Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich

Nach Amerika! Bd. 2 - Gerstäcker Friedrich


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«Als Geselle, Herr Maulbeere, als Geselle, und Sie sollten einmal sehen, wie ich die Schürstange schwingen werde.»

       «Kann ich mir lebhaft denken», beteuerte der Scherenschleifer, sein Gesicht in einen förmlichen Knoten zusammendrückend, «kann ich mir lebhaft denken – ist auch eine recht passende Beschäftigung für einen Pastorssohn.»

       «Schadet nichts, Maulbeere», lachte der junge Mann, «nur ehrlich und rechtschaffen gehandelt und sich sein Brot selber erarbeitet, auf das Übrige kommt’s dann nicht an, ob ich einen Frack oder ein Schurzfell trage. Aber d u r c h komm’ ich, darauf können Sie sich verlassen, so lange mir Gott meine Gesundheit und meine gesunden Glieder läßt. Übrigens sind noch ein paar Bekannte von Ihnen hier an Bord», setzte er rasch hinzu, «Karl Berger, der Deserteur, und Herr Schulze aus Hannover.»

       « A u c h Feuermann?» rief Maulbeere rasch und erstaunt.

       «Der erste ja, der letzte nicht», lachte Georg Donner, «sollte sich nicht übel mit der Schürstange ausnehmen, und würde das Feuern wohl kaum vierundzwanzig Stunden aushalten. Er geht als Passagier, glaub’ ich, nach St. Louis.»

       «Hm», brummte Maulbeere vor sich hin, «alle Welt geht fort von hier; wenn ich wüßte, daß es im Lande besser wäre, schöb’ ich meinen Karren auch an Bord.»

       «Scheren und Messer wird’s überall zu schleifen geben», sagte Donner.

       «Die Möglichkeit ist vorhanden, daß ich mir in Zukunft meine eigenen Messer schleifen l a s s e », sagte Maulbeere.

       «Oho!» rief Donner verwundert aus. «Ja, wenn Sie solche Pläne haben, Freund Scherenschleifer, dann ist doch wohl New Orleans der beste Platz, galoppierende Spekulationen rasch zur Ausführung zu bringen. Ich wüßte übrigens eine für Sie.»

       «Eine Spekulation? – Und die wäre?»

       «Haben Sie die riesenhaften Ankündigungen von Stiefelwichse gesehen, die überall in der Stadt an den Straßenecken kleben?»

       «Allerdings – wo sich der Neger vor dem Stulpenstiefel rasiert», feixte Maulbeere, dem die Idee ungemein gefallen.

       «Diesselbe!» lachte Donner. «Wenn Sie Ihren Stiefeln imstande sind halb den Glanz zu geben, den das Schulterteil Ihres Rockes hat, so ist Ihr Glück gemacht.»

       «Hören Sie einmal, mein lieber Donner», sagte jetzt Maulbeere gereizt und mit einem fast boshaften Lächeln in den entsetzlich häßlichen Zügen, «wenn Ihre Feuer nicht besser scheinen werden als Ihr Witz, so glaub’ ich, käm’ ich eher mit meinem Schiebkarren nach St. Louis hinauf, wie Sie mit Ihrem Dampfboot. – Wer weiß, ob mein blanker Rock nicht noch länger hält, als Ihr blaues Hemd, und Sie im nächsten Winter nicht vielleicht Gott danken würden, einen so warmen Überzieher zu haben.»

       «Frieden, würdiger Greis, Frieden», lachte der junge Mann, «die Bemerkung war keineswegs böse gemeint und sollte Sie nicht beleidigen – im Gegenteil hab’ ich sogar eine Bitte an Sie: mir nämlich über ein paar junge Leute von unserem Schiff Auskunft zu geben, die Sie gewiß nicht – wenigstens trau ich das Ihrem Scharfblick kaum zu – aus den Augen verloren haben.»

       «Und die wären?» sagte Maulbeere immer noch mißtrauisch den jungen Burschen dabei betrachtend.

       «Was ist aus Doktor Hückler geworden?» sagte dieser. «Ich habe ihn nicht wieder gesehen, seit er an jenem ersten Landungsabend unser Schiff verließ.»

       «Wohnt jetzt in –street», sagte Maulbeere, «führt ein großes Schild über der Tür: J.A. Hückler, deutscher Doktor und Geburtshelfer», murmelte Maulbeere, «und rechts und links an dem Schild hat er sich ein paar große schwarz-rot-goldene Kokarden malen lassen.58»

       Georg Donner lachte.

