Schattenreich. Azura Schattensang

Schattenreich - Azura Schattensang


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nickte wieder noch bevor Constantin geendet hatte.

      „Aber woher...“

      Sie schüttelte den Kopf. „Später. Ich... erkläre es dir... später.“

      Sie bogen um eine Ecke. Oben, am Ende einer steil ansteigenden Straße, konnten sie bereits das Gebäude des Ordens sehen. Hinter sich hörten sie das Donnern von Hufen näherkommen.

      „Verdammt!“ Aurelia blieb aus vollem Lauf stehen und blickte den Weg zurück. Constantin stolperte an ihr vorbei.

      „Was ist? Was tust du?!“ Seine Stimme nahm einen panischen Klang an.

      „Lauf weiter zum Orden und sag Meister Albion Bescheid. Ich werde sie hier solange aufhalten.“ Sie stellte sich breitbeinig auf die Straße und starrte den Soldaten entgegen.

      „Bist du verrückt geworden?! Ich lasse dich hier nicht alleine!“

      „Doch, das tust du!“ Sie funkelte ihn zornig an. Ihre eisblauen Augen begannen zu leuchten, als sie nach ihre Magie griff.

      Constantin knirschte mit den Zähnen, fügte sich aber.

      „Wehe, du gehst dabei drauf!“ Er warf ihr einen langen Blick zu, dann drehte er sich um und rannte weiter.

      Aurelia konzentrierte sich wieder auf die näher kommenden Soldaten. Lieber würde sie sterben, als sich versklaven zu lassen.

      Die Luft begann um sie herum zu knistern. Als die Soldaten nur noch wenige Meter entfernt waren, ließ Aurelia die Luft mit einem ohrenbetäubenden Knallen erzittern. Die Pferde scheuten, warfen ihre Reiter ab und stoben davon. Flüche wurden laut. Dann erstrahlte ein grünlich gelbes Licht.

      Der Nekromant hatte eine Bestie aus der Unterwelt beschworen. Hässlich war noch eine schöne Beschreibung für das Ungetüm, welches aus dem Boden hervor kletterte. Es war riesig und schwärzer als die tiefste Nacht. Hunderte von kleinen, roten Augen glühten an einer Stelle, die wohl den Kopf darstellen sollte. Lange, wuchtige Scheren wuchsen aus dem Kiefer und klapperten unheilverkündend. Der Körper, klein und gedrungen, war mit Stacheln übersät und wurde von langen, dünnen, spinnenartigen Beinen getragen. Die Geräusche, die es machte, ließen Aurelia die Haare zu Berge stehen. Sie zwang sich ruhig zu atmen und einen klaren Kopf zu behalten. Jeder Fehler würde sich in einem Kampf gegen einen Aranpyones als tödlich erweisen.

      Sie wusste, dass sie ohne Waffen im deutlichen Nachteil war, aber Aufgeben war keine Option. Sie fletschte die Zähne und und machte sich für einen Angriff bereit. Knisternde, blaue Blitze formten sich in ihrer Hand.

      Sie wartete, studierte jede Bewegung des Ungeheuers und suchte nach seinen Schwachstellen. Schneller, als sie es ihm zugetraut hätte, schoss es plötzlich nach vorne. Mit einem Sprung zur Seite entkam sie knapp den grauenhaften Kieferscheren, rollte sich ab und warf die Blitze gegen seinen schwarzen Körper. Der erhoffte Effekt blieb jedoch aus. Die Magie verpuffte ohne jegliche Wirkung. Mit einem bedrohlichen Grollen drehte sich der Aranpyones zu ihr um. Aurelias Magen verkrampfte sich. Also schön, nächster Versuch. Sie legte eine Hand auf den Boden und wartete, dass das Monster sie erneut angriff.

      Als es schließlich voranstürmte, schickte Aurelia einen Stoß magischer Energie in den Boden.

      Die Straße brach förmlich unter dem Aranpyones zusammen. Steinsplitter flogen sirrend umher, doch das Ungeheuer balancierte auf seinen dünnen Spinnenbeinen unbeeindruckt über das aufgerissene Erdreich. Fauchend stürzte es sich auf Aurelia. Mit einem Satz nach vorne, duckte sie sich unter den Kieferscheren hinweg und rollte unter seinem Körper hindurch. Das auf sie zu schnellende Bein sah sie nicht kommen. Mit einer Wucht, die ihr die Luft aus den Lungen trieb, wurde sie in den Rücken getroffen und einige Meter davongeschleudert. Hart schlug sie auf dem Boden auf. Roter Nebel verschleierte ihre Sicht, als Blut aus einer Platzwunde an ihrer Stirn ihr in die Augen rann. Der Aranpyones rüstete sich währenddessen zum nächsten Angriff.

