Lykanta. Oliver Speier
Ansatzlos richtete er sich auf. Mit einem Wink gab er uns zu verstehen, dass wir entlassen waren. " Sorge dafür, dass sie ein Zimmer bekommt! ", sagte er in Cassandras Richtung als er davon Schritt. Seine Begleiter wollten ihm folgen, doch er hob die Hand. " Bertram, du und Albrecht beseitigt erst mal die Sauerei hier, solange ich mich nochmal frisch mache! ", dabei deutete er auf meine Pfütze. Als mir Cassandra aufhalf, nahm ich aus den Augenwinkeln die Blicke wahr die mir Bertram und Albrecht zuwarfen. Umgehend war mir klar, hier keine Freunde gewonnen zu haben.
Cassandra zog mich eilig durch eine Tür. Kaum hatte sich diese hinter uns geschlossen, fuhr sie zu mir herum und drückte mich gegen die Wand. " Was sollte das eben, willst du dich umbringen, oder was? Ich hab dir doch gesagt, du sollst den Mund halten! "
Kurz stieg das ungewohnte Verlangen in mir hoch sie weg zu stoßen und ihr gehörig die Meinung zu sagen. Hatte ich etwa Schuld an dem Ganzen? Wenn diese Idioten sich nicht so aufgeführt hätten, wäre es ja wohl kaum zu dieser Situation gekommen. Dann schaltete sich jedoch mein Verstand ein. Mir war klar, dass es nichts brachte, Streit mit der einzigen Person anzufangen, die sich mir gegenüber freundlich gezeigt hatte. Meine Schultern sackten nach unten und ich antwortete leise. " Sorry, das war dumm von mir. "
Kaum war der Satz draußen, entspannte sich Cassandra sichtlich. Sie ließ mich los, trat einen Schritt zurück und schaute mich ernst an, ehe sie mir zuflüsterte. " Du hast dich da eben mit dem mächtigsten Vampir hier in der Region angelegt. Er und sein Clan belegen wichtige Positionen weltweit. Wenn er dich tot sehen will, bist du erledigt! ", sie hob eine Augenbraue " Zudem, hast du jetzt deinen Spitznamen weg! Gewöhne dich besser daran, Lykanta genannt zu werden, denn Neuigkeiten verbreiten sich bei uns sehr schnell. "
Ich zuckte die Schultern. Mir war klar, dass ein „richtiger“ Vampir durch den Namen wohl sehr beleidigt sein würde, aber mich störte er nicht weiter. Meine Reaktion auf den Namen schien sie aufzuheitern, denn ein Grinsen erschien auf ihrem Gesicht, als sie mich beim Arm nahm und hinter sich her zog. " Na komm du Schussel, jetzt suchen wir erst mal ein Zimmer für dich. "
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Mit diesen Worten zog sie mich den Gang entlang. Wir liefen ein gutes Stück und kreuzten mehrere Flure voller Türen. Schließlich stoppte Cassandra vor einer Tür und klopfte an. Als diese sich öffnete, erschien ein blasses, jugendliches Männergesicht. Der Flaum auf der Oberlippe hatte noch einen weiten Weg vor sich, um als Bart durchzugehen. Dem Kerl fielen fast die Augen aus dem Kopf als er Cassandra erblickte und er versuchte sich in einer ungeschickten Verbeugung, während er die Tür ganz aufriss. Seine Stimme klang so nervös wie sein ganzes Auftreten, als er zu sprechen begann. " Mistress Cassandra, was verschafft mir die Ehre eures Besuchs? "
Er blieb in gebückter Haltung stehen, den Blick fest auf den Boden gerichtet. Bei seinen gestelzten Worten fragte ich mich, ob Cassandra eine hohe Position bei den Vampiren innehatte. Sein Benehmen deutete stark darauf hin. Ich beschloss jedoch, mir vorerst keine Gedanken darüber zu machen. Statt dessen warf ich einen heimlichen Blick in sein Zimmer. Was ich davon sah, wirkte recht gemütlich, wenn auch die typische Unordentlichkeit eines Männerhaushaltes ersichtlich war. Die Möbel waren wahllos zusammen gewürfelt und es lagen allerhand Dinge auf Tischen und Möbeln herum. Er schien gelesen zu haben, denn ein Buch lag aufgeschlagen auf dem Bett und ein Glas mit, ich schluckte, Blut oder Rotwein stand auf dem Nachtkästchen. Eine Leselampe tauchte den Raum in behagliches Licht.
" Guten Abend Stefan. ", erwiderte Cassandra freundlich." Ich brauche ein Zimmer für, äh, Lykanta und dachte mir, du könntest uns sicher weiterhelfen. "
Bei meinem Namen hatte er kurz den Blick erhoben und mich erstaunt angeschaut, war jedoch sofort in seine demütige Haltung zurück gewechselt. Kaum hatte Cassandra ihren Satz beendet, kam Leben in ihn. Er griff nach einem dicken Schlüsselbund neben der Tür und trat zu uns auf den Gang. Dabei wollte er uns wohl nicht zu nahe kommen und Versuchte sich, der Wand entlang, an uns vorbei zu quetschen. Schuldbewusst machte ich einen Schritt nach hinten, um ihm Platz zu machen, Cassandra blickte mich daraufhin spöttisch an.
