Im Zeichen des Ares. Andreas Parsberg
verloren.“
„Oh ja, ich habe mächtigen Hunger! Was machst du zwischenzeitlich?“
„Ich werde in die Innenstadt fahren und uns ein i-Pad kaufen. Wir sollten schnellstmöglich mit der Recherche und unserer Suche nach diesem Ares und seinem Schwert beginnen.“
„Woher hast du eigentlich das Geld, um das alles zu bezahlen?“
„Obox-ob.“
„Was ist mit ihm?“
„Er hat mir gezeigt, wo ich das Geld finde“, erklärte Selma.
„Man kann in Athen Geld finden?“, hakte Karim verblüfft nach.
„Obox-ob sagte, man kann überall Geld finden, wenn man nur weiß, wo es versteckt ist. Er führte mich zu zwei Orten, wo Geld verloren wurde. Dieses nahm ich mir.“
„Ist das kein Diebstahl?“
„Keine Ahnung. Aber wir brauchen dringend das Geld, daher sollten wir nicht so kleinlich sein. Jemand hat es verloren, und ich habe es eben gefunden.“
„Aber ...“
„Kein Aber! Wir müssen das Hotelzimmer bezahlen, wir brauchen etwas zum Essen, ein Handy und ein i-Pad. Wie sollte das alles finanziert werden?“
„Äh ... ich ...“
„Ach, hör doch auf. Wie hättest du ohne dieses Geld mit Faizah telefonieren können? Alles kostet Geld!“
„Schon gut.“
„Jetzt iss etwas und ruf bei Vater an!“
2
Selma verließ das Hotel und bestieg einen roten Kleinwagen.
Sie hatte vor zwei Tagen das Auto von dem gefundenen Geld erworben. Bisher hatte sie Karim verschwiegen, dass sie einen eigenen Wagen besaßen. Außerdem durfte der Bruder nicht wissen, dass sie mit ihren fünfzehn Jahren bereits ein Auto steuerte, aber sie hatte dies in den Jahren des Bürgerkrieges bereits frühzeitig erlernt.
Ob Karim jedoch verstehen würde, dass sie hier in Athen ohne Führerschein fuhr, bezweifelte sie. Aber für Selma war es wichtig. Sie hatte das Gefühl, dass diese Unabhängigkeit noch von großer Bedeutung sein würde.
Als sie den Kleinwagen vom Hotelparkplatz rollen ließ, war es bereits dunkel. Rasch reihte Selma das rote Auto in den fließenden Verkehr ein. Sie war in den Athener Berufsverkehr geraten und würde länger bis an ihr Ziel brauchen, als es geplant war.
Sie beschloss, die stark befahrenen Hauptstraßen zu verlassen. Das Navigationsgerät, das sie gestern erworben hatte, würde sie sicher durch Athen führen.
An der nächsten Kreuzung bog sie links ab. Schon nach kurzer Zeit flaute der Verkehr deutlich ab. Sie lenkte den Kleinwagen durch eine ruhige Wohngegend. Hier waren nur noch sehr wenige Fahrzeuge unterwegs.
Aus diesem Grund bemerkte Selma auch den Wagen, der ihr folgte!
Anfangs dachte sie sich nichts dabei und schenkte ihm auch kaum Beachtung. Als sie nach fast zehn Minuten noch immer dasselbe Scheinwerferpaar im Rückspiegel sah, wurde sie misstrauisch. Sie fuhr schneller, begann kreuz und quer durch die Siedlungen zu kurven.
Der andere Wagen ließ sich nicht abschütteln. Wohl fiel er gelegentlich etwas weiter zurück, um aber schon in der nächsten Minute wieder aufzuholen. Wie ein glühendes Augenpaar klebten die Lichter des fremden Wagens im Innenspiegel ihres Autos.
Jetzt bestanden keine Zweifel mehr. Sie wurde verfolgt!
Wer konnte das sein? Wer wusste von ihrer Anwesenheit in Athen?
Polizei konnte es nicht sein, die hätten längst die Sirene eingeschaltet und Selma gestoppt. Wollte ihr jemand nur Angst einjagen?
Wie dem auch war – Selma nahm sich vor, dem anderen zu zeigen, wie ein syrisches Mädchen Auto fahren kann.
Ihr Fuß drückte das Gaspedal tiefer. Der Motor heulte auf. Augenblicklich vergrößerte sich der Abstand zwischen den beiden Autos. Die Reifen kreischten, als Selma den Kleinwagen um die nächste Ecke jagte.
