Die beiden Sträflinge. Gerstäcker Friedrich
sogar, so viel ich weiß," erwiderte der junge Mann, „wenigstens für Die," sehte er lächelnd hinzu, „die Pferde zu verkaufen hatten. - Die Käufer mußten, was sie brauchten, hoch bezahlen."
„Vortrefflicher Grauschimmel der, den Sie reiten, Sir," sagte der Stockkeeper zu dem Fremden gewandt; „darf ich fragen, was er gekostet hat? - Bitt' um Entschuldigung," setzte er aber rasch hinzu, als er sah, daß der Gast leicht erröthete.- „Was er gekostet, brauch' ich nicht zu wissen, nur was er etwa in den Ansiedelungen jetzt werth ist."
„Sie können auch erfahren, was er mich gekostet hat," lachte Mac Donald, dem Zartgefühl des Mannes begegnend. „Im Busche drin, wie überhaupt in den Colonien, sind den Eigenthümern die Pferde gewöhnlich immer feil, vorausgesetzt, daß sie einen guten Preis dafür bekommen. Was sie selbst dafür gegeben haben, ist indeß eine delicate Frage, die auch wohl in den wenigsten Fällen, besonders dann, wenn ein Wiederverkauf beabsichtigt wurde, wahr beantwortet wird. Ich bin kein Pferdehändler und habe deshalb auch kein Geheimniß aus dem Preise zu machen. Der Graue kostet mich mit Sattel und Zaum, wie er da steht, gerade fünfzehn Pfund Sterling."
„Vielleicht nicht zu viel für ein gutes Pferd," sagte der /27/ Stockkeeper mit den Achseln zuckend, „im Durchschnitt darf man aber wohl kaum auf mehr als acht Pfund Sterling rechnen. War das der geforderte Preis?"
„Gebotener, und der Verkäufer ließ es gelten."
„Glaub' ich - ist auch annehmbar, aber doch nicht zu viel. Springt er gut?"
„Wie ein Reh, und braucht fast kein Wasser den ganzen Tag."
„Treffliches Buschpferd - wenn ich meine eigene Station hätte, möcht' ich's schon haben."
„Nun, wenn das einmal geschieht, Mr. Bale, werden wir vielleicht handelseinig," lächelte Mac Donald.
„Je eher dann, desto besser," sagte der Mann und verließ wieder artig grüßend das Zimmer. Er hatte kein Wort mit den Damen gewechselt, und ihnen nur beim Eintreten und Abschied seine stumme Verbeugung gemacht. Nur im Spiegel suchte sein Blick manchmal und flüchtig die schlanken Gestalten, und es war dann, als ob er selbst solcher Kühnheit wegen erröthe.
Als Mr. Bale das Zimmer verlassen hatte, drehte sich das Gespräch noch kurze Zeit um Pferde, Rinder und Wollpreise, jene, den dafür sich nicht Interessirenden oft zur Verzweiflung treibende australische Buschunterhaltung, bis sich die Damen endlich derselben bemächtigten, und Sarah besonders die Bücher ausgepackt hatte, die einen ihrer Lieblingswünsche erfüllten.
Das Buch, das die Kugel getroffen, ohne ihm jedoch wesentlichen Schaden zu thun, war Lalla Rookh. Nur durch Einband und Titel und die ersten Blätter des „verschleierten Propheten" war sie gefahren, und das jetzt harmlose Blei stak noch fest in der Umhüllung.
Mac Donald nahm die Kugel lächelnd in die Hand, betrachtete sie einen Augenblick und wollte sie dann in die eigene Tasche schieben, als Sarah ihre Hand auf seinen Arm legte und ihn mit
freundlichem Blick ersuchte, ihr dieselbe zu überlassen.
„Sie gehört mit zum Buche“, sagte sie bittend, „es würde etwas darin fehlen, wenn ich sie nicht behalten dürfte." /28/
Mac Donald sah ihr lange und fest in's Auge, bis sie ihren Blick vor dem seinen zu Boden schlug. Fast schien es, als ob es ihn Ueberwindung koste, die werthlose Kugel herzugeben. Endlich aber streckte er langsam den Arm aus, reichte ihr das Stück Blei und sagte freundlich, aber mit einem fast wehmüthigen Zug um die Lippen:
„Nehmen Sie die Kugel, Miß Powell. - Es ist auch vielleicht besser, ich gebe sie weg, damit sie mir nicht zum zweiten Mal gefährlich werde."
„Sind Sie abergläubisch?" frug Sarah, die, während sie die Kugel nahm, wieder lächelnd zu ihm aufschaute.
„Ein wenig," erwiderte Mac Donald - „ich bin ein leidenschaftlicher Jäger und ein halber Seemann, und Seeleute wie Jäger sind, wie bekannt, alle ein wenig abergläubisch, mögen sie es leugnen, so viel sie wollen. Das Geschäft bringt das schon mit sich."
