Raban und Röiven Rückkehr dunkler Zauberer. Norbert Wibben

Raban und Röiven Rückkehr dunkler Zauberer - Norbert Wibben


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für Tiermedizin in der Hauptstadt Erfreuliches. Besonders im Norden des Landes haben mehrere Paare dieser Vögel Nester gebaut und mit der Brut begonnen.

      Auch wenn diese Vogelart nicht in der internationalen Roten Liste der IUCN (Weltnaturschutzunion) aufgeführt wird, musste sie für unser Land in die Gefährdungskategorie 1 (vom Aussterben bedroht) eingestuft werden. Professor Ansaepluma wertet die Beobachtungen positiv. Er hofft, die Kolkraben in einigen Jahren wieder von der Liste nehmen zu können. Er fordert alle auf, beim Schutz dieser Tierart zu helfen. Sie dürfen keinesfalls beim Brüten gestört werden!«

      Der Junge schüttelt den Kopf, legt die Blätter ordentlich zusammen und berichtet enttäuscht: »Leider bin ich nicht schlauer geworden. Die Ereignisse im Land sehen völlig normal aus. Hm.«

      »Dann haben wir also jetzt unsere Zeit unnötig vertan! Wir müssen Zoe und die Kinder suchen. Komm, lass uns sofort aufbrechen!«, fordert der schwarze Vogel drängend.

      »Das können wir gerne machen, wenn du mir sagst, WOHIN.«

      »Wie, wohin? Wir müssen überall suchen.«

      »Einverstanden. Und wo fangen wir an?«

      »Wo wohl? Also, das ist doch klar. Wir beginnen … Ja, nun … hm. – Kannst du mir einen Rat geben? Minerva hat deine Klugheit doch immer so gelobt. Hast du keine Idee?«

      Die Stimme des Kolkraben knarzt mittlerweile recht niedergeschlagen. Er sieht ein, blindes Losrennen, besser gesagt: Losfliegen, macht keinen Sinn.

      »Das ist es ja«, bestätigt der Junge diese Gedanken des Vogels. Wir müssen logisch vorgehen, um erfolgreich sein zu können. Die möglichen Verursacher für die Entführung Zoes haben wir eingekreist. Das müssen vermutlich Fithich mit Zauberkräften gewesen sein, oder … Ja –, das wäre auch noch eine Möglichkeit. Es gibt Menschen, die Vogelnester ausnehmen, um die Eier zu sammeln oder an Sammler zu verkaufen. – Hm. Weil im letzten Jahr so viele Fithich getötet worden sind, könnten eure Eier jetzt wertvoll sein.«

      »Was sagst du? Es gibt Menschen, die einfach unsere Eier klauen, um sie zu sammeln. Aber die ungeschlüpften Fithichkinder sterben dann doch!«

      »Ja, leider gibt es solche Typen. Aber ich glaube, dies können wir auch bei unseren Überlegungen ausklammern.«

      »Warum?«

      »Die hätten natürlich keinen Grund, das Nest mitzunehmen. Außerdem wäre Zoe dann noch dort, wenn sie die Nesträuber nicht verfolgt hätte.«

      »Puh, du hattest mir gerade einen Schrecken eingejagt. Ja, was sollten die wohl mit einem Nest, auch wenn ihre Bezeichnung das vermuten lässt: Nesträuber.«

      »Das heißt nur so, weil sie ein Nest ausrauben. – Aber lass uns weiter überlegen. Ein Zauberer könnte das auch gemacht haben. Der Grund wäre dann vermutlich Rache. – Aber es gibt doch außer mir keine weiteren Zauberer unter den Menschen. Elfen mit Zauberkräften würden so was keinesfalls machen. Aber woher sollte ein Zauberer wissen, wo er deine Partnerin und deine Kinder finden kann. Und mir fällt kein Grund ein, warum er sie zusammen mit dem Nest entführt haben sollte. – Wir drehen uns im Kreis und eine Erklärung für die Kratzspuren habe ich immer noch nicht.«

      »Was können wir dann tun? Irgendwo müssen wir doch anfangen zu suchen. Auch wenn das nicht so erfolgversprechend sein mag, nur herumsitzen kann ich nicht.« Röiven flattert auf und will davon fliegen, als Raban ihn aufhält:

      »Warte! Du hast mich auf eine Idee gebracht.«

      »Eine Idee? Sag schon, ja, sag schnell!«, fordert der Vogel aufgeregt.

      »Als du vorhin sagtest, Minerva hat meine Klugheit zu Recht gelobt, machte es Klick.«

      »Was bedeutet, »es machte Klick«?« Der Rabe sitzt wieder auf der Rückenlehne der Bank und blickt den Jungen mit schräg gehaltenem Kopf an. Seine Augendeckel klappen aufgeregt.

