Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich

Nach Amerika! Bd. 2 - Gerstäcker Friedrich


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«Würden in dem Kostüm auch außerordentlich achtbar und vertrauenerweckend aussehen», bemerkte der Scherenschleifer.

       «Hallo, an Bord da! – Ihr, Dutchman dort drüben mit der schottischen Mütze – wie heißt der Bursche gleich – he, George, an Bord hier, hört Ihr nicht, oder soll ich Euch auf die Strümpfe helfen?»

       «Gleich, gleich!» rief der junge Mann ängstlich und ungeduldig mit dem Fuß stampfend. «Ich wollte meine acht Tage Lohn, die ich hier schon an Bord gearbeitet habe, einbüßen, wenn ich nur zwei Stunden Raum jetzt hätte, um die arme Dame zu besuchen und zu erfahren, wie es ihr geht.»

       «Haben drei Wochen Zeit gehabt und nicht daran gedacht», meinte Maulbeere ruhig, «woher kommt jetzt auf einmal die Eile?»

       «Wollen Sie mir einen Gefallen tun, lieber Maulbeere?»

       « L i e b e r Maulbeere!» sagte der Scherenschleifer, still vor sich hinlachend. « L i e b e r Maulbeere, wie zärtlich das klingt! Und was wär’s?»

       «Wollen Sie die Frauen auskundschaften?»

       «Die Mamsell meinte, Madame Henkel hätte sich schon unendlich nach mir gesehnt. Wenn die Sache nur nicht zu gefährlich ist.»

       «Wollen Sie ihnen sagen, daß ich keine Ahnung gehabt hätte, sie bedürften meiner Hilfe? In vierzehn Tagen aber spätestens kehrt mein Boot nach New Orleans zurück, und ich stünde dann ganz zu ihren Diensten. Ihre Adresse sollen sie mir unter meinem Namen auf die Post legen.»

       «Ich soll doch sagen, daß Sie S c h i f f s d o k t o r an Bord geworden wären?» frug Maulbeere.

       «Sagen Sie die W a h r h e i t », rief Georg, «das ist immer das Beste, aber adieu, Maulbeere – ich muß wahrhaftig fort.»

       «Der Kaffee wird kalt», meinte dieser.

       «Sie ziehen die Planken schon ein!» rief der junge Mann. «Leben Sie wohl, und wenn ich Ihnen je wieder einen Dienst erweisen kann, zählen Sie auf mich!»

       «Werft das Tau da los!» rief ihm in diesem Augenblick die Stimme des Steuermanns zu, der vorn auf dem Bug stand und das in den Stromgehen des Bootes leitete. «Das Tau da vorn in dem Ring an Land, wo der Baboon59 von einem Menschen steht – siehst Du nicht?»

       Maulbeere, der mit dem Baboon gemeint war, verstand glücklicherweise nicht, was der Mann auf Englisch rief; Georg aber warf das Springtau, an dem der Vorderteil des Bootes noch an Land befestigt war, los. Wieder tönte die Glocke, die letzte Planke, auf der der junge Mann kaum Zeit behielt, an Bord zu laufen, wurde eingezogen, und Georg Donner winkte noch einmal von Bord aus dem am Ufer zurückbleibenden Maulbeere mit der Hand, was dieser, sehr zum Ergötzen der übrigen Feuerleute und Deckhands, mit einer sehr tiefen und ehrfurchtsvollen Verbeugung, bei der er den alten Hut in der Luft schwenkte, erwiderte. Dann aber, seinen Karren aufnehmend, murmelte er vor sich hin:

       «Lieber Maulbeere, jawohl – l i e b e r Maulbeere – Angenehmen spielen und Maulbeere soll Bote spielen – bah – werde ihm selber eine Adresse auf die Post legen, die ihn freuen soll.» - Und der Scherenschleifer fuhr, von dem Gedanken ergötzt, still vor sich hinschmunzelnd, die Levée entlang.

      ________

      FÜNFTES KAPITEL

      Literarische Bekanntschaften.

       In New Orleans in der –Straße, an der unteren Ecke des Marktes, stand ein schmales, hohes, aus roten, unbeworfenen Backsteinen errichtetes Haus, das über seine ganze Breite hin ein mächtiges, weißlackiertes Schild, und auf diesem die Worte:

      E x p e d i t i o n d e r N e w – O r l e a n s – B i e n e

      trug. An der Tür unten war noch ein kleines, deutsches Schild angebracht, das die ,Office’ des ,Editors’ oder Redakteurs als eine Treppe hochliegend, und die Stunden von zehn bis zwölf Vormittags, wie von drei bis fünf Uhr Nachmittags als die passendsten bezeichnete, ihn zu sprechen.