Ein kurzer Griff – und die Scheinwerfer ihres Wagens verloschen. Eine Grundstückseinfahrt tauchte linkerhand auf. Selma lenkte das Auto ein Stück den daran anschließenden Weg hinauf und stellte die Zündung ab, noch bevor der Verfolger in die Straße einbog.
Es klappte, wie sie es sich vorgestellt hatte.
Der andere Wagen fuhr vorbei, ohne sie zu bemerken. Sie konnte gerade noch erkennen, dass es sich um einen schwarzen Geländewagen handelte. Sie vermutete einen Audi Q5 oder VW Touareg. Um das Gesicht des Fahrers zu erkennen, reichten weder die Zeit noch die Lichtverhältnisse aus.
Sie verzichtete auf die Scheinwerfer, als sie den Kleinwagen zurücksetzte und in die andere Richtung fuhr. Kein weiteres Fahrzeug war zu sehen. Erst einige Straßen weiter wagte sie es, das Licht einzuschalten.
Immer wieder warf sie nervöse Blicke in den Rückspiegel. Doch der andere Wagen schien ihre Spur verloren zu haben. Nachdem die Verfolgung ausgestanden war, betrachtete sie die Angelegenheit um einiges nüchterner.
Irgendein Mann konnte sie bei einem Ampelstopp gesehen haben. Sie hatte ihm gefallen und er wollte wissen, wer die fremde junge Schönheit war. Deshalb war er ihr nachgefahren. Und nun hatte er das Spielchen aufgegeben. Das wäre eine Erklärung gewesen.
Selma versuchte, sie zu akzeptieren. Völlig überzeugt war sie jedoch nicht.
Das Navigationsgerät führte sie ohne weitere Umstände zu einem Elektrogeschäft, der Apple-Produkte führte. Sie entschied sich für ein i-Pad Air 2 in weißer Farbe. Der Verkäufer half bei der Einrichtung und der Internetverbindung.
Zurück im Hotel, fand sie Karim schlafend auf dem Bett wieder. Er hatte einiges gegessen, wie Selma erkannte. Sie räumte die Taschen zur Seite, deckte den Bruder zu und löschte das Licht.
Sie selbst bewohnte das Zimmer direkt neben dem von Karim. Durch eine direkte Verbindungstür betrat sie ihr Hotelzimmer.
Selma nahm eine kleine Flasche Mineralwasser aus der Minibar und trat hinaus auf den kleinen Balkon. Sie genoss die Ruhe des nächtlichen Athen.
Ihr Blick wanderte nach unten. Der Vorplatz des Hotels lag im kalten Schein zahlreicher Straßenlaternen. Auch die Straße wurde vom Licht erfasst.
Ebenso wie der schwarze Geländewagen!
Als wäre das Geländer plötzlich glühend heiß geworden, stieß Selma sich davon ab. Die Wasserflasche rutschte ihr aus den Fingern und zersprang auf den Bodenfliesen.
Jetzt kam das Kämpferherz des Mädchens hervor!
Sie hatte in den Jahren des Bürgerkrieges gelernt, dass man immer mutig vorangehen musste.
Sie öffnete den Kleiderschrank, kramte aus der Tasche ihre Pistole hervor und schob sie in den Hosenbund. Dann zog sie eine Jacke an und verließ das Hotelzimmer. Der Lift bewegte sich für ihren Geschmack viel zu langsam. Ihr schmales Kinn hatte sie angriffslustig vorgeschoben, die Hände zu Fäusten geballt. Zorn ließ ihre Augen blitzen.
Natürlich konnte sie sich geirrt haben. Das Hotelzimmer lag im fünften Stockwerk. Trotzdem schloss Selma einen Irrtum aus. Da unten stand der Geländewagen, der ihr vorhin gefolgt war.
Sie wollte jetzt wissen, wer ihn lenkte. Das Spiel würde sein Ende finden. Hier und heute!
Dass sie sich mit ihrem Vorhaben möglicherweise in Gefahr brachte, bedachte sie keine Sekunde lang. Sie hatte in Syrien und bei der gefährlichen Flucht durch die Türkei schon brenzligere Situationen überstanden.
Endlich kam der Lift im Erdgeschoss an. Die Türhälften glitten auseinander. Selma hetzte durch die Hotellobby hinaus auf die Straße. Mit großen Schritten näherte sie sich der Stelle, an welcher der schwarze Geländewagen geparkt