Lykanta. Oliver Speier

Lykanta - Oliver Speier


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heute ist mir schleierhaft, wie Männer sagen, sie müssen bald mal pinkeln, um dann noch zwei Stunden sitzen zu bleiben und dabei gemütlich ein Bierchen zu trinken, oder noch eben die zweite Halbzeit des Fußballspiels zu schauen.

      Der Weg wurde nun von den Lichtern der Stadt etwas erleuchtet und meine Angst ließ spürbar nach. Ich wurde langsamer und blieb unschlüssig stehen. Die Toiletten auf dem Bahnhof würden mich nicht noch einmal sehen. Der Dreck und Gestank beim meinem letzten Besuch in diesen hatte mir gereicht. Zudem hatte der Druck in meiner Blase einen Punkt erreicht, der mich zum Handeln zwang. Mit einem leisen Fluch auf den Lippen drehte ich mich im Kreis und versuchte in der Dunkelheit eine Stelle neben dem Weg zu entdecken, an der ich mich erleichtern konnte.

      Als ich so stand, stieg mir ein stechender Geruch in die Nase. Ich konnte ihn nicht direkt einordnen, aber er erinnerte mich stark an die Raubtierkäfige im Zoo. Ich versuchte mir gerade einzureden, dass ich dumme Nudel mich hier im Dunkeln selbst verrückt machte, als aus einem Gebüsch keine zwanzig Schritte entfernt ein dumpfes Knurren erklang. Mein Puls stieg auf geschätzte zweihundert und ich begann leicht zu hyperventilieren. Wie festgewachsen blieb ich auf der Stelle stehen und starrte gebannt in die Richtung des Geräusches, konnte im schlechten Licht jedoch kaum etwas erkennen. Langsam glitt ein mächtiger Umriss aus dem Gebüsch. Zuerst dachte ich es wäre ein Mensch, doch die Proportionen passten nicht wirklich. Zwar stand die Gestalt auf zwei Beinen, diese waren jedoch in die falsche Richtung abgeknickt und ihr Umfang hätte wohl manchen Bodybuilder vor Neid erblassen lassen. Der Brustkorb stand dem in nichts nach und auch wenn die Gestalt nach vorne gebeugt war, wirkte sie ungemein bullig und kraftvoll. Ein Hals war nicht zu erkennen, wohl aber der langgezogene Kopf, von dem sich Spitze Ohren erhoben. Das alles hätte wohl schon gereicht um mir klar zu machen, dass ich keinem Menschen gegenüber stand. Was mich jedoch am meisten überzeugte waren die Augen die zu glühen schienen. Das zottige Fell welches überall Abstand, konnte ich im schlechten Licht nur erahnen.

      In Actionromanen würde die Heldin jetzt wohl ihre Waffe ziehen oder ihre geheimen Kampfkünste aktivieren. Das einzige was sich bei mir aktivierte, war meine Blase. Während ich geschockt auf das Monstrum vor mir blickte, spürte ich wie die Nässe meine Beine hinunterlief.

      Dann machte ich endlich was jeder normale Mensch in dieser Situation machen würde, ich schrie wie am Spieß!

      Keine Ahnung ob es mein Geschrei oder der stechende Geruch meines Urins war, auf jeden Fall veranlasste etwas den Werwolf sich auf mich zu stürzen. Tja, die Filmstudios Hollywoods hatten die Viecher recht gut getroffen, was mich wenigstens nicht doof sterben ließ. Sein Brüllen durchdrang die Nacht und wurde durch einen hohen Schrei hinter meinem Rücken beantwortet.

      Dann ging alles drunter und drüber. Irgend etwas traf mich von hinten, mit der Gewalt einer Dampfwalze und ich wurde nach vorne geschleudert. Der Wolf ignorierte mich und katapultierte sich über mich hinweg, wobei eines seiner Beine mich mitten im Gesicht traf. Ich wurde wieder nach hinten gerissen und spürte wie mir Blut aus der Nase schoss. Mein Versuch mit den Händen den Sturz abzufangen scheiterte kläglich und ich schlug unsanft im Dreck auf. Die Luft wurde mir aus den Lungen gepresst und mein Körper fühlte sich an als wären sämtliche Knochen gebrochen. Ein donnernder Knall ertönte aus der Richtung in die der Werwolf gesprungen war, gefolgt von seinem lauten Aufbrüllen.

      Dieses Brüllen reichte aus, um mich förmlich hochschnellen zu lassen. Panisch versuchte ich auf die Beine zu kommen, trat dabei jedoch auf meine Handtasche, die mir noch immer um die Schulter hing. Dies brachte mich erneut zu Fall. Unsanft fiel ich auf meine Knie und verlor dabei auch noch einen meiner Schuhe. Der Lärm hinter mir nahm immer weiter zu und ich begann auf allen Vieren davon zu krabbeln. Erneut erklang dieses Donnern hinter mir, welches ich jetzt eindeutig mit dem Abfeuern einer Waffe in Verbindung brachte. Mit einem Aufheulen warf ich mich wieder in den Dreck, schloss meine Augen, bedeckte meinen Kopf mit den Armen und versuchte mich so klein wie möglich zu machen.

      Ja, schon klar, dieses Verhalten ist wohl absoluter Blödsinn, aber erklären sie so was mal ihrem Körper, wenn es soweit ist.

