Feinde der Ashari. Lina-Marie Lang

Feinde der Ashari - Lina-Marie Lang


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zu einem Schlag aus. Nadira wurde es zu bunt. Sie sammelte eine kleine Menge Ashara, sandte es durch den Fokusstein und richtete es gegen den Wächter. Einen Moment später knalle Bainus gegen die Wand des gegenüberliegenden Hauses. Ralma stand noch immer in der Türe und starrte entsetzt auf den Mann, der benommen auf der anderen Seite der Straße auf dem Boden lag.

      „Das war toll", rief Kini. „Kann ich das auch lernen?"

      Nadira musterte das Kind. Sie konnte kein Leuchten von Ashara an ihr erkennen. „Nein Kini, du kannst das nicht lernen. Tut mir leid."

      Ralma hatte geweint, als sich Nadira von ihr verabschiedet hatte. Sie hatte große Hoffnung darin gesetzt, dass ihre Tochter es besser haben würde als sie selbst. Aber sie hatte kein Ashara und damit war dieser Traum geplatzt. Nadira hatte Bainus aufgesammelt und dem Besitzer des Hauses gegenüber etwas Geld gegeben, da eines der Bretter beschädigt worden war.

      Bainus hatte auf dem Weg zurück zum Haus von Dyn Arthos, kein Wort mehr gesagt, aber er humpelte. Nadira hoffte, er hatte seine Lektion gelernt. Aber sie fürchtete, dass er das alles dem Kind in die Schuhe schieben würde, oder Nadira.

      Nadira ging nicht gleich zu Dyn Arthos, sondern erst zu Hauptmann Selius. Sie berichtete ihm von Bainus Verhalten. Hauptmann Selius versicherte Nadira, dass der Mann diszipliniert werden würde.

      Dyn Arthos war Stolz darauf, wie Nadira ihren ersten Auftrag gemeistert hatte. Aber er war wütend, als er vom Verhalten des Wächters hörte. Dyn Arthos würde den Mann aus der Wache, und vielleicht sogar aus Seraint entfernen lassen.

      ***

      „Was ist los mit dir?" Aurels Stimme riss Nadira aus ihren düsteren Gedanken.

      „Es ist nur … diese Frau. Sie war wirklich verzweifelt, als sie hörte, dass ihre Tochter nicht über Ashara verfügt."

      „Das tun die wenigsten", sagte Aurel.

      „Ich weiß. Aber du hättest ihre Augen sehen sollen. Sie waren voller Verzweiflung."

      „Sie hatte sich einen gesellschaftlichen Aufstieg erhofft."

      „War es wirklich nur das?" Nadira wusste nicht wieso, aber sie hatte das Gefühl, dass noch mehr dahinter steckte. Viele Familien, wahrscheinlich alle, erhofften sich, dass eines ihrer Kinder ein Ashari war. Es bedeutete größeren Wohlstand, höhere Anerkennung in der Gesellschaft und Sicherheit und ein gutes Leben für das Kind. Allerdings wussten diese Menschen auch nicht, was es bedeutet ein Ashari zu sein. Ashara ist Macht, große Macht und eine große Verantwortung. Ashara kann zum Guten, wie zum Bösen verwendet werden. Es kann zum Wohl der Menschen genutzt werden und den Menschen helfen. Aber es kann auch ein Werkzeug der Zerstörung sein. Diese Verantwortung lastete schwer auf den Ashari, vielleicht auf den Dynari sogar noch etwas mehr. Denn die Dynari waren nicht nur Ashari, sie waren auch der höchste Stand in Alluria. Das Volk sah zu ihnen auf. Die Dynari waren ein Vorbild für die Menschen.

      Nadira hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie ihr Ashara gegen den Wächter eingesetzt hatte. Sie hatte überreagiert, oder jedenfalls zu stark zugeschlagen. Es überraschte sie immer noch, wie stark Ashara war. Schon in ihrer Novizenzeit war ihr das immer wieder passiert. Die anderen Novizen schienen dieses Problem nicht zu haben. Aber Nadira hatte Probleme damit, das Ashara angemessen zu dosieren. Sie verwendete fast immer zuviel Kraft und konnte somit die Effekte nicht richtig dosieren.

      Unter den anderen Novizen war sie schnell bekannt und berüchtigt gewesen, da sie nicht dieselbe Kontrolle über ihr Ashara hatte wie die anderen. Schnell war „es wie Nadira machen" zu einem geflügelten Wort geworden. Es wurde immer dann benutzt, wenn jemand zu stürmisch war oder die Kontrolle verlor.

      Die Bemerkungen hatten Nadira verletzt, obwohl sie es sich meistens nicht anmerken ließ. Aber insgeheim war sie sich sicher, dass die meisten es wussten, besonders Brancus. Er wusste genau, dass er sie damit treffen konnte, und er nutzte dieses Wissen mit aller Macht aus.

