Angriff der Keshani. Lina-Marie Lang

Angriff der Keshani - Lina-Marie Lang


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ihm über das Heulen sprechen, ehe sie die anderen weckten.

      „Ich glaube nicht, dass Gefahr besteht", sagte Callanor. „Geräusche können hier über sehr weite Entfernungen getragen werden. Trotzdem sollten wir sehr aufmerksam sein."

      Also weckten die anderen, frühstückten und machten sich schließlich wieder auf den Weg. Im Laufe des Tages hörten sie das Heulen noch einige Male, aber es schien nicht näherzukommen. Niemand von ihnen sprach es an, aber an ihren Gesichtern, konnte Nadira ablesen, dass sie alle es gehört hatten. Und sie alle hatten Angst.

      Am späten Nachmittag waren sie auf Höhe von Erel und sie ritten weiter, bis die Sonne fast untergegangen war. Sie wollten einen größeren Abstand zu der verfluchten Stadt gewinnen. Aber sie mussten auch auf ihre Kräfte achten.

      An diesem Abend, sie waren gerade beim Essen, hörten sie wieder Geräusche. Sie waren nicht lauter als das Heulen, das Nadira und Lledar in der letzten Nacht zum ersten Mal gehört hatten. Aber diesmal war es nicht nur Heulen, Knurren und Fauchen mischten sich dazu.

      „Was ist das?", fragte Aurel beunruhigt.

      „Ich glaube sie kämpfen", sagte Callanor.

      „Dann sind die Guul also in Erel Trel angekommen", sagte Brancus düster.

      Callanor nickte. „Ich fürchte, es gibt noch ein Problem", sagte er. „Die Wölfe werden sicherlich vor den Guul fliehen, wahrscheinlich nach Süden."

      „Also auf uns zu", sagte Nadira. Plötzlich war ihr der Appetit auf ihr Essen vergangen.

      ***

      Trotz ihrer aller Befürchtungen blieb die Nacht ruhig. Zwar war immer wieder das Heulen der Wölfe, und gelegentlich Knurren und Fauchen zu hören, aber es schien nicht näherzukommen.

      „Die Warge scheinen um ihr Revier zu kämpfen", sagte Callanor am Morgen.

      „Können sie gewinnen?", fragte Aurel.

      Callanor schüttelte den Kopf. „Wenn wirklich eine ganze Armee von diesen Kreaturen über den Pass gekommen ist, haben die Warge und Wölfe keine Chance."

      „Also ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie fliehen werden", sagte Tinju. Er war in den letzten Tagen sehr ruhig gewesen. Aber langsam schien es ihm wieder besser zu gehen.

      „Und dann auf uns treffen", sagte Lledar.

      „Wir sollten uns also nicht zu lange hier aufhalten", sagte Callanor und bestätigte damit ihre Befürchtungen.

      „Dann brechen wir besser auf", sagte Nadira.

      Brancus saß mit gesenktem Kopf und grimmigen Gesichtsausdruck da. Hatte er Angst? „Kannst du sie sehen?", fragte Nadira ihn. Durch seine besondere Gabe Leben zu entdecken, war Brancus in der Lage, die Wölfe zu entdecken, lange bevor die anderen sie sehen konnten. Nadira wusste nicht genau, wie er Lebewesen wahrnahm, in ihrer Vorstellung glich das Ganze aber ihrer eigenen Fähigkeit Ashara wahrzunehmen. Wenn ein Mensch über Ashara verfügte, sah sie das als ein warmes Leuchten, das von dieser Person ausging. Je stärker das Ashara war, desto heller war das Leuchten.

      Brancus sah zu Nadira auf, als müsste er sich erst vergewissern, dass sie mit ihm gesprochen hatte. Dann stand er auf und wandte sich in die Richtung, aus der das Heulen kam. Er starrte konzentriert in die Ferne und schien den ganzen Horizont vor sich zu mustern. Schließlich drehte er sich wieder zu den anderen herum. „Nein. Ich kann sie nicht sehen. Sie müssen noch ein weites Stück entfernt sein."

      „Darüber können wir auch froh sein. Sie sind schneller als wir. Sie würden uns einholen, ehe wir einen sicheren Ort erreichen können", sagte Callanor. Nadira konnte zwar nur für sich sprechen, aber sie war wirklich froh darüber. Wenn ein Rudel der Größe, wie bei ihrem ersten Besuch in Erel Trel, sie hier im offenen Land erwischen würde, konnten selbst die beiden Dynari sie nicht aufhalten.

      Das Lager war schnell abgebaut und sie waren schnell wieder auf dem Weg. Da sie jetzt an Erel vorbei waren, wandten sie sich stärker in südliche Richtung, auf Giagan zu.

