Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich
«Hm, das allerdings – packt sich auch verd – ungemein schlecht auf ein Pferd; aber das ist das Wenigste – sind es Sachen für Mrs. Olnitzki bestimmt?»
«Zum großen Teil, wie auch mein eigenes Gepäck.»
«Sehr gut, dann schaffen wir auch Rat», sagte der Jäger gutmütig, «solltet Ihr nicht mit Eurem kleinen Wagen über die greenbriar ridge41 hinüberkommen können, Rosemore? Nachher geht’s glatt und leicht durch den offenen Wald, dicht an der Bayou hin.»
«Über die greenbriar ridge mit dem Wagen, Mann», sagte aber der Alte, dabei mit dem Kopf schüttelnd, «wo denkt Ihr hin; da müßten wir erst eine ordentliche Straße durch brushy hollow aushauen, und blieben nachher noch immer im Sumpf an der anderen Seite stecken. Nein, nicht in acht Tagen brächten wir das fertig, aber mit den Tieren an der overcup flat hin geht es ganz gut; die Kisten und Koffer sind eben nicht übermäßig schwer und lassen sich recht gut auf einen Packsattel laden. Freilich muß man nachher tüchtig im Wald herumlavieren, um freie Bahn durch die Bäume durchzufinden, aber es geht doch, und ich getraue mich, sie in fünf bis sechs Stunden hinüberzuführen.»
«Aber Euer Falbe wird das nicht tragen wollen.»
«Bah, ich habe gerade Widdersons beide Maultiere in meiner Fenz, die er von Santa-Fé mitgebracht hat und nach Batesville hinaufnehmen will, die mögen ihr Futter abverdienen.»
«Das wäre vortrefflich!» rief Jack Owen. «Wann wird aber die Dame nach Olnitzkis zu aufbrechen wollen?»
«Oh, sobald nur irgend möglich!» rief Fräulein v. Seebald. «Ich ginge die Nacht hindurch, um die Schwester nur eine Stunde früher zu sehen, zu begrüßen.»
«Das möchte uns durch d e n Wald doch wohl schwer werden», lachte der Jäger gutmütig, «aber morgen mit Tagesanbruch steh’ ich zu Diensten und bin gern bereit, Sie hinüberzuführen. Ich gehe doch nach Haus.»
«Aber nicht vor dem Frühstück», fiel ihnen hier Mrs. Rosemore in die Rede, «mit leerem Magen verläßt niemand mein Haus, wenn ich’s verhindern kann, und die Mädchen werden schon früh auf sein, daß es nicht zu lange dauert.»
Amalie v. Seebald fügte sich gern dem freundlichen Wunsch, noch dazu, da sie ihren Führer nicht auch vor dem Frühstück fortziehen mochte, und die Männer besahen sich jetzt das Gepäck und trafen ihre Einteilung mit den Packen, die auf die beiden Maultiere verteilt werden sollten. Nachher wollte Jack Owen selber noch einmal mit seinem Pferd zurückkommen und den Rest nachholen. Die Maultiere sollte Bill Jones selber mit seinem Knecht hinüberbringen, Jack Owen aber wollte rascher mit der Lady voraus nach Olnitzkis improvement gehen.
Der Morgen kam, und mit klopfendem Herzen hatte Amalie ihre Vorbereitungen zu dem Marsch getroffen, als Jack Owen, nach beendigtem Frühstück, einen Damensattel auf sein Pferd geschnallt, vor der Tür erschien und die Lady einlud, sein Tier zu besteigen, während er selber zu Fuß voranging. Die junge Dame gestand jetzt freilich mit Erröten, daß sie noch nie auf einem Pferd gesessen, der Einwand wurde aber nicht beachtet; Jack Owens Pony war anerkannt das frömmste Tier in der range, ließ vor und neben sich schießen, wie der Reiter gerade Lust hatte, und ging seinen festen, sicheren Schritt ruhig fort, fast wie ein Maultier. Die Mädchen halfen ihr dabei lachend in den Sattel, ordneten ihre Kleider, gaben ihr eine kleine Gerte in die Hand, um das Tier vorwärts zu treiben, und Jack Owen, mit der Büchse auf der Schulter, von fünf mächtigen Rüden umbellt, schritt ihr voran in den dunklen Wald hinein.
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ZWEITES KAPITEL
Die Gräfin Olnitzka.
Im Anfang hatte Amalie v. Seebald genug mit ihrem Pferd und dem neuen Sitz zu tun, auf dem sie sich noch nicht sicher fühlte, und deshalb auch nicht wohlbefinden konnte; das Ungewohnte der Bewegung dabei und das öftere Anstreifen an die überhängenden Büsche nahmen ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, und ließ sie sich ängstlich an den Knopf des Sattels anhalten, um nicht herunterzufallen, wie sie immer noch fürchtete. Das gutmütige Tier, das Jack Owen auf seinen Jagden schon so abgerichtet hatte, ihm wie ein Hund zu folgen, ging aber einen so ruhigen, sicheren Schritt und kümmerte sich so gar nicht um die wild und fröhlich es umbellenden Hunde, nur auf den Weg und die darüber hinliegenden Wurzeln und Stämme achtend, daß sie sich bald daran gewöhnte und nach kaum halbstündigem Ritt schon fast die bis dahin gefühlte Angst vergaß.
