Raban und Röiven Rückkehr dunkler Zauberer. Norbert Wibben

Raban und Röiven Rückkehr dunkler Zauberer - Norbert Wibben


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einige Zeit der Ruhe benötigten. Dafür sind sie jetzt ausgeruht und können sich sicher besser konzentrieren. Ihre Suche ist mit klarem Verstand aussichtsreicher, als wenn sie schlaftrunken vor einem Computerbildschirm sitzen oder in einer Zeitung etwas suchen. Mit halb geschlossenen oder immer wieder zufallenden Augen könnten wichtige Details übersehen werden.

      Die beiden haben etwa fünf Stunden geschlafen. Das ist doch nicht so viel, wie der Junge zuerst befürchtet. Rabans Eltern sitzen noch am Frühstückstisch und begrüßen ihren Sohn und den schwarzen Vogel.

      »Wie sieht es aus? Gehst du heute zur Schule, oder soll ich dich erneut krankmelden?« Ciana schaut ihren Sohn abwartend an.

      »Das liegt doch auf der Hand«, entgegnet Brendan. »Röiven ist hier und nicht bei seiner Familie. Also haben sie die entführte Zoe und das Nest mit den Eiern noch nicht gefunden.«

      »Das ist leider wahr, Mom und Dad. Wir haben keine Spur, wo wir suchen müssen.«

      »Vielleicht können wir euch raten. Erzähle doch mal, was ihr herausgefunden habt.«

      Bisher wussten die Eltern nur von dem Verschwinden. Darum beginnt Raban nun, ihnen alle Einzelheiten darzulegen. Er zeigt auch eine Zeichnung der Spuren an dem Ast oberhalb des Nestes.

      »Diese Spuren erinnern mich an … hm. Ich habe sie schon mal gesehen. Wo war das nur?« Rabans Vater grübelt lange. Dann erhellen sich seine Gesichtszüge und er beginnt: »Das hat tatsächlich etwas mit Bäumen zu tun. – Ach, jetzt ist es wieder weg. Wartet mal … Doch, ich weiß es. Im letzten Frühjahr haben wir ein Gartenfestival bei einem Herrenhaus besucht. Dort gab es eine Darbietung von Leuten, die in Bäumen kletterten. Sie zeigten, wie man derart ausgerüstet, bis in große Höhen alter Bäume gelangen kann, um deren Pflege durchzuführen. Befestigt waren die Seile mit Metallkrallen, die zu den obersten Ästen des Baumes hinaufgeworfen wurden. Sicher gibt es unterschiedliche Krallen, die dafür genutzt werden können, doch alle müssten ähnliche Spuren hinterlassen, wenn sie an einem Ast abrutschen, oder wenn sie anschließend wieder entfernt werden. – Was meint ihr, könnte ich damit richtig liegen?«

      »Ich glaube schon«, bestätigt Raban. »Mich erinnerten die Spuren auch an etwas. Das ist es gewesen. – Aber warum sollte …? Ja klar. Nicht um den Baum zu pflegen, sondern um das Nest zu stehlen!«

      »Ist das gut?«, fragt der Rabe aufgeregt seinen Freund. Das bekommen die Eltern natürlich nicht mit, weshalb sie ihren Sohn erstaunt anblicken, als dieser laut antwortet:

      »Ob das gut ist, kann ich nicht sagen. Es bedeutet aber, das Nest wurde nicht mit Zauberei entfernt. Es wurde von Menschen gestohlen.«

      Der Vater greift nun zur Zeitung, die er zur Seite gelegt hatte.

      »Ich habe vorhin etwas gelesen, was dazu passen und vielleicht ein Hinweis sein könnte. Ich habe es gleich – so, hier ist es.« Zufrieden faltet er das Papier derart, dass er den Artikel vorlesen kann, ohne die Zeitung mit ausgebreiteten Armen halten zu müssen.

      »Es ist ein Inserat und überschrieben mit:

      Nehme Raben in Pflege

      Gut ausgestattete Tierpension bietet kostenlose Pflege von Raben. Nachdem im vergangenen Jahr fast sämtliche Kolkraben in unserem Land einer immer noch unbekannten Seuche zum Opfer gefallen sind, ist es wichtig, aktiv an dem Wiedererstarken ihrer Population zu arbeiten. Wir bieten die besten Möglichkeiten dazu, da unsere Ausrüstung größtem wissenschaftlichen Standard genügt. Falls verlassene Vogelnester beobachtet werden, zögern sie nicht, uns den Fundort der Nester mit den Jungvögeln mitzuteilen. Wir, Die Rabenfreunde eV, kümmern uns um diese armen Kreaturen.