      Das Keuchen, Knurren und Aufstöhnen in meiner Nähe klang beängstigend und plötzlich mischte sich ein reißendes Geräusch darunter, begleitet von einem hohen weiblichen Schrei, dem der Schmerz deutlich anzuhören war. Irgend etwas schlug dumpf neben mir auf und ich zuckte zusammen, hielt die Augen jedoch weiterhin geschlossen. Der Schrei brach ab und ging in ein gequältes Aufstöhnen über.

      Oh mein Gott, da wurde eben eine Frau von diesem Monstrum zerfleischt und statt irgend etwas zu tun, lag ich hier wimmernd herum. Ich war fast am Durchdrehen und mein Körper zitterte so sehr, dass ich kaum Kontrolle über ihn hatte. Erneut erklang dieses reißende Geräusch und diesmal vermeinte ich auch noch Knochen brechen zu hören. Das Stöhnen wechselte zu einem schrillen Schrei und nahm um einiges an Lautstärke zu.

      Dieser Schrei brachte mich dazu, die Augen zu öffnen.

      Das erste was ich sah, war die rauchende Mündung einer Waffe. Mit einem Aufschrei fuhr ich hoch, um zu erkennen, dass da eine Pistole neben mir im Dreck lag. Im selben Moment wurde mir bewusst, dass es eben diese gewesen sein musste, welche vorhin das dumpfe Geräusch verursacht hatte. Ohne groß nachzudenken, griff ich nach ihr und drehte mich in Richtung der Kampfgeräusche. Mir bot sich ein Bild des Grauens.

      Der Werwolf kauerte über der Frau, hatte sich in Schulter oder Hals seines Opfers verbissen und versuchte eben mit ruckartigen Bewegungen ein Stück aus ihr herauszureißen. Die Frau hatte die Hände am Maul der Bestie und versuchte erfolglos dieses aufzustemmen. Das Biest hingegen schlug mit seinen Klauen immer wieder auf ihren Körper ein. Ich konnte nicht begreifen wie sie überhaupt noch zu einer Reaktion fähig war.

      Dann wurde es hell und ein ohrenbetäubender Knall übertönte alle Geräusche um mich herum. Die Waffe in meiner Hand bockte wütend in die Höhe und ein stechender Schmerz zuckte meinen Arm empor. Ohne das ich überhaupt richtig begriff was ich da tat, gab ich Schuss um Schuss ab.

      Ich sah nichts mehr außer dem Mündungsfeuer der Waffe und das Knallen der Schüsse drohte mein Trommelfell zum Platzen zu bringen. Lichtblitz folgte auf Lichtblitz, bis plötzlich alles wieder in völlige Dunkelheit versank. Mich umwehte eine dicke Rauchwolke und es stank wie an Silvester. Immer wieder krümmte sich mein Finger um den Abzug, ehe mir klar wurde, dass die Waffe leer geschossen war. Dies wurde zudem durch ein nervenaufreibendes Klicken unterstrichen.

      Panisch starrte ich in die Düsternis vor mir, konnte jedoch kaum etwas erkennen. Ich rechnete damit, jeden Augenblick dieses Monster auf mich stürzen zu sehen, um mich wie sein erstes Opfer zu zerreißen.

      " Du kannst aufhören. Er ist weg! " Erklang es aus der Kampfecke. Langsam begann sich die Kontur der Frau auf meiner vom Mündungsfeuer verblitzten Netzhaut abzuzeichnen. Sie begann sich mühsam aufzurichten und sogar mit dem wenigen Licht um uns herum, sah ich, dass sie übel zugerichtet war. Eine Schulter hing ein ganzes Stück tiefer als die andere, was auf einen Bruch oder schlimmeres hindeutete. Kleidungsfetzen hingen an Armen und Oberkörper herunter. Sie kam taumelnd auf die Beine und machte ein paar Schritte auf mich zu. Die Hand mit der Pistole zuckte in ihre Richtung, was sie zum Innehalten bewegte. Schuldbewusst senkte ich die Waffe und ohne Vorwarnung begann mein Körper erneut krampfhaft zu zittern. Tränen liefen über meine Wangen und als ich zu reden begann, klang meine Stimme schrill und zittrig." Oh mein Gott, wo ist er hin? "

      Die Frau setzte sich wieder in Bewegung und kam neben mir zum Stehen. Aufstöhnend ließ sie sich auf die Knie sinken. Als ich die Wunden jetzt aus der Nähe sah wurde mir schlecht. Eine riesige Wunde klaffte in der Schulter. Aus dem Oberkörper waren ganze Stücke der Kleidung und Haut herausgerissen, ich meinte sogar eine Rippe weiß und glänzend hervorschimmern zu sehen.

      " Der wird sich in seinen Bau zurückziehen und seine Wunden lecken. Du hast ihn mindestens mit zwei oder drei Kugeln erwischt ", antwortete sie mit schmerzverzerrtem Gesicht.

      " Sie sind verletzt, ich ruf einen Arzt! ", kam es dümmlich über meine Lippen und ich wendete meinen Blick von ihr ab, weil ich befürchtete beim Anblick der Wunden ohnmächtig zu werden. Hektisch suchte ich nach meiner Handtasche, da mein Handy in ihr lag. Sie legte mir ihre Hand an die Schulter und drehte mich langsam, aber bestimmt wieder in ihre Richtung.


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