Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne. Michael Schenk

Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne - Michael Schenk


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      erleichtert, als er wieder fest gefügte Steine unter den Füßen hatte. Livianya

      folgte ihm.

      »Die Disziplin an der Grenze wird ein wenig schleifen gelassen, nicht

      wahr?«, meinte ta Andarat mit einem Seitenblick auf die Männer.

      »Das Augenmerk meiner Gardisten gilt nicht der Politur ihrer Rüstung,

      sondern dem Feind«, erwiderte die Kommandantin. Sie konnte sich einen

      Seitenhieb nicht verkneifen, obwohl sie wusste, dass sie damit ta Andarats

      Widerwillen noch steigern würde. »Die Männer an den Grenzen sind noch

      den Kampf gewohnt und nicht die hübschen Paraden in Alneris.«

      Ihre Gardisten grinsten erfreut, während ta Andarats Lächeln ein wenig

      gefror. Aber das war es ihr wert gewesen. Diese Männer waren es, die mit ihr

      hinausritten und ihr Leben riskierten, nicht dieser eitle Kratzfuß.

      »Nun, wo ist dieses Wunderding, von dem Ihr mir erzählt habt,

      Hochgeborene Livianya ta Barat?« Seine Förmlichkeit verriet, dass er

      tatsächlich eingeschnappt war.

      »Jene Konstruktion direkt vor Euch, Hochgeborener.« Kurzsichtig war er

      offensichtlich auch.

      Sie gingen zu dem tonnenförmigen Objekt hinüber, das auf einem Dreibein

      montiert war. Es hatte die doppelte Stärke und Länge eines Armes und blitzte

      in der Sonne, da seine Hülle aus Gold gefertigt war.

      »Ihr behauptet also, damit könne man den Feind erblicken?«

      »Wenn einer da ist, ja, und zwar aus großer Entfernung.«

      »Ah, wahrhaftig? Aber wie geschieht das?« Ta Andarat beäugte den

      Gegenstand von allen Seiten. »Nun, ich kann Klarstein an beiden Enden

      erkennen. Was soll das bewirken? Ebenso gut kann ich durch ein einfaches

      Fenster sehen.«

      »Es ist kein gewöhnlicher Klarstein.« Livianya schwenkte den Gegenstand

      ein wenig herum. »Sondern geschliffener Kristall von den Zwergen.«

      »Von den Zwergen? Ihr sagtet vorher nichts von Zwergen. Was hat das

      Königreich mit diesen kleinen Wesen zu schaffen?«

      »Sie liefern den besonders geschliffenen Kristall, der hierfür benötigt wird.

      Eigentlich geht dieses Gerät auf einen Händler aus der Hochmark zurück.«

      »Hochmark?« Ta Andarat betupfte sich Lippen und Stirn. »Da leben doch

      diese barbarischen Pferdemenschen, nicht wahr?«

      Livianya wünschte sich, ta Enderos oder der König wären hier. Sie hätten

      eine angemessene Antwort gegeben, denn sie hatten die Befreiung der

      alnoischen Stadt Gendaneris gut in Erinnerung. »Ein Händler des

      Pferdevolkes, ich glaube, er heißt Hedlerim, hat Kristallsteine erfunden, die in

      Metall gefasst und auf besondere Weise geschliffen sind. Mit ihnen lassen

      sich Gegenstände vergrößern.«

      »Ah, Hedlerims Vergrößerungssteine«, sinnierte ta Andarat. »Ja, ich kenne

      sie. Ich dachte immer, einer der unseren hätte sie erfunden. Verstehe. Man hat

      also die Vergrößerungssteine in diese Konstruktion gefasst?« Der Adlige

      strich sich über das Kinn. »An welchem Ende muss ich hineinsehen?«

      Sie zeigte ihm das Okular und wie man die Brennweite des

      Vergrößerungsrohres verändern konnte. Nach kurzer Zeit kam ta Andarat mit

      dem Gerät zurecht. »Ich bin überrascht«, gestand er ein. »Zwar kann ich

      keinen Feind erblicken, aber die Umgebung wird nahe an das Auge

      herangeführt. Ein seltsames, aber hilfreiches Ding.«

      »Man kann den Feind nun sehr viel früher entdecken«, stimmte Livianya

      zu. »Vorausgesetzt, natürlich, das Wetter spielt mit.«

      »Natürlich, natürlich. Wie seid Ihr an das Gerät gekommen?«

      »Es war ein Geschenk der Elfen an den Hochgeborenen Lord ta Enderos,

      Hochgeborener.«

      »Elfen?« Die Stimme klang ein wenig spitz. »Was haben die nun wieder

      … Ah, ich verstehe. Der Kampf gegen die Schwärme der See, nicht wahr?

      Verstehe, verstehe. Und der Hochgeborene Lord ta Enderos überreichte es

      Euch? Nun, er war Euch ja immer auf besondere Weise gewogen.«

      Vielleicht war jetzt der richtige Zeitpunkt, um auszurutschen und den

      arroganten Kerl ordentlich zu treten, doch Livianya beherrschte sich. »Der

      Oberkommandeur der Garde fand, dass dieses Vergrößerungsrohr in einer

      Festung nützlicher sei, als in seinem Garten.«

      »Nun, äh, das mag sein.« Ta Andarat trat von dem Gerät zurück und lehnte

      sich an die gemauerte Einfassung der Plattform. »Ihr spracht von einer

      wachsenden Bedrohung an der Grenze, Hochgeborene? Ich kann jedoch

      keinen Feind erblicken. Wisst Ihr etwas von den Orks der Finsternis, das noch

      nicht nach Alneris gedrungen ist?«

      »Keine Orks, obwohl diese Bedrohung stets über uns schwebt. Im

      vergangenen Reich Jalanne formiert sich eine andere Gefahr.«

      Natürlich wusste ta Andarat längst von den gepanzerten Bestien. Livianya

      hatte mehrere Berichte an ihren Vorgesetzten ta Enderos geschickt. Da die

      Irghil das Reich jedoch noch nicht direkt bedrohten, konnte dieser ihr keine

      Verstärkungen schicken. In einem solchen Fall entschied der Kronrat, und

      dieser hatte als Bevollmächtigten ta Andarat gesandt.

      Geduldig berichtete Livianya dem Mann von ihren Befürchtungen. Am

      Gesichtsausdruck des Adligen war sein wachsender Widerwille abzulesen.

      Schließlich unterbrach er ihre Ausführungen. »Schön, schön, sie mögen

      gefährlich sein, diese Schalentiere. Aber sie bedrohen nicht das Königreich,

      nicht wahr? Bleibt dem vergangenen Reich Jalanne fern, dann sind auch Eure

      Reiter sicher.«

      »Und die Lemarier?«

      Er betupfte abermals sein Gesicht. »Sie sind uns willkommen. Wenn sie

      denn kommen wollen.«

      »Es wurde ihnen bereits angeboten, Hochgeborener.«


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