Raban und Röiven Rückkehr dunkler Zauberer. Norbert Wibben

Raban und Röiven Rückkehr dunkler Zauberer - Norbert Wibben


Скачать книгу
Sinn hat, Elfrun ist bereits sehr alt. Sie hat sich vermutlich verausgabt, als sie Solveig helfen wollte, aber versuchen solltest du es natürlich.«

      Raban hält seine Hände über den Körper der Rabendame und spricht: »Beatha.« Nichts geschieht. Noch einmal fordert er: »Beatha!« Wieder nichts. Sollte er den Spruch falsch nutzen?

      »BEATHA! BEATHA! BEATHA!« schallt sein Ruf laut durch den Raum. Und jetzt bemerkt der Junge eine Reaktion. Er spürt ein leichtes Kribbeln an seinen Handflächen. Dann beginnt ein kaum sichtbares Licht von seinen Händen zu dem Kolkraben zu fließen. Das golden schimmernde Gleißen wird immer stärker.

      Die kleine Brust des Vogels beginnt sich etwas stärker zu heben und zu senken, wie der Junge nach kurzer Zeit erfreut sieht. Raban beobachtet das helle Licht noch eine kurze Zeit, bevor er das Übertragen von Lebensenergie unterbricht.

      Er beugt sich hinab und horcht nach dem Herzschlag. Dieser klingt für ihn nicht normal. Das Herz schlägt unregelmäßig und sehr flach.

      Raban weiß, dass er sonst nichts für Elfrun machen kann. Obwohl der Herzschlag nicht ermutigend klingt, hofft er dennoch auf die Genesung des Vogels.

      »Danke!«, knarzt sein Freund.

      »Ich danke … dir auch … für den … Versuch«, ist die schwache Stimme Elfruns zu vernehmen, die kurz ihre Augen öffnet. »Aber, Röiven, sei … nicht traurig, … ich werde … nicht mehr lange … leben.« Ihre Stimme klingt gehetzt, obwohl sie sehr langsam spricht. Röiven hebt seinen Kopf und blickt in das geliebte Antlitz seiner Großmutter, die ihre Augen wieder ermattet schließt.

      »Großmutter. Du musst wieder gesund werden. Ich, … wir werden dich pflegen und erneut Lebensenergie auf dich übertragen.« Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: »Ich werde bald Vater werden. Zoe brütet bereits vier Eier aus. – Du musst doch deine Urenkel kennenlernen, … sie sollen dich kennenlernen!«

      Obwohl das sicher nicht möglich ist, scheint ein Lächeln über Elfruns Gesicht zu huschen.

      »Das freut … mich für … dich! … Wirk…lich!« Die Rabendame versucht jetzt ihren Kopf unter einen Flügel zu schieben, doch dann schläft sie bereits ein, ohne die seit vielen Jahren gewohnte Stellung einzunehmen.

      »Wir sollten ihr jetzt Ruhe gönnen. Das ist das Beste, was wir für sie tun können«, fordert Sorcha die beiden Freunde auf.

      Der Junge betrachtet nun Solveig. Sie scheint ohne Schmerzen gestorben zu sein. Ein feines Lächeln ist auf ihren Zügen zu erkennen. Raban erinnert sich an die Unterhaltungen mit ihr. Sie war immer sehr freundlich, hatte aber auch Phasen, in denen sich ihr zunehmendes Alter zeigte. Sie wiederholte sich oft und Müdigkeit ließ sie mitten in der Unterhaltung einschlafen. Raban freut sich, dass der Tod offenbar so leicht zu ihr gekommen ist. Zaghaft streicht er über ihre Stirn, auf der das Sonnensymbol bereits verblasst.

      Der Rabe bleibt auf der Armlehne bei seiner Großmutter, um über sie zu wachen. Die Elfe und der Junge begeben sich jetzt zu einer anderen Sitzgruppe und setzen sich. Obwohl sich Sorcha und der Junge leise unterhalten, vernimmt der Rabe alles.

      »Woher weißt du, dass Solveig meine Mutter ist? Du bist doch noch viel zu jung, um das zu wissen.«

      »Ähem. Ich bin in deinen Augen sicher sehr jung, aber ich habe von den Ereignissen vor über 100 Jahren gelesen, in der Geschichte über Eila. Als ich jetzt deinen Namen hörte und deine große Ähnlichkeit mit Solveig hinzunahm, konntest du nur ihre Tochter sein. – Aber, verzeih, woher kennst du meinen Namen?«

      »Wenn du über die Ereignisse von vor 100 Jahren gelesen hast, weißt du vermutlich, dass wir Elfen fast ständig untereinander gedanklich in Verbindung stehen. Die Wächter am Eingang zu unserem Wald haben mir euer Kommen mitgeteilt. Darum kenne ich auch deinen Namen.«

      »Entschuldigung«, stottert Raban. »Ich möchte nicht unhöflich sein, aber bist du nicht schon sehr alt? Du wirkst aber überhaupt nicht so alt«, fügt er schnell hinzu.

