Herzkalt. Joachim Kath

Herzkalt - Joachim Kath


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Jane?“ riefen einige.

      „Jane Koch!“

      Die meisten schauten neugierig auf. Einige der Mädchen drehten sich um. Ein paar Jungen pfiffen anerkennend. „Baby Jane!“ rief einer mit einem dünnen Vollbart süffisant.

      „Was ist mit Jane?“ fragte ein Mädchen.

      „Das genau weiß ich nicht, ich suche sie!“

      „Da fragen Sie am besten ihre Freundin Dorothy!“

      „Dorothy ist tot!“ sagte ich leise.

      „Das hat man davon, wenn man nach Europa fliegt“, sagte der Lange ungerührt. „Die rasen dort auf ihren Autobahnen wie die Teufel!“

      „Dorothy“, sagte ich ruhig, „ist in New York gestorben, es stand in der Zeitung und war im Fernsehen zu sehen!“

      „Es ist unser erster Schultag, Mann!“ sagte der Wortführer gelangweilt. „Außerdem bekommen wir nur mit, was im Internet steht!“

      „Ich will von euch wissen, wer mit Jane und Dorothy Kontakt hatte!“ wurde ich energisch.

      „Ich denke, Sie sind der Vater von Jane“, sagte die Bohnenstange mit dem frechen Mundwerk, „Sie müssten ihre Tochter eigentlich kennen.“

      „Hier sind sie immer unter sich geblieben, hatten kleine Freunde in der Klasse!“ sagte schließlich ein Mädchen in einer knallroten Latzhose.

      „Manchmal wurden sie von einem silbernen Mercedes abgeholt!“ sagte ein Sommersprossiger mit Nickelbrille.

      „Kennzeichen?“ fragte ich lässig und kam mir im selben Augenblick albern vor, weil ich ihren Jargon imitierte.

      „New York City, wahrscheinlich“, sagte der Junge, „mehr weiß ich nicht!“

      In diesem Augenblick betrat Mr. Miller den Klassenraum. „Ich vermisse Ihre Tochter, Mr. Koch!“ sagte der Lehrer in seinem texanischen Akzent, der Vorwürfe glättet. „Deswegen bin ich hier“, sagte ich und erzählte ihm die Geschichte mit Dorothy. Er kannte auch niemanden der mit den Mädchen zusammen gewesen war, wollte mal seine Kollegen fragen, den Hausmeister, Schüler aus anderen Klassen. Ich sollte ihn in der nächsten Woche anrufen. Hoffentlich war mein Lächeln nicht zu mild.

      Der silberne Mercedes! Das war ein konkreter Anhaltspunkt! Es waren genau 2.956 silberne Mercedesse im Staat New York registriert, erfuhr ich bei der Behörde. Damit alleine kann man natürlich nichts anfangen. Meine Idee war, nachdem ich wenigstens das herausgefunden hatte, die Passagierliste, wenn ich sie denn hätte, mit den Zulassungen der Autos zu vergleichen, wenn ich deren Besitzer namentlich hätte. So eine Art Rasterfahndung. Ich ging nochmals zur Polizei, um meine Idee vorzutragen. An höherer Stelle, diesmal.

      Wenn Laien schon Fachleuten einen Gedanken näher bringen wollen, so etwas scheitert regelmäßig an der Psychologie. „Die Tote ist nicht ermordet worden“, sagte mir der Inspektor, „folglich ist der Fall für uns abgeschlossen! Und was die Vermisste angeht: Die Meldung ist an jede Polizeidienststelle im ganzen Land durchgegeben. Wenn sie aufgefunden wird, werden Sie sofort benachrichtigt.“

      „Es ist mein einziges Kind“, sagte ich.

      „Sie kümmern sich wenigstens um Ihr Kind, auch wenn es kein Kind mehr ist. Das ist lobenswert, Sir! Wir haben oft Vermisste, die niemanden mehr haben und die folglich auch niemand vermisst.“

      „Was würden Sie an meiner Stelle tun?“

      „Ich würde nach Hause gehen und dort warten. Vielleicht klingelt das Telefon gerade jetzt und ihre Tochter ruft an, um Ihnen zu sagen, Sie sollen sie irgendwo abholen, weil sie kein Geld mehr für die Subway hat“.

      „Sie kennt meine Handy-Nummer!“ sagte ich und dachte zugleich, hat der eine Ahnung, Jane kennt den Trick mit den Metallplättchen und ausländischen Münzen auch. Die kann immer fast umsonst mit der Bahn fahren, wenn sie will.

