Raban und Röiven Rückkehr dunkler Zauberer. Norbert Wibben

Raban und Röiven Rückkehr dunkler Zauberer - Norbert Wibben


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gibt es keinen Hinweis.«

      »Nein, den gibt es nicht. Aber wie sollten wir einen derartigen Hinweis bekommen?«

      »Richtig. Das ist das Problem. Das würde sicher nicht in der Zeitung bekannt gegeben werden oder im Radio oder Fernsehen. Hm.«

      »Es ist aber auch egal, ob es möglicherweise eine Bedrohung durch Nachfahren der Dubharan gibt. Wir müssen sofort in den geheimen Wald. Falls es dort einen Angriff gab, werde ich die Eindringlinge vernichten. – Ich werde sie…«

      »Ruhig, mein Freund. Kann Zoe denn alleine die Eier wärmen?«

      »Wir werden sicher nicht lange fort sein. Notfalls kann sie das Brüten einige Tage alleine schaffen.«

      Raban steht mittlerweile schon vor dem Bett.

      »Ich ziehe mich an und dann begleite ich dich.«

      So geschieht es. Raban hat sich schnell angekleidet und den Haselstab in seine rechte Hand genommen. Dann tritt er nach einem kurzen Zögern zu seinem Schreibtisch und entnimmt einer Schublade einen schmalen, bronzenen Armreif, auf dem ein Sonnensymbol zu erkennen ist.

      »Den sollte ich besser mitnehmen«, sagt er und schließt ihn um sein linkes Handgelenk. Raban verspürt den vertrauten Wärmeimpuls, den der Armreif abgibt, wenn er von seinem zugeordneten Auserwählten angelegt wird. Falls es notwendig werden sollte, werden die Zauberkräfte des Jungen durch den Reif um ein Vielfaches verstärkt. Da er nicht weiß, was sie im geheimen Wald erwartet, ist das eine kluge Vorsichtsmaßnahme.

      Raban streckt den linken Arm aus. Sobald sein gefiederter Freund darauf gelandet ist, flirrt die Luft.

      Das Zimmer ist verlassen.

      Raban blickt jetzt in den ihm bekannten, hellen Laubwald. An den Bäumen sind hellgrüne Blätter des Frühjahrs zu sehen. Der Waldboden ist übersät mit Buschwindröschen und Leberblümchen.

      Erwartungsvoll aber auch etwas ängstlich schweifen seine Augen umher, ob er einen der Wächter entdecken kann.

      Ist hier etwas geschehen, was die Wachen vertrieben oder, schlimmer noch, getötet hat? Der Junge ist besorgt und überlegt, ob Röiven mit seiner Vermutung Recht haben könnte. Aber wenn es hier einen Überfall gegeben hätte, müssten doch Spuren zu erkennen sein!

      In diesem Moment lässt ihn ein Rascheln aufschrecken und herumfahren.

      Fünf grün gekleidete, junge, schlanke Elfen treten aus ihrer Deckung hervor. Sie tragen langes, hellblondes Haar und machen strenge Gesichter. Auf ihren Bogensehnen liegen vorsorglich Pfeile, die aber nicht auf den Jungen oder den Vogel gerichtet sind.

      »Ich grüße euch, Raban und Röiven. Ihr seid hier wie immer willkommen!«, spricht der Mittlere von ihnen sie an.

      »Ich grüße euch«, antwortet der Junge.

      »Gab es hier einen Überfall durch die Dubharan?«, will der Rabe knarzend wissen.

      »Überfall?« und »Dubharan?«, klingen die erstaunten Antworten. »Nein. Hier ist alles ruhig. Aber Solveig, die Oberste von uns Elfen hier im geheimen Wald, ist heute Nacht gestorben«, ist die traurige Stimme von einem der Elfen zu vernehmen.

      »Das tut uns leid«, bekräftigen die beiden Ankömmlinge ihre Anteilnahme.

      »Deshalb sind wir unter anderem auch gekommen. Elfrun hat uns informiert«, fügt Raban hinzu.

      »Wisst ihr, wie es meiner Großmutter geht?«, fragt der Rabe aufgeregt.

      »Das wissen wir nicht. Sie bereitet vermutlich die Bestattung von Solveig vor. Sie waren sehr befreundet.«

      Der Vogel bedankt sich kurz, dann flirrt die Luft.

