Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne. Michael Schenk

Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne - Michael Schenk


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werden, um an ihrem Gift

      zu sterben«, sagte die elfische Heilerin nachdenklich, während sie und

      Meowyn die Hohe Dame entkleideten.

      Auf der Treppe waren Schritte zu hören, dann stürzte Elodarion in Jalans

      Begleitung herein. »Ich hörte von dem Übel, das der Herrin der Hochmark

      widerfahren ist.« Er erblickte Larwyn und seufzte leise. »Sie sieht ernstlich

      krank aus.«

      »Tritt näher, Vater, und sieh es dir genauer an.«

      Elodarion runzelte die Stirn. »Ich kenne diese Zeichen. Die

      Gliederkrämpfe, das Zusammenpressen der Zähne und die zurückgezogenen

      Lippen. Die Augen sind geweitet. Die Pupillen, Leoryn, sind sie weit oder

      eng?«

      »Sie haben kaum die Größe eines Nadelöhrs.«

      »Bei den Finsteren Abgründen.« Elodarion schob Meowyn unsanft zur

      Seite, kniete sich neben seine Tochter und beugte sich über die hilflose

      Larwyn. »Einen Dolch! Ich brauche eine Klinge.«

      »Du willst ihr den Mund öffnen?«

      »Ich muss sehen, ob die Zungenspitze geschwollen und verfärbt ist.«

      Nedeam suchte nach dem Dolch, der normalerweise auf dem Schreibtisch

      lag. Larwyn hatte ihn wohl heruntergerissen, als sie zu Boden stürzte. Er

      bückte sich nach der zierlichen Waffe, als Leoryn ihn zurückhielt. »Ihr

      Männer und eure barbarischen Methoden. Es ist nicht nötig, der armen

      Larwyn den Kiefer gewaltsam zu öffnen. Wartet, ich kümmere mich darum.

      Meowyn, stecke ihr einen dicken Lederknebel in den Mund, sobald ich dir ein

      Zeichen gebe.«

      Leoryn kniete sich hinter Larwyns Kopf und legte ihre Hände in einem

      merkwürdigen Griff an deren Unterkiefer. Wie von selbst öffnete sich der

      Mund. Die Elfin nickte Meowyn zu, die sofort den Knebel zwischen die

      Reihen der Backenzähne schob.

      Elodarion beugte sich über Larwyns Gesicht. »Licht! Ich brauche Licht.«

      Nedeam hielt die Brennsteinlampe näher und sah nun selbst, das Larwyns

      Zunge tatsächlich geschwollen und verfärbt war, besonders an der

      Zungenspitze.

      »Verfluchte Brut«, zischte der Elf. »Kein Zweifel, das habe ich schon viel

      zu oft gesehen. Es ist das Gift des Sandstechers.«

      »Sandstecher?« Nedeam überlegte. »Bei allen Finsteren Abgründen. Das

      Gift, das die Turiks des Sandvolks benutzen?«

      Mit einem leichten Schaudern dachte Nedeam an die Abenteuer zurück,

      die sie in ihrer alten Heimat erlebt hatten, welche nun von den

      Wüstenkriegern des Sandvolkes beansprucht wurde. Deren Hauptwaffen

      waren Keulen, mit denen sie die Schädel ihrer Feinde einschlugen, und

      Blasrohre, mit denen sie Pfeilstacheln verschossen. Im Land dieses Volkes

      gab es den Sandstecher, ein handgroßes Insekt, das über seinen Stachel ein

      tödliches Gift absonderte. Die Turiks der Sandclans sammelten dieses Gift,

      um damit gefährliches Raubwild zu erlegen. Im Kampf jedoch verwendeten

      sie es nicht, das hätten sie als unehrenhaft empfunden.

      »Eben dieses«, bestätigte Jalan. »Da gibt es keinen Zweifel. Die Turiks

      sind hin und wieder bis zu den Häusern des Waldes vorgedrungen. Um Holz

      zu rauben und ein paar Schädel zu nehmen. Beides gelang den Barbaren nur

      selten. Deshalb scheuten sie sich nicht, das Gift gegen uns einzusetzen,

      obwohl sie das sonst nicht tun.«

      Nedeam schüttelte den Kopf. »Es kann nicht sein. Hier gibt es keine

      Turiks.«

      »Dennoch ist es ihr Gift.« Der Älteste des Hauses Elodarion erhob sich.

      »Eure Herrin Larwyn müsste längst tot sein. Selbst in geringsten Mengen

      wirkt es schnell.«

      Sein Freund Jalan wiegte den Kopf. »Könnte es verdorben sein? Die

      Turiks bewahren es doch in ihren Köchern auf. Über viele Jahreswenden

      hinweg. Vielleicht war es zu alt.«

      »Das wäre möglich.« Elodarion seufzte leise. »Es wird dann langsamer

      wirken, aber ebenso tödlich sein.«

      »Dann ist Larwyn verloren?« Nedeam sah die Elfen schockiert an. »Erst

      Garodem, und nun Larwyn? Es darf nicht sein. Ihr müsst ihr helfen. Sie muss

      überleben.«

      Leoryn warf dem Pferdelord einen bedauernden Blick zu. »Gegen das Gift

      des Sandstechers gibt es kein Mittel.«

      Jalan räusperte sich. »Keines, das uns zugänglich ist. Doch es könnte sein

      …« Llaranyas Vater strich sich über das Kinn. »Vielleicht …« Er zögerte,

      aber dann gab er sich einen Ruck. »Ich muss etwas holen. Vielleicht besteht

      doch noch Hoffnung.«

      Die anderen sahen verwirrt zu, wie Jalan aus dem Raum hastete. Sie

      wussten nicht, was er meinte, und auf Nedeams Frage zuckte Leoryn

      bedauernd die Schultern. »Was auch immer er vorhat, es gibt kein Mittel

      gegen das Sandstechergift.«

      Als Jalan zurückkam, war er ein wenig außer Atem. In seiner Hand hielt er

      ein kleines Kästchen, aus kostbaren Hölzern gefertigt und mit elfischen

      Symbolen verziert. »Ich wollte dies Llaranya und Nedeam zum Abschied

      schenken, und da es ihnen zugedacht ist, müssen sie entscheiden, was damit

      geschieht.«

      »Was ist es?«, fragte das junge Paar einstimmig.

      Jalan öffnete den Verschluss und hob den Deckel an. In dem Kästchen lag

      auf einem Polster ein zierliches Glasgefäß. Behutsam hob Jalan es heraus und

      hielt es hoch. Eine milchige Flüssigkeit, von der ein sanftes Leuchten

      ausging, schimmerte hinter dem Glas. »Das Wasser des Lebens. Nicht viel

      davon, denn es ist sehr kostbar und selten. Es heißt, es könne Krankheiten

      heilen und Wunden schließen.« Er sah Tochter und Schwiegersohn an. »Man

      … man sagt ihm eine gewisse lebensverlängernde Wirkung nach, daher …«


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