Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne. Michael Schenk
»Niemand zähmt ein Rundohr der Orks. Ihre Art und
die unsere sind gegensätzlich, wir hassen einander. Wir töten einander, und
das hat diese Bestie nicht verlernt.«
»Wir Elfen kennen den guten Herrn Dorkemunt«, sagte Elodarion schlicht.
»Wir trauen seinem Wort und seinem Urteil. Doch kein Menschenwesen ist
vor einem Irrtum sicher.« Er lächelte dünn. »Selbst uns Elfen unterläuft dies
gelegentlich.«
»Er ist eine Bestie, geboren um uns Menschen zu töten«, wiederholte
Garwin erregt. »Und er war im Dünenland. Vielleicht hat er sich damals nur
ergeben, um auf eine günstige Gelegenheit zu warten.«
»Um Larwyn zu ermorden?« Nedeam schüttelte entschieden den Kopf.
»Was sollte ihr Tod ihm oder dem Schwarzen Lord bringen? Nein, wer immer
diese Tat beging, wollte seinen Nutzen daraus ziehen.«
»Die Orks sind vom Instinkt geleitet.« Garwin beugte sich zornig über den
Schreibtisch. »Da braucht es keinen vernünftigen Grund. Nur eine gute
Gelegenheit.«
Elodarion räusperte sich. »Wurde das Rundohr bewacht?«, fragte er
Nedeam. »War es ihm überhaupt möglich, die Tat zu begehen?«
Hatte es eine Wache vor der Tür zu Nedeams Kammer gegeben? Nein.
Nedeam leckte sich unruhig über die Lippen. Das Rundohr trug einen
Kapuzenumhang, um seine Gestalt und seinen Schädel zu verbergen. Viele
Menschen reagierten instinktiv mit Hass, wenn sie ihn sahen. Vielleicht ging
es dem Ork umgekehrt nicht anders. Den Trubel während der Vorbereitungen
zur Feier mochte er genutzt haben, um den Anschlag auszuführen …
Nedeam biss sich auf die Lippe. »Es wäre nicht seine Art. Er ist ein
ehrenhafter Krieger.«
»Ehrenhafter als ein Pferdelord?«, fragte Garwin spöttisch. »Nun, Hoher
Herr Nedeam, es erscheint mir seltsam, dass Ihr einem Pferdelord eine solche
Tat zutraut, einer Bestie aber nicht.«
Elodarion nickte bedächtig. »In diesen Worten liegt Wahrheit, Nedeam,
mein Freund.«
Konnte er sich so täuschen? Konnte Dorkemunt sich so täuschen?
Immerhin war Fangschlag ein Rundohr. Ein Ork. Eine Bestie. Kein
Pferdelord würde jemals seine Hand gegen die Herrin Larwyn erheben und
erst recht keiner der Gäste, die an der Vermählung teilgenommen hatten.
Garwin hatte recht. Es blieb nur das Rundohr.
Dennoch nagten Zweifel an Nedeam. »Als er sich uns in der Öde
anschloss, führte er keine Stachelpfeile oder Gift mit sich. Wie sollte er …«
»Ihr sagtet selbst, einige der Pferdelords hätten Andenken aus dem
Dünenland mit in die Mark gebracht. Die Bestie wird das Werkzeug für seine
Mordtat gestohlen haben.«
»Es wäre immerhin vorstellbar«, gab Elodarion zu bedenken. »Bewahrt
kühlen Kopf und prüft alle Möglichkeiten, Nedeam. Die Tat darf nicht
ungesühnt bleiben.«
»Wir sollten mit Dorkemunt sprechen.« Nedeam seufzte schwer. »Er kennt
das Rundohr am besten.«
»Gut.« Garwin trat hinter dem Schreibtisch hervor. »Verlieren wir keine
Zeit. Vielleicht hat sich die Bestie schon davongeschlichen. Erster
Schwertmann, ruft ein paar bewährte Männer zusammen. Wir dürfen ihr
keine Gelegenheit geben, erneut zu morden.«
Vor der Tür stand mittlerweile eine andere Wache. Scharführer Kormund
fanden sie unten in der Halle im Gespräch mit Tasmund. Beide waren dabei,
Ordnung in das Chaos zu bringen, das hier unten noch herrschte. Es war früh
am Morgen, und einige der Gäste hatten Speis und Trank so reichlich
zugesprochen, dass sie auf oder unter den Bänken nächtigten. Bedienstete und
Schwertmänner eilten nun umher und nahmen wenig Rücksicht auf die
Schlafenden, die trotz der Unruhe nur langsam erwachten. Von den elfischen
Begleitern Elodarions und Jalans war nichts zu sehen. Sie hatten sich
zurückgezogen, bevor die Feier in ein wildes Gelage ausartete. Drei Zwerge
aus Balruks Ehrengeleit saßen in einer Ecke, mit leicht glasigen Augen und
doch wachsam, denn sie hatten bemerkt, dass etwas Unerfreuliches geschehen
war.
Nedeam war noch immer niedergeschlagen. Die wundervollen
Erinnerungen an den Tag seiner Vermählung waren von den schrecklichen
Ereignissen dieser Nacht verdüstert worden. Eine furchtbare und sinnlose Tat.
Die Sorge um das Überleben Larwyns war überall spürbar.
»Dort hinten, am Tisch.« Garwin wies in die Tiefe der Halle. »Euer Freund
Dorkemunt.«
Sie gingen gemeinsam hinüber, und auf dem Weg informierte Garwin
Tasmund und Kormund über den Verdacht. Die beiden Pferdelords sahen
ihren Freund Nedeam bedauernd an. »Ein solches Wesen kann nicht aus
seiner Haut«, sagte Kormund leise. »Er ist und bleibt ein Ork.«
»Noch ist Fangschlags Schuld nicht bewiesen«, beschied Nedeam, der die
Bemerkung gehört hatte. »Er hatte keinen Grund für diese feige Tat.«
»Braucht ein Ork einen Grund, um einen Menschen zu erschlagen?«
Kormund schüttelte den Kopf. »Nein, Nedeam, ich habe viele Jahreswenden
gegen die Bestien des Schwarzen Lords gefochten. Ich hatte immer meine
Zweifel an der Gutartigkeit dieses Rundohrs, obwohl es sicherlich ein
ungewöhnlicher Bursche ist. Nun, wir werden sehen.«
Dorkemunt ruhte schlafend auf dem Tisch. Der Becher war ihm aus der
Hand gefallen und lag unter ihm am Boden. Einige Strähnen seines langen
Haares waren in einen Teller mit kalter Suppe getaucht, andere hingen ihm
über dem Mund. Rhythmisches Schnarchen war zu hören, und jeder Atemstoß
ließ die Strähnen leicht vibrieren.
Nedeam beugte sich zu seinem Freund und schüttelte ihn. Nur langsam
und widerwillig erwachte der alte Kämpfer. »Ah,