      Durch den Fokusstein war dieses Problem noch gewachsen. Der Fokusstein verstärkte das Ashara und somit war es noch schwieriger, es zu kontrollieren. Eigentlich hatte Nadira es ganz gut gemacht, für ihre Verhältnisse. Hätte sie wirklich die Kontrolle verloren, hätte ihr Ashara ihn auch zerquetschen können. Nadira wusste, sie musste weiter üben, müsste Kontrolle über ihre Macht lernen. Besonders durch den Fokusstein. Oder sollte sie den Stein einfach nicht verwenden? Es war auch möglich, das Ashara am Stein vorbei zu leiten. In der Ausbildung hatten sie aber gelernt, dass sie das nicht tun sollten, da der Stein ihre Kräfte schonte. Aber was half es, die Kräfte zu schonen, wenn man sie dann nicht kontrollieren konnte?

      Nadira entschied sich den Fokusstein nicht mehr zu verwenden, jedenfalls nicht, um das Ashara zu konzentrieren. Es war zu gefährlich. Allerdings würde sie weiter üben, um ihre Kraft besser kontrollieren zu können. Vielleicht konnte sie genug Kontrolle lernen, um später den Stein gefahrlos einsetzten zu können. Aber zurzeit war sie noch nicht so weit.

      Nadira stand auf und stellte überrascht fest, dass Aurel nicht mehr neben ihr stand.

      „Fertig mit Träumen?"

      „Wie bitte?"

      Aurel war gerade dabei, die Oberseite der Schränke abzustauben. „Du hast einfach nicht mehr reagiert, als ich mit dir gesprochen habe. Deshalb dachte ich, staube mal ab."

      „Tut mir leid. Ich hab das gar nicht bemerkt."

      „Das habe ich bemerkt." Aurel lächelte Nadira zu und setzt dann ihre Arbeit fort.

      „Ich gehe ein wenig in den Innenhof. Willst du mitkommen?" Nadira brauchte ein wenig frische Luft. Eigentlich wäre sie lieber ein wenig in die Stadt gegangen, aber nach den Ereignissen von gestern, war ihr die Lust darauf vergangen.

      „Ich würde lieber hier fertigmachen, wenn es dir nichts ausmacht."

      „Wie du willst." Nadira lies Aurel zurück und ging in den Hof. Außer Nadira waren noch einige andere Personen unterwegs. Nadira schlenderte gemütlich ein wenig herum, grüßte hier und da einige andere Dynari, Novizen und Diener und begann ihre Sorgen zu vergessen.

      Schließlich zog sie sich auf die geschützte Wiese zurück, auf die sie sich schon während der Feier zurückgezogen hatte. Sie legte sich ins Gras, genoss die Sonne über sich und das weichte Gras unter sich, da hörte sie ein Rascheln im Gebüsch.

      Neugierig, wer da wohl kam, suchte sie nach der Quelle des Geräusches. Sie entdeckte Dyn Arthos, der sich durch eine der dichtesten Stellen des Gebüsches quälte. Sein Gürtel und seine Haare blieben an den dünnen und verzweigten Ästen hängen und er fluchte leise. Nadira konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken.

      „Ich hoffe, du amüsierst dich", sagte Dyn Arthos trocken.

      „Ehrlich gesagt, ja." Jetzt musste Nadira wirklich lachen und Dyn Arthos fiel kurze Zeit später in ihr Lachen ein. „Da hinten kommt man übrigens besser durch." Nadira deutete auf die Stelle, die sie selbst, und die meisten anderen, benutzte, um durch das Gebüsch zu kommen.

      „Das hätte mir auch vorher jemand sagen könnten." Dyn Arthos setzt sich neben Nadira ins Gras.

      „Wen habt Ihr gefragt?"

      „Niemand."

      „Na dann …"

      Eine Weile saßen, bzw. lagen, sie nebeneinander und schwiegen. Beide hingen ihren Gedanken nach und versuchten die Wärme der Sonne zu genießen.

      „Es gibt da etwas, über das wir reden müssen", sagte Dyn Arthos."

      „Was denn?"

      „Du hast noch keinen Hüter gewählt."

      „Ja. Das stimmt." Nadira hatte die Wahl immer vor sich hergeschoben. Sie wusste nicht so recht, wie sie jemanden dafür auswählen sollte. Und sie wollte es auch nicht. Ihr war der Gedanke nicht angenehm, dass jemand sie mit seinem Leben schützen sollte.

      „Alle anderen ehemaligen Novizen haben schon einen Hüter gewählt. Es wird Zeit, dass du auch einen wählst."

      „Ich möchte keinen wählen."


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