      »Ist schon gut. Ich bin mit meinem Alter nicht empfindlich. – Du erinnerst dich durch das Buch sicher daran, dass Elfen wesentlich älter als Menschen werden. Mit meinen 135 Jahren bin ich für eine Elfe zwar nicht mehr jung, habe aber noch viele Jahre vor mir.«

      Nach einer Pause erklärt Sorcha dann die Ereignisse der Nacht.

      Solveig hatte Elfrun und sie gegen Ende der Nacht herbeigerufen, da sie merkte, dass ihr Ende naht. Elfrun hat dann durch Übertragen von Lebensenergie versucht, ihre Freundin zu retten, was ihr aber nicht gelang. Der Versuch forderte seinen Tribut bei dem alten Raben, der sich zu sehr verausgabt hatte. Sorcha kann nicht Zaubern und somit auch nicht mittels magischem Sprung reisen. Als sie den Ruf ihrer Mutter vernahm, musste sie somit den magischen Verbindungsweg von ihrem Aufenthaltsort in den geheimen Wald nutzen. Als sie endlich hier ankam, stellte sie den Tod ihrer Mutter fest. Sie konnte nur mit Mühe die noch fließende Lebensenergie von Elfrun zu Solveig unterbrechen. Die Rabendame war mittlerweile schon bewusstlos und wäre in Kürze gestorben.

      »Ich danke dir«, krächzt Röiven von seinem Platz herüber.

      »Das habe ich gerne gemacht, auch wenn ich lieber etwas früher hier gewesen wäre. Vielleicht ginge es ihr dann nicht so schlecht.«

      »Ähem, Röiven«, spricht Raban plötzlich zu seinem Freund.

      »Ja. Was gibt es?«

      »Kann ich dich kurz alleine lassen. Ich habe meine Eltern nicht informiert. Die werden sich bestimmt wundern, wo ich geblieben bin.«

      »Na klar. Ich bleibe hier bei Großmutter. Wir können jetzt nur warten.«

      »Dann bis nachher.«

      Die Luft flirrt und Raban ist wieder Zuhause.

      Raban stürmt sofort aus seinem Zimmer und die Treppe hinunter. Er findet seine Mutter in der Küche.

      »Hallo Mom. Ich hoffe, ihr habt euch keine Sorgen gemacht!«

      »Guten Morgen Raban. Ich habe mir Sorgen gemacht. Dein Vater hat mich aber zu beruhigen gewusst. Du wüsstest schon auf dich aufzupassen. Wenn du so plötzlich verschwunden bist, sagte er, muss das dringend gewesen sein, sonst hättest du uns doch vorher informiert. Das hat sicher etwas mit deinem Freund, dem Raben zu tun. So meinte er jedenfalls.«

      »Und er hat Recht damit«, erwidert der Junge. Er setzt sich an den Tisch und frühstückt hastig, wobei er seiner Mutter von den Ereignissen berichtet.

      »Mom. Meldest du mich in der Schule krank? Ich möchte meinem Freund zur Seite stehen. Ich glaube nicht, dass seine Großmutter ihre Schwäche überleben wird. Und Röiven braucht dann einen Freund an seiner Seite. Sobald er meine Hilfe nicht mehr benötigt, werde ich zurückkommen. – Keine Angst. Diesmal gibt es keine Auseinandersetzung mit einem bösen Zauberer. Ich möchte einem wirklich guten Freund nur seelischen Beistand leisten!« Er blickt seine Mutter bittend an, die nach kurzer Zeit lächelnd die Erlaubnis erteilt.

      »Du mit deiner Zuneigung zu diesem Vogel. Aber ich freue mich, dass du so mitfühlend bist. Ich werde dich in der Schule auf unbestimmte Zeit entschuldigen. Ich hoffe aber, die Zeit wird nicht zu lang werden. Du könntest zu viel verpassen.«

      »Danke, Mom!« Raban umarmt sie. »Grüße Dad. Ich versuche so schnell wie möglich zurückzukommen. – Oh. Entschuldigung. Jetzt wäre ich fast von hier verschwunden. Das erschreckt dich doch so sehr. Ich werde es von meinem Zimmer aus machen, so wie wir es im letzten Jahr besprochen hatten. Also bis bald.« Der Junge drückt ihr noch schnell einen Kuss auf die Wange, dann flitzt er nach oben in sein Zimmer.

      Ciana hört noch kurz seine Schritte, dann ist es still dort.

      Als Raban wieder bei seinem Freund ist, schläft Elfrun immer noch. Der Brustkorb


Скачать книгу