      Es folgt noch eine Telefonnummer zur Kontaktaufnahme, ein Ort wird aber nicht genannt.«

      Brendan lässt kurz das Blatt sinken und schaut die anderen an.

      »Was meint ihr, kann das mit den Spuren zusammenhängen?« Bevor Raban und seine Mutter antworten können, hebt er die Hand. »Einen Moment. Ich muss etwas überprüfen. Es gab in der vorigen Woche doch ein ähnliches Inserat.«

      Brendan steht auf und sucht in einem Karton unter der Anrichte im Altpapier. Er brummelt etwas und kommt dann mit drei Exemplaren zurück. Erneut blättert er in diesen Zeitungen, während sein Kopf sich bewegt, um die verschiedenen Artikel schnellstmöglich zu erfassen. Gespannt warten alle am Tisch.

      »Ja. Wusste ich es doch. Hört zu:

      Private Vogelaufzucht

      Wir, eine junge Forschungseinrichtung, wollen der Vogelseuche nachspüren, die im vergangenen Jahr vielen Raben in unserem Land zum Verhängnis wurde. Erfreulicherweise beginnen die verbliebenen Rabenpaare bereits mit dem Nestbau.

      Wir zahlen Höchstpreise für die Mitteilung, wo Rabennester zu finden sind. Wir halten sie anschließend unter permanenter Kontrolle, damit die Eier sicher ausgebrütet werden können. Die Küken werden wissenschaftlich untersucht und deren Wachstum begleitet.

      Damit die Vögel beste Voraussetzungen für die Zukunft haben, werden sie in Einzelfällen den Nestern entnommen, um deren artgerechte Aufzucht sicherzustellen.

      Es folgt noch die Bezeichnung Junge Wissenschaftler eV und eine Telefonnummer zur Kontaktaufnahme, mehr nicht. Hm – ich vergleiche mal die Nummern, diese hier ähnelt der ersten doch sehr. – Was? Sie sind sogar gleich!«

      »Das bedeutet, dass es jemanden gibt, der ein großes Interesse an Kolkraben hat, an Eiern und Küken«, vermutet Raban. »Aber warum?«

      »Ja, warum?«, krächzt Röiven. »Und was bedeutet permanente Begleitung und wissenschaftlich untersucht?« Das Gekrächze ist für die Eltern des Jungen unverständlich, aber sie können sich die Frage anhand der Antwort zusammenreimen.

      »Das bedeutet, dass die Eier und Küken unter der Aufsicht von entsprechend geschulten Menschen ausgebrütet werden und anschließend aufwachsen.« An seinen Vater gewendet, fährt der Junge fort: »Das könnte zu den Spuren passen. Das Nest und die Eier wurden von jemandem geraubt, der sie an die private Vogelaufzucht verkauft haben wird. Geld ist ein Anreiz, der viele dazu verleiten kann, Derartiges zu tun.«

      »Ich glaube, du hast Recht«, bestätigt seine Mutter, während der Vater dazu nickt.

      »Das Nest kann sogar von diesen Wissenschaftlern geraubt worden sein, wenn es denn tatsächlich welche sind. Der Artikel klingt so schwammig, dass ich vermute, sie wollen nur die Standorte von Nestern erfahren.«

      »Wie bekommen wir heraus, wo diese Tierpension oder die private Aufzucht zu finden sind? Das einfachste ist, dort anzurufen. Aber vielleicht werden sie so gewarnt, falls sie etwas gesetzeswidriges tun?« Raban blickt zweifelnd zu seinem Vater.

      »Das ist vielleicht einfacher, als du meinst. Ich rufe dort an und nenne einen falschen Namen. Dann gebe ich vor, ein Nest entdeckt zu haben, aus dem ich die Eier holen werde. Ich habe das Nest angeblich schon länger beobachtet und die Vogeleltern sind bereits seit mehreren Stunden nicht zurückgekehrt. Wenn ich nicht schnell reagiere, könnten die Eier auskühlen. Danach will ich die Eier zu der Adresse bringen, die sie mir dann sicher nennen werden.«

      »Das ist eine gute Idee. Sie werden einem Erwachsenen auch eher glauben, als einem Jungen«, bestätigt Raban.

      Aufgeregt folgt er seinem Dad in den Flur, wo dieser den Telefonhörer ergreift und wie angekündigt verfährt.

      Das Gespräch dauert nicht lange. Es gelingt offensichtlich nicht so einfach, wie gedacht. Enttäuscht legt der Mann auf.

      »Und?«, fragt Raban.

      »Das hat nicht funktioniert. Der Mann bestand darauf, das Nest bei mir abzuholen. Ich sollte es einfach in meiner Wohnung warmhalten. Seine Adresse wollte er mir nicht nennen, da es immer wieder Gegner entsprechender Forschungseinrichtungen gibt, die alles


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