      Aus den Augenwinkeln sah Aurelia die Soldaten und den Nekromanten, welche deutlich auf Abstand gegangen waren. Keiner von ihnen wollte versehentlich ins Kreuzfeuer geraten. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn und spürte das Blut auf ihrer Haut. Ihr Kopf dröhnte. Aber es blieb keine Zeit zum Ausruhen. Das Monster sprang schon wieder auf sie zu und schlug mit einem seiner langen Beine nach ihr. Vergeblich versuchte sie der Attacke auszuweichen und wurde am Bein getroffen. Brennender Schmerz durchflutete sie. Tränen schossen ihr in die Augen und sie schnappte nach Luft. Sie rollte sich zur Seite, um aus der Reichweite des Aranpyones zu kommen und warf einen kurzen Blick auf ihren linken Oberschenkel. Ein langer Riss klaffte an der Außenseite und Blut sickerte heraus. Zum Glück schien die Wunde nicht besonders tief zu sein, jedoch beeinträchtigte sie ihre Beweglichkeit enorm. Zitternd kam Aurelia auf die Beine. Sie verlagerte ihr Gewicht auf das gesunde Bein und versuchte so schnell sie konnte, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und das Ungetüm zu bekommen. Dieses bäumte sich auf und klapperte wütend mit seinen Kieferscheren. Aurelia griff nach ihrer Magie, diesmal stärker als bisher. Sie spürte ein Kribbeln auf ihrer Haut und die Luft um sie herum begann zu vibrieren.

      Dann war das Monster über ihr. An einen rettenden Sprung zur Seite war nicht mehr zu denken, also tat sie das Einzige, was ihr übrig blieb. Mit all ihrer Kraft, warf sie einen gleißenden Lichtball gegen den Kopf des Aranpyones. Das Vieh heulte auf und warf sich zur Seite. Es quiekte grell und wischte sich mit einem seiner Vorderbeine über den Kopf. Dann hielt es inne und drehte sich langsam zu ihr um. Es stieß ein furchteinflößendes Grollen aus. Mehr als die Hälfte seiner rot leuchtenden Augen waren erblindet.

      Aurelia atmete schwer. Die letzte Attacke hatte sie viel Kraft gekostet. Sie suchte nach ihrer Magie und fand einen kümmerlichen Rest. Was immer als nächstes passieren würde, sie wusste, dass es ihr Ende sein würde. Wenn das Scheusal sie nicht töten würde, würden die Männer des Königs sie mit sich nehmen und sie nach Ehrenthal verschleppen. Was dann mit ihr geschehen würde, wusste sie nicht und sie war auch nicht daran interessiert, es herauszufinden. Sie schloss die Augen und griff nach dem Rest ihrer Kraft. Der Aranpyones machte sich zum Sprung bereit, dann stürzte er sich brüllend auf sie.

      Aurelia riss die Augen auf. Doch bevor sie auch nur die Gelegenheit dazu bekam, ihre Magie zu nutzen, schoss eine gewaltige Flammensäule in die Höhe und hüllte das Ungetüm ein. Es kreischte ohrenbetäubenden.

      Aurelia warf einen raschen Blick über ihrer Schulter. Meister Albion und vier weitere Kampfzauberer standen weiter oben auf der Straße. Der Meister hatte eine Hand vorgestreckt und begann sie langsam zu schließen, während die Flammensäule sich immer enger um den Aranpyones zusammen zog.

      Aurelias Herz dröhnte in ihren Ohren. Dies war die wahre Macht eines Kampfzauberers. Sie selbst war eine recht starke Zauberin, doch ihre Kraft war nichts im Vergleich zu der des Meisters.

      Kampfzauberer wurden nach ihrem magischen Potential ausgewählt. Nur Kinder, die schon in jungen Jahren ein hohes Maß an magischer Kraft aufwiesen, wurden in den Orden aufgenommen und ausgebildet. Vor dem Fall des Königshauses hatte es hunderte von ihnen gegeben: Die stärkste Waffe des Königreiches. Ein einzelner Kampfzauberer konnte es mit mehreren hundert Soldaten einer Armee aufnehmen. Das hatte Canthan fast uneinnehmbar gemacht. Nicht, dass das Königreich mit irgendwelchen Ländern im Krieg gestanden hätte.

      Canthan hatte immer enge diplomatische Beziehungen zu seinen Nachbarländern gepflegt. Jedoch hatte die bloße Demonstration von Macht jegliche anderen Länder des Kontinents davon abgehalten, das Schwert gegen Canthan oder einen seiner Verbündeten zu heben. Auch wenn all dies längst der Vergangenheit angehörte, so standen die Kampfzauberer nun hier und demonstrierten ein weiteres Mal ihre Macht und die Macht des Ordens.

      Inzwischen hatte Meister Albion die Hand zu einer Faust geschlossen. Mit einem letzten, gequälten Aufschrei verwandelte sich der Aranpyones in Asche. Die Flammensäule erlosch und Dunkelheit legte sich über die zerstörte Straße. Schnelle Schritte näherten sich Aurelia.

      „Aurelia!“ Constantin eilte zu ihr herüber und fasste sie bei den Schultern, bevor ihre Beine unter ihr nachgaben. Kraftlos sackte sie zusammen. Gebannt verfolgte sie, wie der Meister und die anderen vier Kampfzauberer sich zwischen ihr und den Männern des Königs


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