Als er vor uns im Gang stand, machte er nochmals einen Diener, ehe er sich umdrehte und vorauseilte. Dabei sprach er in eifrigem Tonfall. " Folgen sie mir meine Damen, ich habe da ein sehr schönes Zimmer, welches letzte Woche frei geworden ist, genau richtig für eine Lady. " Seine Worte machten mir mein Aussehen erneut bewusst. Mein derzeitiger Zustand ließ mich wohl eher wie eine abgetakelte Straßenhure dastehen. Momentan war mir jedes Zimmer recht, Hauptsache ich kam aus den Klamotten raus und konnte mich frisch machen.
Er bog in einen Nebengang ab und ich beschleunigte meine Schritte um nicht den Anschluss zu verlieren. Als ich um die Ecke bog, wäre ich fast in ihn hinein gelaufen. Nur ein Zurückweichen seinerseits, verhinderte es. Er stammelte eine Entschuldigung und auch mir rutschte ein " Huch sorry! ", heraus. Daraufhin blickte er mir zum ersten Mal direkt ins Gesicht und ich bemerkte einen erstaunten Ausdruck in seinem. Er senkte den Blick und machte sich ohne Worte mit dem Schlüssel an der Tür zu schaffen. Nach dem Öffnen trat er ein und machte eine einladende Handbewegung. Vor mir lag ein kurzer Gang mit zwei weiteren Türen. Eine war geschlossen, doch die andere stand weit offen und gab den Blick auf ein kahles Zimmer frei. Ein altes Bett und ein nicht minder alter Schrank, waren das erste, was ich zu sehen bekam. Beim Betreten des Zimmers entdeckte ich ein Fenster mit schäbigen Vorhängen, vor dem ein kleiner Tisch samt Klappstuhl stand.
Stefan bemerkte wohl mein Erstaunen beim Anblick des Fensters. Mit ausholender Bewegung deutete er um sich.
" Schon klar, das alles macht jetzt keinen tollen Eindruck, aber die Wohnung ist groß und hat ein eigenes Bad samt Toilette. Man kann sich hier bestimmt sehr gemütlich einrichten und durch das Fenster hat man die Möglichkeit frische Luft ins Zimmer zu lassen. "
Hier hob ich eine Hand und fragte irritiert. " Ach, und was mach ich tagsüber, zu Staub zerfallen? "
Verdattert blickte er zuerst mich, dann Cassandra an, die hinter mir stand. Diese meinte schmunzelnd. " Du zerfällst nicht zu Staub in der Sonne! Sie ist zwar nicht gut für uns, aber solange du darauf achtest, nicht lange in ihr zu verweilen, geht das ganz gut. Besorge dir jedoch eine gute Sonnenbrille, denn deine Augen sind jetzt schon sehr empfindlich, was Sonnenlicht betrifft. "
Fragend blickte ich zu ihr. " Empfindlich? " Sie nickte. " Klar, wie hättest du dich sonst bei der Herfahrt, mitten in der Nacht, im Spiegel betrachten können, wenn deine Augen sich nicht schon verändert hätten. "
Sprachlos starrte ich die beiden an. Cassandra lächelte und drehte sich zu Stefan. " Ich denke sie nimmt das Zimmer. Besorge ihr bitte Sachen, damit sie sich frisch machen kann. Ich muss jetzt erst mal nach mir selber schauen. " Damit war für sie wohl alles geregelt, denn sie drehte sich um und verschwand ohne weitere Worte aus dem Zimmer. Wir beide blieben zurück und standen unsicher beieinander. Keiner wusste so recht was er sagen sollte. Es war Stefan, welcher das Schweigen brach. " Das Bad ist gleich nebenan. Ich bringe dir Handtücher und einen Bademantel, dann kannst du dich frisch machen. "
Ich lächelte ihn dankbar an, ehe mir meine Zahnlücke einfiel. Schnell klappte ich den Mund zu, doch es war schon zu spät. Ihm schien die Sache genauso peinlich zu sein, denn sein Blick huschte zur Seite. " Mach dir keine Gedanken deswegen, in ein paar Tagen sind alle neuen Zähne da, dann ist das Schlimmste überstanden. "
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte und schwieg. Bevor es richtig peinlich wurde, setzte er sich in Bewegung und eilte zur Eingangstür. Dort drehte er sich noch einmal um. " Lege deine Sachen einfach vor die Badezimmertür, ich bring sie zum Reinigen, die Neuen lege ich daneben. ", mit einem kurzen Nicken verabschiedete er sich und zog die Tür hinter sich zu.
Als ich jetzt so alleine im Zimmer stand, wurde mir zum ersten Mal so richtig bewusst, was mir da heute widerfahren war. Eine Panikattacke erfasste mich und ich stürzte ins Bad. Im Gegensatz zum Rest der Wohnung war dieses recht modern hergerichtet. Weiße Fliesen an der Wand und graue am Boden. An einer Wandseite war eine Hängetoilette, daneben ein Waschbecken mit einem großen Spiegel darüber. Auf der anderen Seite stand eine Badewanne und dahinter eine separate Dusche.
Bei ihrem Anblick gab es