganz nach den Krallen eines Pelzbeißers aus.«
Lukan wiegte den Kopf. »Ein Pelzbeißer? Hier bei uns? Ich weiß nicht, die
Mark liegt ziemlich hoch im Gebirge. Ein Pelzbeißer findet hier nicht viel,
was er fressen kann, und würde wohl ziemlich hungrig bleiben. Oder aber in
seinem Hunger eine der Herden anfallen und danach ein rasches Ende finden,
denn die Herdenwächter sind nicht zimperlich.«
»Vielleicht ein alter Einzelgänger, der aus den tiefen Marken zu uns
hochkam und hungrig genug war, um einen Mann anzufallen.«
Lukan grinste. »Stellt den jungen Parem auf die Probe und nicht mich,
mein alter Freund. Ihr seht selbst, dass hier nur kleine Aasfresser ihr Werk
verrichtet haben. Ein hungriger Pelzbeißer hätte sich einen ordentlichen
Happen genommen.«
Lukan sah seinen stämmigen Freund kopfschüttelnd an und zupfte dann an
den Überresten der Kleidung des Toten. Der faulige Gestank verstärkte sich
noch, als er dessen Bekleidung schließlich mit dem Dolch zerschnitt und
auseinanderzog. Unter Harnisch und Wams war der Körper bereits
aufgedunsen und sichtlich in Verwesung übergegangen. Aber die vielen tiefen
Schlitze im Leib waren dennoch gut zu erkennen. Es gab jeweils vier tiefe
Furchen, die bis zu den Organen vorgedrungen waren.
Lukan hielt eine Hand mit gespreizten Fingern über die Wunden und
nickte dann. »Sieht wirklich nach einem Pelzbeißer aus. Ein sehr großes
Exemplar. Jedenfalls sehe ich nichts, was auf Schwert, Pfeil oder Lanze
hindeutet. Nein, ich denke, es muss wohl doch ein Raubtier gewesen sein.«
»Jedenfalls werden wir nun wohl schwerlich erfahren, was der arme Kerl
bei uns wollte.« Kormund erhob sich und trat mit seinem Freund zur Seite,
um dem Gestank etwas auszuweichen. »Ein Pferdelord des Königs. Seit über
dreißig Jahren ist kein Mann des Königs mehr in der Hochmark gewesen.«
»Mit Sicherheit kam er nicht ohne Grund. Doch darüber mag sich der
Pferdefürst den Kopf zerbrechen.« Lukan stieß seinen Dolch einige Male in
den Boden, um ihn zu säubern, und steckte ihn danach wieder in die Scheide
an seinem Gürtel zurück. »Was meint Ihr, Kormund, mein Freund, soll die
Schar weiter an der Grenze entlangreiten, oder sollen wir vorzeitig nach
Eternas zurückkehren?«
»Wir suchen nach Raubzeug und Eindringlingen, Lukan. In der letzten Zeit
sind