Schattenreich. Azura Schattensang

Schattenreich - Azura Schattensang


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hinweg. Es gab einen dumpfen Knall, als er auf dem Boden aufschlug. Benommen blieb das Wesen einen kurzen Moment liegen, doch lange genug, damit sich Aurelia auf ihn werfen und den Dolch in sein Herz rammen konnte. Kreischend ging sein Körper in Flammen auf.

      Das Gesicht des Nekromanten hatte sich hochrot verfärbt. Hass brannte in seinen Augen. Er würde sie töten, egal um welchen Preis. Schwarze Flammen erschienen in seinen Händen. Reflexartig griff Aurelia nach ihrer eigenen Magie und musste entsetzt feststellen, dass sie sich kaum regeneriert hatte. Mit vor Schreck geweiteten Augen, starrte sie den Nekromanten an. Dieser schien zu erraten, was in ihr vorging und grinste breit. Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck zu purem Erstaunen und dann zu blankem Entsetzen, als er auf seine Brust hinunter starrte. Eine silbrig glänzende Klinge ragte aus seinem Brustkorb hervor. Ein gurgelnder Laut entrang sich seiner Kehle, dann brach er tot zusammen.

      Hinter der Leiche ragte der General auf. Mit unlesbarer Miene fixierte er sie aus seinen grünen Augen. Er wischte sein Schwert an der Kleidung des toten Nekromanten sauber und schob es zurück in die Scheide. Gemäßigten Schrittes kam er auf sie zu. Kurz vor ihr blieb er stehen und reichte ihr seine behandschuhte Hand. „Komm mit.“

      Sie starrte ihn an. Das sollte wohl ein Witz sein. „Warum sollte ich?“

      „Weil ich dich sonst dazu zwingen werde.“

      „Versuch es doch“, fauchte sie und kam auf die Beine. Herausfordernd hob sie ihren Dolch. „Wieso hast du deinen Kameraden getötet?“

      Er musterte ihr Gesicht und blieb ihr eine Antwort schuldig. „Loyalität wird heutzutage wohl nicht mehr groß geschrieben?“, sagte sie abfällig.

      Ein freudloses Lachen entfuhr ihm. „Loyalität. Was hat sie noch für einen Wert?“

      Verdutzt legte sie den Kopf schief und trat einen Schritt zurück. Er beobachtete ihre Bewegungen. „Versuche es erst gar nicht. Du kannst mich nicht töten. Niemand vermag das.“

      Sie verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. „Und dieses Märchen soll ich dir glauben?“

      „Glaube, was du willst. Aber du wirst nun mitkommen.“

      „Das werde ich nicht.“ Aurelia machte auf dem Absatz kehrt und spurtete los. Sie war nur wenige Schritte weit gekommen, als er sie an ihrem Mantel packte und zu Boden warf. Die Kordel spannte sich über ihrer Kehle und raubte ihr die Luft. Sein Gesicht erschien über ihr und er packte sie an den Handgelenken. Mit Schwung warf sie die Beine in die Höhe und schlang sie um seinen Hals. Durch eine Drehung ihrer Hüfte warf sie ihn auf den Rücken. Sie tastete nach dem Dolch, fand ihn aber nicht. Der General packte sie am Kragen, wälzte sich herum und riss sie mit sich, sodass sie unter ihm zum Liegen kam. Er hatte ihre Beine zwischen die seinen geklemmt und fixierte ihre Arme an den Handgelenken am Boden.

      Sie spuckte ihm ins Gesicht. Keine Reaktion. Nur dieser unergründliche Blick. Ihre Finger tasteten über den Boden und fanden etwas Hartes. Mit einem Ruck riss sie ein Knie hoch und traf ihn an einer empfindlichen Stelle zwischen den Beinen. In sein Gesicht trat ein überraschter Ausdruck und für eine Sekunde lockerte er den Griff um ihre Handgelenke. Blitzschnell griff Aurelia zu und knallte ihm einen Stein gegen die Schläfe. Sein Kopf flog zur Seite, doch es spritzte kein Blut. Immerhin verschaffte es ihr die Gelegenheit, sich unter ihm hervor zu wälzen. Mit einem Satz war sie wieder auf den Beinen. Aus dem Augenwinkel sah sie etwas im Sonnenlicht funkeln. Es war der Dolch. Ohne lange zu zögern, stürzte sie hinüber und hob ihn auf.

      Der General hatte sich inzwischen ebenfalls aufgerappelt. Gelassen sah er ihr entgegen, breitete die Arme aus und stand einfach nur da.

      „Na, los! Trau dich! Töte mich!“, rief er ihr auffordernd zu.

