Die Pferdelords 08 - Das Volk der Lederschwingen. Michael Schenk
was Garwin im Schilde führte. Statt aus dem grünen Tuch des
Pferdevolkes war sie aus rotem Stoff gefertigt und zeigte das springende
weiße Pferd und das Sonnensymbol. Die Fahne war der des ersten Königs des
Pferdevolkes nachempfunden, und Garwin hatte die Absicht, sie eines Tages
in der Königshalle der Hauptstadt Enderonas aufzustellen. Dann, wenn die
anderen Pferdefürsten die Knie vor ihm beugen oder tot sein würden.
Erst als Garwin den anderen zunickte, setzten sie sich ebenfalls. »Nun
denn, was gibt es zu berichten? Wurden neue Männer angeworben?«
»In diesem Mond ganze sieben.« Peragram lächelte zufrieden. »Die
meisten sind nur unzufriedene Bauern, aber es sind auch zwei gute
Pferdelords darunter.«
»Schwertmänner?«, fragte Garwin interessiert.
»Bedauerlicherweise nein«, räumte der Scharführer ein. »Die sind einfach
zu sehr den Traditionen verbunden und stehen treu zu ihren Pferdefürsten. Es
mag den einen oder anderen geben, der sich uns anschließen würde, aber das
Risiko, sich ihnen zu offenbaren, ist recht hoch.«
»Noch müssen wir im Verborgenen bleiben«, stimmte der Herr der
geheimen Mark zu. »Aber das wird sich ändern. Schön, sieben neue Männer,
das ist nicht schlecht. Es ist besser, unsere Streitmacht wächst langsam und
besteht aus verlässlichen Männern, als dass wir uns einen Flugstecher ins Fell
setzen. Denkt daran, jeder Neue muss sorgfältig befragt werden. Wenn die
Pferdefürsten in Erfahrung bringen, was wir planen, dann werden sie nicht
zögern, mit aller Macht gegen uns vorzugehen.«
»Keine Sorge, Hoher Lord. Wenn ich Zweifel an der Verlässlichkeit einer
Person habe, wird sie sofort beseitigt.«
»Gut.« Garwin sah Hendahl an. »Und Ihr, Hendahl? Was habt Ihr zu
berichten?«
»Unsere Augen und Ohren sind in fast jeder Stadt der Mark und auch in
den Grenzprovinzen des Reiches Alnoa. Was wir nicht selbst in Erfahrung
bringen, hören wir von anderen. Manche Zunge wird durch die goldenen
Schüsselchen gelöst.«
»In der Tat.« Garwin lächelte erneut, und diesmal wirkte es, als bleckte ein
Raubtier sein Gebiss. »Sagt, mein Freund, was machen unsere eigenen
Schüsselchen?«
»Sie nachzumachen ist eigentlich kein Problem.« Hendahl leckte sich
nervös über die Lippen. »Nachdem wir die Hämmer mit dem Siegel des
Königs von Alnoa angefertigt hatten, brauchten wir sie ja nur in entsprechend
große Goldscheiben zu schlagen. Unsere Schüsselchen lassen sich nicht von
denen des Königs unterscheiden, allerdings ist das Gold sehr knapp. Wie Ihr
wisst, haben wir hier keine Goldvorkommen, und wir können nicht in den
anderen Marken schürfen, das würde auffallen. Wir brauchen aber ziemlich
viele Schüsselchen, um unsere Augen und Ohren zu belohnen.«
»Dann beschafft das notwendige Gold. Der Plunder muss sich ja auftreiben
lassen.«
Peragram räusperte sich. »Fürs Erste haben wir genug. Ich habe einen
Wagen mit Plattengold abgefangen.«
»Ihr habt was?« Garwin beugte sich vor. »Ihr habt einen Handelswagen
überfallen?«
»Wir brauchten Gold«, brummte Peragram. »Keine Sorge, Hoher Lord, es
gab keine Spuren. Wir haben die Leichen des Händlers und seiner beiden
Gehilfen mitgenommen und am Waldrand verscharrt. Den Wagen können wir
selbst gut gebrauchen.«
»Verdammt, Peragram, was fällt Euch ein? Auch wenn man die Toten
nicht findet, wird man den Händler doch vermissen. Die Streifscharen der
Pferdelords sind ohnehin schon aufgescheucht, weil immer wieder Menschen
und Waren verschwinden. Wir müssen uns bedeckt halten, und wenn Ihr
schon einen Händler massakriert, dann wenigstens nicht direkt vor unserer
Haustür.«
»Haltet Ihr mich für einen Narren, Hoher Lord?« Peragram errötete ein
wenig. »Der Wagen war auf der Straße südlich von Merdonan unterwegs.«
»Gut.« Garwin sah den Scharführer verstimmt an. »Aber solche Abenteuer
unternehmt Ihr ab jetzt nur noch mit meiner ausdrücklichen Zustimmung.
Jeder Raub macht die Streifen nur nervöser.«
Hendahl sah Peragram auffordernd an. »Ihr solltet es ihm jetzt wirklich
sagen.«
Garwins Blick zuckte zwischen beiden hin und her. »Was soll er mir
sagen?«
Peragram schürzte die Lippen. »Zwei Reiter kamen hinzu, gerade als wir
den Händler schlachteten. Natürlich mussten wir sie auch erledigen.«
»Was für Reiter? Pferdelords?«
»Gepanzerte«, knurrte Peragram. »Gardisten aus dem Reich Alnoa.«
»Gardisten aus Alnoa? Hier in der Ostmark?« Garwin erhob sich erregt.
»Was haben die hier oben verloren, so fernab von ihren Provinzen?«
Peragram grinste kalt. »Sie kamen nicht dazu, es uns zu sagen. Aber sie
gehörten wohl zu einem Beritt, der auf dem Weg nach Merdonan war.«
»Ich hoffe, Ihr habt sie ebenfalls verschwinden lassen«, fauchte Garwin. Er
atmete einige Male tief durch. »Gardisten in der Ostmark«, murmelte er
nachdenklich. »Ein ganzer Beritt, sagtet Ihr? Ich möchte zu gern wissen, was
dahintersteckt.«
»Sie wollen wohl Pferde erwerben.« Peragram zuckte die Schultern.
»Jedenfalls treibt man dort eine Menge Pferde zusammen. Von vier- oder
fünftausend Tieren ist die Rede.«
»Unsinn.« Garwin strich sich über das Kinn. »Dafür schickt man keinen
Gardeberitt, sondern einen Händler und ein paar Treiber.« Er sah Hendahl an.
»Na schön, wir haben Augen und Ohren in Merdonan, nicht wahr, mein guter
Hendahl?«