„Nun aber erzählen Sie uns auch," bat Mrs. Powell, „wo in aller Welt sie so lange gesteckt haben, und warum Sie gar nichts von sich hören ließen. Glauben Sie mir, wir ängstigten uns Ihrethalben, und fürchteten wirklich schon, es könnte Ihnen unterwegs von Buschrähndschern oder Schwarzen etwas zugestoßen sein."
„Wo ich gewesen bin?" sagte Mac Donald achselzuckend - „wo eigentlich nicht. Mein Plan war damals, wie Sie wissen, mich irgendwo als Squatter niederzulassen, eine eigene Heimath zu begründen. Zufällig hörte ich da auf dem Wege nach Melbourne von einer neu entdeckten prachtvollen Gegend für Viehzüchter, von einem Paradies für Schafe und Rinder - Gerüchte, wie sie im australischen Busch ebenso von reich bewässerten Weidedistricten in Umlauf sind, wie in den Städten von eben aufgefundenen Kohlenminen, die sich nachher als nichts Anderes ausweisen wie Phantasien, im Hirn eines Schwärmers oder Betrügers entsprungen. Trotzdem, trotz all' meinen ähnlichen Erfahrungen aus früherer Zeit, ließ ich mich verleiten, der falschen Fährte nachzugehen, und verbrachte mit ein paar Leidensgefährten eine lange trostlose Zeit drin im trockenen Malleybusch. Bald spürten uns auch die Schwarzen aus, und nur mit Müh' und Noth entgingen /29/ wir endlich der doppelten Gefahr des Verschmachtens und ihrer hölzernen Speere, von denen einer meiner Gefährten ziemlich arg, wenn auch nicht lebensgefährlich, verwundet wurde."
„In welcher Gegend war das?" fragte Mr. Powell, der sich besonders für diesen Bericht über einen neuen Weidegrund interessirte; ist es doch das im Buschleben, was dem Squatter vorzüglich und zunächst am Herzen liegt.
„Zwischen dem Hindmarsch- und dem Curon-See," erwiderte Mac Donald.
„Ich habe immer gedacht, daß dort noch einmal eine gute Stelle aufgefunden würde!" rief Mr. Powell, von seinem Stuhl aufspringend - „und Sie fanden gar nichts?"
„Schwarze genug, aber keinen Tropfen Wasser für uns und für die Thiere, außer wenn wir zum Hindmarsch-See zurückkehrten, um dort unsere Gefäße wieder zu füllen und unseren Pferden Ruhe zu gönnen."
„Dann sind Sie auch nicht weit genug im Innern gewesen ; ich bin fest überzeugt, daß innerhalb jener beiden Seen irgendwo ein alter Wassercurs und noch feuchtes Land liegen muß. Wär' ich nur bei Ihnen gewesen!"
„Danken Sie Gott, daß Sie es nicht waren," erwiderte Mac Donald ernst; „ich möchte die Zeit nicht noch einmal durchleben."
„Und haben Sie es jetzt aufgegeben, einen passenden Weideplatz zu finden?" frug die Mutter den jungen Mann mit vieler Theilnahme, „oder führt Sie gerade deshalb Ihr Weg hierher zurück?"
„Das ist eine noch viel indiscretere Frage," rief lachend Ihr Gatte, „als die des Mr. Bale, was das Pferd gekostet habe. Du weißt, liebes Kind, daß ein angehender Squatter mchts auf der Welt so geheim hält, als welche Richtung er nehmen will, um einen Weidegrund zu finden."
„Jedem andern Squatter gegenüber, ja," erwiderte Mac Donald, dem alten Herrn die Hand hinüberreichend, welche dieser nahm und herzlich drückte. „Ihnen kann ich ganz offen gestehen, daß es allerdings mein Plan ist, hier irgendwo am Murray noch einen Weidegrund aufzufinden /30/ obgleich die besten oder eigentlich brauchbaren Stellen schon lange und fest in Besitz genommen sind."
„Und ich gestehe Ihnen, daß ich Niemanden lieber zum Nachbar hätte, als gerade Sie," erwiderte ihm eben so herzlich Mr. Powell. „Nur zu oft geschieht es, daß wir unter den Squattern eine Menschenklasse in die Nähe bekommen, die nicht allein an Bildung, nein, auch an gutem Betragen so weit unter uns stehen, daß wir bei dem besten Willen mit ihnen keinen Umgang pflegen können, wenn wir auch nicht im Stande sind, jeden Verkehr mit ihnen zu vermeiden. Was könnte uns da Lieberes geschehen, als uns auf solche Weise zu verbessern? Für unsere Heerden haben wir doch noch Raum genug; das Land ist groß, und bis dahin, daß sie sich so vermehrt haben, um uns zu zwingen einen andern Platz zu suchen, wird auch schon Rath werden. Zerstreuen sich die Kinder doch meist, wenn sie einmal das richtige Alter erreicht haben und flügge geworden sind! So wollen wir denn hier auf fröhliche und gute Nachbarschaft anstoßen, Mr. Mac Donald!" setzte er hinzu, als Sarah, die sich einen Augenblick