Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich

Nach Amerika! Bd. 2 - Gerstäcker Friedrich


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«Ich muß allerdings gestehen, daß ich das noch nicht ganz vollkommen begreife», sagte Herr Theobald.

       «Es ist unser Prinzip, im echt demokratischen Sinne», sagte Herr Rosengarten, « b e i d e n Teilen g e r e c h t zu werden, wir stehen, um Ihnen gewissermaßen durch ein Beispiel unser Ziel anschaulich zu machen, in Fechterstellung, bei zurückgeworfenem Körper mit dem linken Fuß auf der Demokratie, mit dem rechten den Whiggismus nur allerdings leicht berührend, nur danach fühlend, aber jeden Augenblick bereit, uns im Angriff momentan ganz darauf zu werfen, und dann nur wieder zum Schutz auf den linken Fuß zurückzufallen.»

       «Aber gegen w e n kämpfen Sie dann?» fragte Herr Theobald in sehr natürlicher Frage, durch diese Erklärung wirklich selber konfus gemacht.

       «Gegen jeden, der uns angreift», sagte Herr Rosengarten schnell, «die Biene kann auch stechen, mein verehrter Herr», er warf einen raschen Blick auf die vor ihm liegende Karte, «mein verehrter Herr Theobald; die Biene kann auch stechen, trotz ihrem Fleiß, mit dem sie Wachs für ihre Zellen, Honig für ihre Leser einträgt. Wir haben uns dabei mit den besten Kräften Amerikas verbunden», setzte er mit einigem Selbstgefühl hinzu, «und wissen, daß wir dem Publikum etwas Gediegenes, Solides bieten können.»

       «Sie bringen aber, wie ich gesehen habe, a u ß e r der Politik auch Erzählungen, Novellen und Lyrik?» sagte Herr Theobald.

       «Gewiß, oh sicher», beteuerte Herr Rosengarten, «nur durch Mannigfaltigkeit kann sich ein Blatt in Amerika halten.»

       «Und verschmähen dabei gewiß nicht Artikel, welche auf die Verbesserung der Kultur, der Zustände hinarbeiten, und diese, wo sie unzweckmäßig oder faul sind, rügen.»

       «Gewiß nicht», sagte Herr Rosengarten rasch und erfreut, «wir suchen sogar etwas darin, mit sämtlichen Zuständen unzufrieden zu sein, und, indem wir viel, s e h r viel verlangen, wenigstens e t w a s dadurch zu erreichen. Wenn Sie Amerika näher kennenlernen, werden Sie uns ganz Recht geben.»

       «Ich habe schon jetzt einige Erfahrungen gemacht», versicherte ihm Herr Theobald, «die mich veranlassen, Ihnen in mancher Hinsicht beizustimmen, und die Zeit, die ich in Amerika zubringe, nicht allein benutzt, um frische Eindrücke zu sammeln und Beobachtungen und Vergleiche anzustellen, sondern auch diese Beobachtungen und Resultate niederzuschreiben. Nun muß ich Ihnen aufrichtig gestehen, daß ich bis jetzt der Tagespresse nicht solche Macht zutraute, um auf die öffentliche Meinung zu wirken, indem ein Journal, ob es nun täglich oder wöchentlich erscheint, mit der nächsten Nummer schon gewissermaßen beiseite geschoben wird und veraltet ist. Der amerikanische Buchhandel63 steht dagegen auf einer von jedem anderen Land unerreichten Stufe, und die Exemplare populär gewordener oder in die Zeitumstände eingreifender Werke werden in einer enormen Masse in das Volk geworfen und verbreitet. Ich habe in diesen letzten Tagen deshalb auch versucht, meine Beobachtungen, in Verbindung mit einigen anderen literarischen – und, wie ich mir schmeicheln will, nicht ganz wertlosen Artikeln, als Band vereinigt, hier bei einem der ziemlich zahlreich vertretenen Buchhändler herauszugeben, aber eine solche grenzenlose Apathie bei ihnen gefunden, daß ich wirklich erstaunt bin.»

       «Sie haben es nicht drucken wollen?» sagte Herr Rosengarten, etwas derb der Sache auf den Grund gehend.

       «Nun, das will ich gerade nicht sagen», parierte Theobald den Stoß auf seine Eitelkeit, «aber sie machten mir so viele Umstände und Schwierigkeiten, daß ich es in Widerwillen aufgab, mit ihnen in irgendeine Geschäftsverbindung zu treten. Die Sache selber aber ist zu wichtig, im speziellen Fall für Louisiana, in seinem ganzen Umfang aber auch für die Vereinigten Staaten von Amerika, um sie aufzugeben, und ich bin es als Schriftsteller der Welt schuldig, dem Ungetüm, das seine Fittige drohend über das wunderschöne Land breitet, wenn ich ihm nicht gleich einen Stoß ins Herz versetzen kann, eine so gefährliche Wunde als möglich beizubringen, damit es unter den nach und nach auf es geführten Streichen endlich verblutet.»

       «Und welches Ungeheuer meinen Sie?» frug Herr Rosengarten gespannt.

       «Welches Ungeheuer? – Die Sklaverei!»

       «Ja, mein lieber Herr Theobald», sagte da der kleine Redakteur, sich wie verlegen die Hände reibend und die Schultern hinaufziehend, «da sind Sie allerdings gleich auf den wundesten Fleck gekommen.»

       «Nicht wahr?» rief der Dichter erfreut.

       «Jawohl, jawohl, aber… »

       «Aber… ?»

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