      „War ja nur ein Beispiel! Vielleicht hat sie bei ihrem Freund übernachtet!“

      „Es sind jetzt schon diverse Nächte vergangen. Es fällt mir schwer, nichts zu tun!“ versuchte ich mein Engagement zu rechtfertigen.

      „Wenn wir sie nicht finden, finden Sie Ihre Tochter schon gar nicht!“ stellte er nüchtern fest.

      „Wied diese Chance größer, wenn ich tatenlos abwarte?“ fragte ich ironisch und verließ wütend das Revier.

      3. Kapitel

      Mich als Fassadenkletterer zu betätigen und in Fluggesellschaften oder Behörden einzubrechen, war nicht gerade meine Spezialität. Ich hatte mein Geld bisher am Schreibtisch verdient. Das macht nicht gelenkiger, höchstens geistig. So kam ich nach einigem Nachdenken auf die Idee, nicht nur die Behörden hätten Zulassungskarteien in ihren gewöhnlich abgeschrubbten grauen Blechschränken, die sie für nichts in der Welt Normalsterblichen zugänglich machen, sondern auch die Autoverkäufer. Wie man weiß, haben sie Kundenadressen in ihren Computern, hantieren gerne mit Tageszulassungen und verkaufen überhaupt so allerhand.

      Ja, so manchem Autoverkäufer ist alles zuzutrauen. Sie müssen sich um ihre Aufträge selbst bemühen und sind immer geneigt, etwas nebenbei zu verdienen, beispielsweise mit der Vermittlung von Versicherungen, Krediten und Leasing-Verträgen. Vielleicht auch, so dachte ich mir, mit dem Verkauf von Adressmaterial, sagen wir mal an eine Firma, die Zubehör für Autos jener Nobelmarke vertreibt, deren selbsternannter Repräsentant ich augenblicklich wurde. So eine Visitenkarte, die etwas hermacht, selbst mittels eines speziellen Programms am PC zu gestalten, fiel mir nicht besonders schwer.

      Alle diese Verkäufer von großen Luxuslimousinen scheinen diese identische Arroganz und diese mühsam geschulten Manieren, sowie diese aufgesetzte Eleganz aus der Werbung für Herrendüfte, unbedingt verströmen zu müssen. Auch der geschniegelte Herr mit den grauen Schläfen und der Perle in der Krawatte missverstand mich zunächst, weil ich nicht als Käufer auftrat. Die Zubehörabteilung wäre in der Bronx, versuchte er mich loszuwerden.

      „Ich hätte da ein Geschäft für die Park Avenue“, blieb ich hartnäckig.

      „Mein Job ist es, Autos zu verkaufen“, wollte er mich abwimmeln.

      „Das ist mir klar, Sir! So wie Sie auftreten, können Sie gar nichts anderes als ein Star-Verkäufer sein. Ich hätte Ihnen ein brandneues Konzept zu präsentieren, wie Sie potenzielle Käufer teuerer Wagen per Mail ansprechen können, ohne dass die gleich gelangweilt wegschauen“.

      „Schießen Sie los!“ sagte er und die Dollarzeichen blitzten in seinen Augen.

      „Meine Firma hat einen Super-Metallic-Sprühlack entwickelt, der teuer und sehr gut ist. Wir wollen eine Testimonial-Kampagne machen und suchen dafür Leute, die unser innovatives Produkt kostenlos ausprobieren wollen und gleichzeitig fotogen sind. Ich hatte an alle Fahrer von silbernen Mercedessen in der Stadt gedacht.“

      „Verstehe! Was sind Ihnen die Adressen wert?“ fragte er eilfertig und gar nicht erst bemüht, sein Interesse an dem Geschäft zu verbergen.

      „Die Adressenvermittler verlangen für tausend Stück 50 Dollar. Ich biete Ihnen das Doppelte!“

      „Sagen wir 200 und die Sache läuft!“ sagte der feine Herr leise.

      „Okay, 120!“

      „180!“

      Es war wie auf dem Basar. Ich zog 450 Dollar aus der Tasche, die ich vorher abgezählt hatte und sagte: „Die gehören Ihnen, wenn Sie die kompletten fast dreitausend Adressen liefern!“

      „Wir treffen uns in zwei Tagen, ich muss die Datei erst auf eine CD brennen. Am besten in dem Lokal an der Ecke!“ Er gab mir seine stahlgestochene Visitenkarte mit englischer Schreibschrift. Ich sollte ihn anrufen.

      Zwei Tage hatte ich Zeit zum Nachdenken. Wie kam ich an die Liste der Fluggesellschaft? Die gusseiserne Vorzimmerdame des Direktors wirkte nicht so empfänglich


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