      »Das ist so eine Redewendung. Es bedeutet: das hat mich auf eine Idee gebracht. Ich will sagen, du hast Minerva erwähnt. Was meinst du, sollten wir diese Eule um Rat fragen?«

      Einen Moment herrscht Stille. Der Rabe und der Junge bewegen sich nicht, sondern blicken sich nur an.

      »Jepp! Minerva hatte Recht, du …«

      Hier unterbricht Raban seinen Freund schnell:

      »Das lass weg. Dein »Jepp« bedeutet also, du stimmst mir zu?«

      »Jepp oder Jo oder Klaro oder …«

      »Röiven!«

      »Ja. Du hast Recht. Diese alte Eule, was jetzt kein Schimpfwort sein soll, kennt viele Geheimnisse. Vielleicht kann sie mir helfen, Zoe und die Kinder ...« Hier verstummt der Rabe schlagartig. Das kurzzeitige Aufflackern seiner früher üblichen Ausgelassenheit ist bei dem Namen seiner Partnerin schnell verflogen. Seinen Kopf lässt er aber nicht hängen. Er blickt den Jungen fordernd an. Dieser entgegnet sofort:

      »Ja, wir besuchen Minerva umgehend. Ich sage auf dem Weg in mein Zimmer nur kurz Mom Bescheid, dann kann es losgehen.«

      Der Junge erkennt den Baum wieder, unter dem er bei seinem ersten Kontakt zu Minerva stand. Es ist eine uralte Eiche. Ihre knorrigen Äste überspannen einen großen Bereich und strecken sich hoch in den Himmel hinauf. Der Frühling hat aber noch keine Blätter getrieben. Das dauert hier im Norden auch wohl noch einige Zeit.

      Raban schaut sich suchend um. Wo mag die Schleiereule sein. Der schmale Eingang der Höhle am Fuß des Berghangs wirkt unbenutzt. Sollte die Eule tagsüber dort drinnen sein? Das könnte er aber nicht an irgendwelchen Zeichen erkennen. Die Schleiereule würde fliegen und sicher keine Spur auf dem Boden hinterlassen, zumal dort Felsgestein unter Geröll hervorschaut.

      »Hallo Minerva, wo versteckst du dich?«, knarzt Röivens Stimme. Als keine Antwort erfolgt, ruft er erneut: »Minerva! Wir benötigen deinen Rat! Es ist dringend! Bitte zeig dich!«

      Doch tiefe Stille umgibt sie.

      »Ob sie erzürnt ist, weil wir ihren Tagesschlaf stören?«, fragt der Junge seinen Freund. »Vielleicht ist sie ja auch auf der Jagd nach einer Maus oder sonstigem Kleingetier?«

      »Eigentlich achtet Minerva sehr auf ihr Äußeres. Am hellen Tag etwas essen, ist sicher nicht gut für ihre Figur. Das setzt an. Als Eule ist sie ja nachtaktiv und sollte jetzt eigentlich schlafen. Wenn wir lauter rufen, wacht sie vielleicht auf.«

      »Das ist nicht nötig«, vernehmen beide die Stimme der Schleiereule. »Ihr habt einen Radau gemacht, der sicher Tote aufwecken könnte.« Kurz darauf sehen sie, wie die Schleiereule lautlos aus der Höhle angesegelt kommt. In ihrer Nähe ändert sich ihre Flugbahn. Sie landet auf dem großen Ast, der sich etwas über Rabans Kopf befindet. Die dunklen Augen der Eule blicken sie starr an.

      »Hallo Minerva«, wird sie vom Raben und dem Jungen begrüßt.

      »Hallo. Ups. Jetzt hätte ich beinahe »Jungs« gesagt. Das stimmt ja nur noch zum Teil. Meinen Glückwunsch, Röiven. Ich habe gehört, dass du eine Partnerin erwählt hast, mit der du ein Nest gebaut haben sollst. Du wirst also bald Vater sein.«

      Der Rabe schluckt hörbar, dann platzt es aus ihm heraus:

      »Das hatten Zoe und ich jedenfalls vor. Aber jetzt ist sie mit unseren Kindern verschwunden! Ich kann sie nirgends finden!«

      »Was sagst du? Die Kinder können doch noch gar nicht geschlüpft sein.«

      »Nein. Das sind sie auch nicht. Aber sie sind trotzdem verschwunden. Sie und Zoe … sind einfach weg! Kannst du mir einen Rat geben, wo ich sie suchen sollte? Welcher von uns Fithich kann zaubern und ist in der Lage, eine derartige Schandtat zu begehen? Könnten es vielleicht einige von dem Lumpenpack,


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