       Es war etwa halb vier Uhr Nachmittags, Anfang November jenes Jahres, als ein junger Mann, sehr anständig gekleidet, in schwarzem Frack, dunklen Beinkleidern und Handschuhen, seinen Hut vielleicht der Wärme wegen in der Hand, das Haus erreichte, das kleine Schild unten durchlas, sein Haar dabei etwas ordnete, und dann die ziemlich steile, noch ganz neue Treppe langsam hinanstieg. Er trug ein fest eingeschlagenes Paket, das möglicherweise Manuskripte enthielt, unter dem linken Arm und klopfte leise an die mit einem entsprechenden Schild bezeichnete Tür.

       «Walk in!60»

       «Habe ich das Vergnügen, mit Herrn Doktor Rosengarten zu sprechen?»

       «Bitte – ich bin kein Doktor – aber mein Name ist Rosengarten; mit wem habe ich die Ehre?»

       «Theobald – Fridolin Theobald – lyrischer Dichter und Schriftsteller im Allgemeinen, aus Deutschland», stellte sich unser Freund dem kleinen, etwas schwärzlich aussehenden Mann selber vor, indem er ihm eine gewissenhaft an der Ecke eingedrückte Visitenkarte überreichte.

       «Und womit kann ich Ihnen dienen?» sagte Herr Rosengarten, einen etwas mißtrauischen Blick nach dem Paket werfend, das jener unter dem Arm trug. «Wohl erst ganz kürzlich von Deutschland gekommen, wenn man fragen darf?»

       «Seit etwa drei Wochen», sagte Herr Theobald, indem er anfing, sein Paket aus einem großen Bogen Makulatur herauszuwickeln, «und wollte mir nur die Freiheit nehmen, Ihnen hier einiges für Ihr sehr geschätztes Blatt anzubieten.»

       «Ah, Sie sind sehr freundlich», sagte Herr Rosengarten etwas verlegen, indem er nach seiner Brille auf dem neben ihm stehenden Schreibtisch herumfühlte, die gefundene aufsetzte, und beide Hände dann, als ob er nicht voreilig damit zu sein wünschte, in seine Rocktaschen schob.

       «Ich habe hier zweierlei», sagte Herr Theobald mit einer leichten Verbeugung, «was beides, wie ich kaum zweifle, und wovon Sie sich auch wohl bald überzeugen werden, nicht geringes Furore beim Publikum machen wird. Ich will und möchte nicht gern unbescheiden sein, aber ich weiß, daß der Erfolg nicht fehlen kann. Sie haben doch vollständige Pressfreiheit hier in Amerika?»

       «Vollständige», versicherte Herr Rosengarten, mit einem sehr entschiedenen Kopfnicken.

       «Ihre Constitution61 garantiert es Ihnen wenigstens… »

       «Ah, und wir wissen es aufrecht zu erhalten», beteuerte Herr Rosengarten, «der Präsident in seinem Weißen Haus ist nicht sicher, angegriffen und seiner verborgensten Fehler wegen öffentlich an den Pranger gestellt zu werden.»

       «Schön – sehr schön», rief Herr Theobald, «Gott sei ewig gedankt, daß ich endlich einmal diesen Engelsgruß, wenn ich mich so ausdrücken darf, von geweihten Lippen aussprechen hören kann. – Sie sind auch Schriftsteller, nicht wahr?»

       «Hm – ja», sagte Herr Rosengarten mit einem bescheidenen Blick nach dem breiten, halbgeöffneten Glasfenster, das ihn von der Druckerei trennte. «Eigentlich Buchdrucker – die Ausstattung unserer Sachen läßt nichts zu wünschen übrig, aber die leichten Sachen, die Leitartikel vorn im Blatt und die Angriffe auf die Gegenpartei schreib’ ich gewöhnlich selber.»

       «Ihr Blatt ist rein demokratisch?»

       «Diamant», sagte Herr Rosengarten, «das heißt», setzte er rasch hinzu, «Sie werden mich wohl verstehen, was man damit sagen will – Demokrat den Grundsätzen, aber nicht immer den Prinzipien nach.»

       «Das verstehe ich allerdings n i c h t », sagte Theobald erstaunt.

       «Nun, ich meine», versicherte der Editor der New-Orleans-Biene, «daß wir grundsätzlich reine Demokraten sind und die demokratischen Prinzipien auch in unserem Blatt, gerade im demokratischen Sinn aber auch die allgemeinen Menschenrechte vertreten, zu denen die Whigs62 als unsere Brüder ebensogut gehören. Solcherart suchen wir denn eine Verschmelzung der beiden Parteien zu vermitteln. Wissen Sie», fuhr er fort, als ihn der Fremde immer noch nicht zu begreifen schien, «die Demokraten sind gewöhnlich ungemein enthusiasmiert für ihre Sache, aber – nur ein


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