      Diese Einladung ließ sie sich nicht entgehen. Mit wenigen Schritten war sie bei ihm und zog ihm den Dolch vom Nabel aus quer über die Brust. Stofffetzen flogen zu allen Seiten, doch seine Haut blieb unberührt. Dann schmetterte er seine Faust gegen ihren Kopf. Benommen landete sie auf dem Boden. „Verdammt. Warum bist du nicht tot!?“ Ihre Worte waren wenig mehr als ein Flüstern.

      Er packte ihre Haare und zog sie auf die Beine. Mit einem schnellen Handgriff hatte er ihr die Arme auf den Rücken verdreht und zog so fest daran, dass es in ihren Gelenken schmerzte.

      „Schön. Der unsterbliche Schoßhund des Königs hat gewonnen. Ich hoffe, du freust dich.“ Ihre Stimme hätte Stahl durchtrennen können.

      „Ich mache das hier nicht aus freien Stücken“, erwiderte er trocken und stieß sie vorwärts.

      „Das soll ich dir glauben? So ein Leben als unsterblicher Lakai ist bestimmt die wahre Wonne. Hast du dich freiwillig gemeldet? Bestimmt hast du das! Du warst wahrscheinlich einer von diesen elenden Speichel leckenden...“

      Er riss ihren Kopf an den Haaren zurück und zwang sie ihn anzusehen. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt.

      „Pass auf, was du sagst“, zischte er. „Ich wurde verflucht. Für etwas, dass ich nicht begangen habe. Ich hasse seitdem jeden einzelnen verdammten Tag auf dieser Erde. Du hast keine Vorstellung, wie das ist. Nicht essen zu müssen, nicht schlafen zu müssen. Zu wissen, dass du eine Ewigkeit in Knechtschaft zu fristen hast!“ Er ließ ihre Haare los und stieß sie wieder vorwärts. „Vielleicht kann meine Seele sterben. Dieser Körper kann es jedenfalls nicht.“

      Seine Reaktion hatte sie überrascht. Verstohlen warf sie ihm einen Blick über die Schulter zu. Er hatte wieder diese unlesbare Maske aufgesetzt. Ein Fluch also. Davon hatte sie bisher noch nie gehört. Scheinbar lagen die Dinge am Hofe des Königs deutlich mehr im Argen, als man vermuten mochte.

      Während er sie durch den Wald trieb, versuchte sie noch einige Male ihr Glück mit einer Flucht, doch es stellte sich als zwecklos heraus. Nachdem sie beim dritten Versuch einen heftigen Schlag ins Kreuz einstecken musste, gab sie ihre Bemühungen schließlich auf. Ihre Magie erholte sich langsam, doch sie verwarf den Gedanken auf einen Einsatz. Wahrscheinlich hätte dies auch keinen Effekt.

      Kapitel 3

      Tock! Tock! Mit einem dumpfen Geräusch landeten die Dolche in der Brust der Holzpuppe. Das Tageslicht fiel schräg durch die schmalen Fenster und malte helle Flecken auf den Boden. Gedämpft drangen die Geräusche von oberhalb des Gebäudes zu Constantin hinunter. Nach den Ereignissen der vergangenen Nacht schien alles seinen gewohnten Gang zu gehen, doch wer genau hinhörte, konnte das aufgeregte Flüstern in den Gängen vernehmen. Die allgegenwärtige Spannung war nahezu greifbar und es machte ihn wahnsinnig. Tock! Der nächste Dolch traf sein Ziel und die Spitze bohrte sich tief in das Holz. Seine Gedanken drehten sich im Kreis und schienen kein Halten zu kennen. Alles war so verwirrend! Die ganze Nacht über hatte er keinen Schlaf gefunden und sich rastlos im Bett hin und her gewälzt. Nur mit Mühe hatte er sich davon abhalten können, ein Pferd zu satteln und Aurelia hinterher zu reiten. Wie konnte der Meister sie so einfach ziehen lassen? Verfolgt von einer Gruppe Inquestoren!

      Wütend schleuderte er einen weiteren Dolch gegen die Puppe. Es knallte und in einer kleinen Explosion entlud das Metall Constantins gespeicherte magische Energie. Die Puppe fiel krachend zu Boden. Das Holz an der Einstichstelle hatte sich schwarz verfärbt und rauchte stark.

      „Verdammt!“ Constantin raufte sich die Haare. Das würde Ärger geben.

      Er ging zu der Puppe hinüber und begutachtete den entstandenen Schaden.

      „Was soll ich nur mit dir machen?“ Die Stimme ließ Constantin herumfahren. Meister Albion stand in der Tür und stützte sich auf seinen Stab.

      Constantin lachte verlegen und stellte die Trainingspuppe wieder auf. Dann ließ er den Kopf hängen. „Ich bitte um Verzeihung.“

      Meister Albion lachte herzlich und betrat den Raum.

      „Ach, Constantin.“ Er winkte ihn heran und bedeutete ihm, sich zu setzen.

      Constantin griff einen Hocker und stellte ihn für den


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