      Am Abend waren die ersten Ausläufer des Waldes schon fast in greifbarer Nähe. Trotzdem würde es noch mehrere Stunden dauern, bis sie das Lissiri Delta erreichten. Da die Sonne bereits unterging und sie und die Pferde von dem langen Ritt erschöpft waren, beschlossen noch einmal in Erel Trel zu lagern.

      „Hier sollten wir einigermaßen sicher sein", sagte Callanor. „Ich glaube nicht, dass die Wölfe so nah an die Stadt herankommen werden."

      So wirklich beruhigen wollte Nadira das Ganze nicht. Sie hatte durchaus schon von Wölfen gehört, die sich deutlich näher an Seraint herangewagt hatten. Allerdings waren das immer einzelne Tiere gewesen, kein riesiges Rudel, angeführt von einem Warg. Callanor kannte das Verhalten dieser Tiere besser als jeder andere aus der Gruppe. Trotzdem wurde Nadira das Gefühl nicht los, dass er sie nur beruhigen wollte. Vielleicht auch sich selbst.

      Da es Tinju inzwischen wieder besser ging, wurde auch er in dieser Nacht zur Wache eingeteilt. Zusammen mit Nadira. Sie bekam wieder die letzte Wache vor Anbruch des Tages.

      Nadira hatte den Eindruck, dass das Heulen häufiger und lauter geworden war, aber Tinju meinte, das läge nur an der Nacht. „In der Nacht klingen Wölfe noch unheimlicher als tagsüber", sagte er. Nadira hatte immer gedacht, dass Wölfe ohnehin nur in der Nacht heulten, aber offensichtlich machten sie eine Ausnahme, wenn Gefahr bestand.

      „Trotzdem", sagte Nadira. „Es klingt näher."

      „Ich habe viel mehr Erfahrung als Nachtwache als Ihr", sagte Tinju.

      Damit hatte er recht. „Aber hast du auch viel Erfahrung mit Wölfen?", fragte Nadira. Jetzt kam Tinju ins Stocken. Erwischt, dachte Nadira. „Ich werde Callanor wecken", sagte sie und stand auf.

      „Er braucht seinen Schlaf."

      „Aber wenn ich doch recht habe, ist das wichtiger als zu schlafen", sagte Nadira. Sie würde sich nicht von Tinju abhalten lassen, aber dieser widersprach nun auch nicht mehr.

      Callanor war zwar mürrisch als Nadira in weckte, doch kaum hatte er sein Zelt verlassen und das Heulen gehört, war er hellwach. „Es klingt tatsächlich lauter", sagte er.

      „Ich wecke Brancus", sagte Nadira und eilte zum Zelt des anderen Dynari. Brancus war noch wesentlich mürrischer als Callanor als Nadira ihn weckte.

      „Was soll das? Ich bin gerade erst eingeschlafen." Das stimmte nicht ganz, er hatte zwar die mittlere Wache gehabt, aber war schon vor mehr als zwei Stunden Schlafen gegangen. Aber Nadira hatte keine Lust und keine Zeit für seine Spielchen.

      „Das Heulen ist lauter geworden. Wir brauchen deine speziellen Talente", sagte sie.

      „Weckt Callanor", sagte Brancus und drehte sich von Nadira weg.

      „Das habe ich bereits. Er sagte auch, dass das Heulen lauter klingt."

      Brancus seufzte, setzte sich auf und funkelte Nadira böse an. Er wollte etwas sagen, aber in diesem Moment war wieder ein Heulen zu hören. Selbst hier drin im Zelt war es deutlich lauter. Brancus schien einen Moment zu erbleichen, dann stand er auf und schob Nadira einfach zur Seite, um das Zelt verlassen zu können.

      Er warf nur einen Blick nach Nordwesten und erstarrte.

      „Was ist?", fragte Nadira, obwohl sie die Antwort schon kannte.

      „Ich kann sie sehen", sagte Brancus. „Sie kommen."

      „Auf uns zu?", rief Callanor.

      Brancus schüttelte den Kopf. „Nicht auf uns zu, aber sie strömen nach Süden."

      „Wie viele? Ist das Rudel so groß, wie damals bei Trel?", fragte Nadira.

      „Nein", sagte Brancus. „Viel größer. Es müssen Hunderte sein."

      Callanor und Tinju begangen zu fluchten. Tinju eilte zu den Zelten, um die anderen aufzuwecken. Lledar war bereits durch die Diskussion zwischen Nadira und Brancus wach geworden und stieg aus seinem Zelt.

      „Wir


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