      Die beiden stehen jetzt unter der Linde, wo sie sich im letzten Sommer oft mit Elfrun getroffen und beraten haben.

      Doch der Baum steht verlassen.

      Es ist wie immer angenehm warm im geheimen Wald, wie an einem sonnigen Frühlingstag. Trotzdem scheint der Rabe zu frösteln. Er schüttelt sich und blickt zur Elfenfestung Serengard hinüber, die von hier aus gut zu sehen ist.

      »Dorthin!«, bestätigt der Junge die unausgesprochene Frage seines Freundes.

      Sofort flirrt die Luft wieder, und sie stehen in einem kleinen Vorraum vor einer Tür, die mit Runen verziert ist. Raban klopft an. Als die entsprechende Aufforderung von innen erklingt, öffnet der Junge die Tür und tritt ein. Sie befinden sich jetzt in der Bibliothek, in der sie oft mit Solveig gesprochen haben. Der Rabe hüstelt und knarzt leise:

      »Ich grüße dich Solveig, du Oberste der Elfen.«

      »Was soll das denn? Solveig ist doch tot!«, flüstert der Junge erstaunt.

      Bevor Röiven aber eine Antwort geben kann, erklingt eine Stimme von dort, wo Solveig am liebsten ihre Zeit in einem der Sessel vor dem Kamin verbracht hat.

      »Tretet ein, Röiven und Raban!«

      Die Stimme ähnelt der Solveigs sehr, doch die Elfe, die jetzt auf sie zukommt ist natürlich nicht Solveig. Sie hat eine große, schlanke Gestalt, mit langen, blonden Haaren, das aber nicht mit einem goldenen, sondern mit einem geflochtenen, grünen Band um den Kopf fixiert ist. Das von einem dunkelgrünen Band umgürtete Gewand ist weiß und reicht bis zu den Knien hinab. Ihr Gesicht wirkt stolz und unnahbar, aber auch traurig.

      »Ich sehe, Röiven ist der Brauch bekannt, beim Eintreten in einen Raum den Bewohner zu grüßen, auch wenn dieser bereits gestorben ist. – Mein Name ist Sorcha.«

      »Sei gegrüßt, Sorcha«, krächzt der Rabe.

      »Ich grüße dich, Sorcha«, erwidert auch Raban. »Es tut mir leid, dass deine Mutter gestorben ist.«

      Erstaunt blickt ihn die große Elfe an, doch sie erwidert nichts. Sie wendet sich statt dessen an den Raben: »Und jetzt zu dir, Röiven. Du suchst Elfrun, deine Großmutter. Sie ist hier bei Solveig.«

      Während dieser Worte hat Sorcha sie aufgefordert, mit zu den Sesseln vor dem Kamin zu kommen.

      »Großm…“, ruft Röiven. Doch als er sie erblickt, bricht er erschrocken ab.

      »Was ist passiert …?«, fragt Raban, der auf den Vogel hinunterblickt, der im Schoß von Solveig liegt, die scheinbar schlafend in dem Sessel sitzt.

      Der Kolkrabe hebt matt beide Augendeckel. Trübe Augen blicken in die von Röiven, der sich auf einer Armlehne niedergelassen hat.

      »Röiven«, keucht Elfrun. »Mein geliebter Enkel.«

      Mühsam hebt sich ihr Brustkorb. Sie röchelt kurz und fährt dann leise fort: »Es ist … schön, dass … du gekommen … bist.« Erneut röchelt die alte Rabendame. »Danke … für … deine … Liebe. … Ich … … wer…de … immer … bei dir sein.«

      »Großmutter…!«, schluchzt der Rabe auf, während unaufhörlich Tränen über seinen Schnabel rollen und auf die Sitzfläche des Sessels tropfen.

      Der Junge streicht seinem Freund über den Rücken und kann es kaum fassen. Er weiß, Elfrun hat für einen Kolkraben ein sehr hohes Alter erreicht, trotzdem versteht er seinen Freund. Sie hat ihn erzogen und war in seinem Leben die wichtigste Bezugsperson, da die Eltern früh gestorben sind.

      Raban schaut die Elfe fragend an, die auf der anderen Seite des Sessels steht und Solveigs Hände streichelt.

      »Was ist passiert? Kann ich helfen? – Ich könnte Lebensenergie auf Elfrun übertragen!«

      Erstaunt blickt Sorcha ihn an.

      »Du könntest was?«

      »Ich


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