       «Der wird sein Brot hier schon finden», sagte er achselzuckend, «wer kann’s ändern, vielleicht haben die Leute Recht, die da behaupten in Amerika w o l l - t e n die Menschen betrogen sein.»

       « V i e l l e i c h t haben sie Recht?» brummte Maulbeere vor sich hin. «Da ist gar kein vielleicht dabei, und wer hier seine K n o c h e n einsetzt, muß gewöhnlich die Haut mit in Kauf geben. Ich gedenke hier G e r b e r zu werden – aber nach wem wollten Sie noch fragen?»

       «Haben Sie von Henkel und seiner Frau nichts gehört?»

       «Hm», sagte Maulbeere, sich mit der linken Hand die grauen Kinnstoppeln streichend, «gehört gerade nicht, aber gesehen.»

       «Gesehen? – Was?»

       «Nun, wie sie von Bord ging», sagte Maulbeere.

       «Die arme Frau – ob sie sich wohl erholt hat?»

       «Wunderliche Geschichte das», meinte Maulbeere.

       «Ich glaube nicht, daß die Krankheit von Bedeutung war», sagte Donner, die Bemerkung darauf beziehend. «Ruhe und nahrhafte Kost werden sie wohl bald wieder hergestellt haben. Ich hätte sie gern einmal wieder besucht und mich nach ihrem Befinden erkundigt, mochte sie aber doch auch nicht stören. Wissen Sie nicht, wo sie wohnen?»

       «Wer ? – Die Frau mit dem Mädchen?»

       «Henkels.»

       «Möglich, daß sie sich wieder zusammengefunden haben», meinte Maulbeere trocken, «im Anfang waren sie auseinander.»

       «Wieso?» frug Donner erstaunt.

       «Nun, die Dame ist in ein Hotel gezogen und der Herr in ein anderes», meinte Maulbeere, «waren lange genug zusammen an Bord, und Amerika ist ein freies Land.»

       «Unsinn», sagte der junge Mann lachend, «da haben Sie sich etwas aufbinden lassen, Herr Maulbeere; Henkel wird sich hüten und seine junge, wunderhübsche Frau in ein anderes Hotel ziehen lassen. Ich möchte nur wissen, ob sie sich wieder vollkommen wohl fühlt.»

       «Könnten Sie am besten wissen, wenn Sie wären zu finden gewesen», sagte Maulbeere trocken.

       «Zu finden gewesen? – Was wollen Sie damit sagen?»

       «Daß Sie das kleine Ding – wie hieß das Mädchen doch, das in der Kajüte die Kammerjungfer spielte?»

       «Hedwig!» rief Donner schnell.

       «Jawohl, Hedwig; daß sie die wie eine Stecknadel in der ganzen Stadt gesucht, und mich, den sie zufällig auf der Straße traf, auch nach Ihnen gefragt hat.»

       «Guter Gott, hätte ich nur eine Ahnung davon gehabt!» rief Georg. «Aber was wollte sie von mir – ärztliche Hilfe?»

       «Nun, was sonst? – Die Frau lag lebensgefährlich krank, und sie hatten, wie sie sagte, kein Vertrauen zu einem amerikanischen Arzt; müßte mich übrigens sehr irren, wenn nicht vielleicht ebensowenig Geld wie Vertrauen.»

       «Ebensowenig Geld? – Ihr Vater ist einer der reichsten Leute in Heilingen, und ihr Gatte Herr oder Erbe einer halben Million.»

       «Ja – ist recht schön, aber wie mir jetzt scheint, ist die halbe Million noch nicht reif und muß erst noch eine Weile hängen. Die junge Mamsell habe ich jedoch zu Herrn Doktor Hückler geschickt, der sein Schild gerade an dem Tage aufgemacht; von dem wollte sie aber nichts wissen und ging traurig fort.»

       «Und welches Hotel war das?» rief Georg rasch.

       «Ja, das weiß ich nicht mehr», sagte Maulbeere.

       Das scharfe Läuten der Bootsglocke von der Backwoods Queen unterbrach ihre Unterhaltung.

       «An Bord da, Ihr Leute, an Bord! Höll’ und Verdammnis, was steht Ihr da draußen herum und habt Maulaffen feil! An Bord jeder Mutter Sohn von Euch; wenn ich Euch nicht Beine machen soll!»

       «Wenn ich nicht irre», sagte Maulbeere freundlich, «so ersucht Sie der Mann da drinnen, doch gefälligst zum Kaffee hineinzukommen, nicht wahr?»

       «Lieber Gott», rief Georg, die spöttische Bemerkung ganz überhörend, «daß ich jetzt hierher gebannt sein muß und keine Zeit mehr


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