Jack Owen ging dabei meist vor ihr, oft neben ihr her, die Büchse auf der linken Schulter, über deren Kolben die linke Hand herunterhing, die Hunde hinter sich, die jetzt, im wirklichen Wald drin, keinen Lärm mehr machen durften, um etwa irgendwo stehendes Wild nicht zu verscheuchen. Sein Blick schweifte dabei ruhig und forschend über alle offenen Stellen, die sie passierten, haftete oft auf einem vom Herbst gefärbten Busch, ob sich nicht doch in den geröteteten Blättern die schlanke Gestalt eines Hirsches berge, und suchte dann wieder in dem weichen Boden des Pfades die frisch eingedrückten Fährten des Rotwildes oder Raubzeuges, die herüber und hinüber gewechselt waren.
So hatten sie schweigend einen großen Teil des Weges zurückgelegt, und Amalie sah schon in jedem helleren Waldesfleck, der vor ihnen lag, die so heiß ersehnte Lichtung von ihres Schwagers Farm. Aber e i n Dickicht wechselte nur mit dem anderen, der Weg, der bis dahin ziemlich breit in den Wald hineingereicht hatte, wurde zum engen, kaum mehr begangenen Pfad, und noch immer zeigten sich nicht jene Spuren der Zivilisation, die unzertrennlich von einer größeren Ansiedlung sind und, wie der dünne Rauch über einer Stadt, die nähe des schaffenden Treibens tätiger Menschen verraten. Kein Fuhrwerk hatte diesem Boden hier je seine Räder eingedrückt, keine Axt noch die mächtigen Stämme berührt, und selbst die wenigen Pferdespuren im Pfad waren von Hirsch- und Pantherfährten fast unkenntlich gemacht. Und doch näherten sie sich mehr und mehr der Farm des Grafen, doch konnte nur eine kurze Strecke Waldes mehr sie von dort trennen. Nur eins war da noch möglich, daß sein ganzer Verkehr mit jener nördlich von ihm gelegenen Stadt bestand, die ihm doch wohl näher liegen mußte als Little Rock, ja vielleicht gar durch einen Strom die Verbindung erleichterte, aber das Herz des armen Mädchens füllte sich dennoch, so sehr sie auch dagegen ankämpfen wollte, mit einer unbestimmten Furcht, und wenn sie der auch keinen Namen zu geben wußte, drängte es sie doch zuletzt, von ihrem wortkargen Führer das unheimliche Gefühl verscheucht zu sehen.
«Es ist so still und einsam hier», brach sie das Schweigen endlich, «und doch können wir nicht mehr so weit von jener Farm entfernt sein, der dieser Weg zuführen soll.»
«In einer Stunde kann man’s von hier aus, wenigstens in dieser Jahreszeit, gehen», sagte der Mann, «aber im Winter ist’s weiter, denn die Gräben sind dann mit Wasser gefüllt, und man muß Umwege machen, um ihrem Schlamm auszuweichen.»
«Daß sich Olnitzki so tief im Wald angesiedelt hat!» sagte die Deutsche, fast mehr zu sich selbst als zum Führer redend.
«Ja, ‘s ist etwas einsam hier, für eine Frau wenigstens», lautete die Antwort, «aber der Mann fühlt sich desto wohler unter den Bäumen, und mir ist, wenn ich’s aufrichtig gestehen soll, nichts fataler auf der Welt, als wenn ich an eine Fenz komme – meine eigene ausgenommen.»
«Wie es Sidonie nur ausgehalten hat!»
«Ist das der Name Eurer Schwester?» frug der Jäger mit etwas leiserer Stimme, und sein Blick glitt über die Gestalt der Fremden flüchtig, aber doch forschend, hin.
«Ja – kennt I h r ihn nicht, als nächster Nachbar?»
«Es ist Sitte bei uns, die Frauen nur nach dem Namen ihres Mannes zu nennen», erwiderte der Jäger, «selbst unsere eigenen. Ich kann ihn aber trotzdem doch wohl einmal gehört haben, denn ich kam früher öfter mit Olnitzki zusammen.»
«Und jetzt nicht mehr?»
«Oh doch, ja, dann und wann wenigstens», sagte der Mann ausweichend, «er ist gerade ebenso wie wir anderen – eben nicht umgänglicher Natur, und hält seine Büchse und Hunde für die beste Gesellschaft auf der Welt.»
«Aber die arme Frau - s i e verkehrt doch wenigstens mit ihren