Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne. Michael Schenk

Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne - Michael Schenk


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und konnte zudem seine Familie mitnehmen. Den einfachen Gardisten

      war diese Möglichkeit verständlicherweise versperrt. Kein Befehlshaber einer

      Festung oder Garnison schätzte es, neben der Kampftruppe auch noch einen

      Tross an Weibern und Kindern versorgen und beschützen zu müssen.

      »Nun, was gibt es, Waffenmeister?«, fragte ta Geos an Livianyas Stelle.

      Dies entsprach dem strengen Reglement der Garde. Ein einfacher Soldat

      durfte seinen Kommandanten jederzeit ansprechen. Händler, Handwerker und

      andere Zivilpersonen mussten jedoch mit dessen Stellvertreter

      vorliebnehmen.

      »Es geht um die neuen Dampfkanonen, Hochgeborene Herrschaften.« Der

      Mann wies zu den nach Jalanne weisenden Mauern. »Wie Ihr wisst,

      Hauptmann, wurden zwei weitere dieser Waffen angeschafft. Die

      Brennsteinkessel und Dampfzuleitungen sind jedoch nur für die bisherigen

      Geschütze ausreichend. Oh, ich kann das natürlich ändern, Hochgeborene

      Herrschaften. Doch dazu muss ich eine neue Zuleitung durch die Decke des

      Pferdestalls legen. Ihr wisst ja, wir nutzen die Dampfleitungen, um im Winter

      die Unterkünfte und Ställe zu heizen.«

      Auf dem Plateau wurde es im Winter bitterkalt. Es reichte den Gardisten,

      wenn sie schon auf Wache oder im Dienst froren. Da sollten wenigstens die

      Unterkünfte behaglich warm sein. Vor einigen Jahren hatte Maratran fünf der

      neuartigen Dampfkanonen erhalten. Sie hatten sich bei der Flotte und der

      Verteidigung von Alneris bewährt. Nun wurden auch die Grenzfestungen

      nach und nach mit ihnen ausgerüstet. Im Falle Maratrans hielt die Hohe Dame

      diese Kanonen jedoch für überflüssig. Die Festung lag so hoch, dass sie kaum

      vom Feind beschossen werden konnte, während schon ihre kleinsten

      Katapulte weit in das Vorfeld hineintrugen. Dennoch hatte sie der Lieferung

      zugestimmt. Denn der Betrieb, der die Waffen fertigte, gehörte einem

      einflussreichen Mitglied des Kronrates, und sie wollte sich durch eine

      Ablehnung nicht die Gewogenheit der Ratsmitglieder verscherzen. Nicht

      allein wegen ihrer Person, sondern weil der König und der

      Oberkommandierende ta Enderos sich dort für sie einsetzten.

      »Fragt ihn, wo das Problem liegt«, sprach sie den Hauptmann an, blickte

      dabei aber in die Augen des Schmiedes. Manchmal konnte das Reglement ein

      wenig umständlich sein.

      »Sagt der Hochgeborenen, der Stallmeister befürchtet, durch die Arbeiten

      werde die Stabilität der Stalldecke geschwächt, da sie durchbrochen werden

      muss.«

      Ta Geos antwortete direkt und mit den Worten, die Livianya gewählt hätte.

      »Es sind Kriegspferde. Ihre Sicherheit geht vor unserer Bequemlichkeit. Doch

      der Winter ist nicht mehr allzu fern. Besprecht mit dem Stallmeister, was er

      für nötig hält. Er ist für den Stall, die Pferde und deren Sicherheit

      verantwortlich. Somit gilt sein Wort.«

      Der Waffenschmied seufzte entsagungsvoll. »Er wird ein paar zusätzliche

      Säulen einziehen wollen. Das kostet Zeit und Schüsselchen.«

      »Auf Zeit und Schüsselchen können wir nicht gegen den Feind reiten«,

      meinte ta Geos knapp.

      Der Mann seufzte erneut und nickte ergeben. Als er außer Hörweite war,

      stieß Livianya einen leisen, wenig damenhaften Fluch aus. »Seit der König

      die Schüsselchen als Währung eingeführt hat, scheinen sie zunehmend das

      Reich zu regieren. Wenn die Garde früher etwas benötigte, dann bekam sie es

      auch. Heute wird zunächst danach gefragt, wie viel es kosten mag.«

      Der Hauptmann konnte ihre Bitterkeit verstehen. »Wenn eine Bedrohung

      vor den Toren des Reiches auftaucht, wird niemand mehr danach fragen.«

      »Womit wir beim Thema wären, mein guter Bernot.« Livianya deutete

      zum Turm, wo sich die Unterkünfte der Offiziere und der überlebenswichtige

      Brunnen befanden. »Suchen wir meine Räume auf.«

      Die Ehrenwache salutierte und öffnete die eisenbeschlagene Tür, in die das

      Wappen des Reiches Alnoa eingearbeitet war. Sie führte auf einen Gang, der

      den Schacht des Aufzugs kreisförmig umgab. Die von dem Gang abgehenden

      Räume hatten dementsprechend leicht keilförmige Grundrisse. Livianya

      beschränkte sich auf die Nutzung dreier Räume. Der vordere war am größten

      und diente ihr als Amtsraum. An dessen breiter Stirnseite, der Außenmauer

      des Turms zugewandt, befand sich die Tür, die zu ihren Privaträumen führte,

      dem Schlafgemach und dem einzigen Luxus, den sie sich erlaubte, einem

      kleinen Baderaum.

      Die Tür zu ihrem Schlafgemach war offen. Ein Gardist und der Seilmacher

      der Festung standen an Livianyas Bett, das sie zuvor auseinandergenommen

      hatten. Es bestand aus einem sorgfältig bearbeiteten und mit Schnitzereien

      verzierten Holzrahmen und einem langen dünnen Seil. Im Holzrahmen

      befanden sich Bohrungen, durch die das Seil gitterförmig hindurchgefädelt

      wurde. Auf diesem federnden Gitter ruhte das Polster des Bettes. So gut das

      Seil auch war, es hatte schon viele Jahre seinen Dienst getan und war

      schließlich gerissen. Livianya hatte einige Tage auf dem blanken Boden

      genächtigt. Es machte ihr nicht viel aus. Immerhin brauchte sie ihn nicht, wie

      auf einem Streifenritt, nach spitzen Steinen oder gefährlichem Getier

      abzusuchen.

      Der Seilmacher bemerkte die Eintretenden. Da er ebenfalls kein Mann der

      Garde war, wandte er sich an Hauptmann ta Geos. »Sagt der Hochgeborenen,

      sie wird ihre Bettstatt heute Nacht wieder benutzen können. Es ist ein gutes

      neues Seil. Ich habe es sorgsam aus den besten Fasern gedreht. Vier Tage

      lang habe ich es mit Gewichten behängt. Es wird lange halten und der

      Hochgeborenen erholsame Nächte bescheren.«

      Bei der Bespannung eines Bettes war es sinnvoll, das Seil zuvor mit einem

      schweren Gewicht zu belasten. Denn ein neues Seil dehnte sich noch, und

      man


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