Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 02: Die schwarze Prinzessin. M.E. Lee Jonas
dem Moment, als ich das erste Mal auf dich traf, wusste ich, dass du eine außergewöhnliche Persönlichkeit hast! Darania, deine Großmutter, der Hexenrat, sie alle unterschätzen dich. Ich bin mir sicher, dass du tiefe Spuren in der Geschichte Xesthas hinterlassen wirst! Der Elonyk ist übrigens auch ganz aufgeregt. Er sieht eurer Vereinigung schon sehnsüchtig entgegen! Aber das wird noch eine Weile dauern. Erst musst du das Buch schreiben. Hast du dir eigentlich schon überlegt, was danach aus Quwill wird? Ihr Dienst wird dann sicherlich nicht mehr benötigt.«
J.J. zuckt zusammen.
Der Gedanke, dass ein riesiger dunkler Schatten ihren Körper besetzen will, ekelt sie an. Sie schluckt diese abscheuliche Vorstellung hinunter und dreht sich weg.
»Wenn es so weit ist, kann ich mir immer noch Gedanken machen, was mit Quwill geschehen soll. Entschuldige mich jetzt bitte. Wir sehen uns heute Abend im Eggtower!«
Das Mädchen verlässt das Büro und schließt eilig die Tür.
Als sie vor dem Fahrstuhl steht, holt sie tief Luft. Sie muss ständig würgen, da der Gedanke an diese Vereinigung sie nicht loslassen will.
Der Fahrstuhl braucht gefühlte zwei Stunden, bis er endlich im Erdgeschoss anhält. Der Anblick des widerlichen Gluggs im Pförtnerhäuschen gibt J.J. den Rest. Sie rennt aus dem Gebäude und schafft es gerade noch rechtzeitig hinter eine Mauer, als sie es nicht mehr zurückhalten kann und sich übergibt. Erst als sie sich sicher ist, dass sie niemand beobachtet hat, steigt sie auf Rosinante und fliegt hoch in den Norden, an einen ganz bestimmten Ort. Dort will sie ausruhen und ihre Gedanken bändigen.
Als sie den hohen Berg erreicht, springt sie vom Besen und setzt sich unter den Felsvorsprung. Die Lichter des Funnyparks erstrahlen heute in voller Pracht und zaubern wunderschöne Lichtspiele an den Himmel, der sonst immer nur grau ist.
»Ewige Dämmerung, wie ich diesen Zustand hasse.«
Der Freizeitpark scheint gut besucht zu sein. Ab und an trägt ein Windhauch fröhliche Stimmfetzen zu ihr hinauf. Das Mädchen kuschelt sich verträumt in ihre Jacke, schließt die Augen.
»Hallo Linus … Vielleicht kannst du mich ja dort, wo du bist, hören:
Ich habe es getan. Ich bin nach Xestha gegangen und habe mich dem dunklen Phad verpflichtet. Es war leichter, als ich befürchtet habe. Eigentlich kann ich nun tun, was ich will. Niemand stellt mich infrage oder widersetzt sich meinen Wünschen, seien sie auch noch so absurd.
Es ist wie im Märchen. Ich brauche nur mit den Fingern zu schnipsen und schon tanzen alle nach meiner Pfeife. Gut, Darania ist immer noch sehr unterkühlt. Aber ich provoziere sie auch nicht, sondern gebe ihr das Gefühl, gesiegt zu haben. Keine unangenehmen Fragen, keine diplomatischen Antworten.
Aber wie geht es nun weiter?
Dieser ständige Zwang, mich unter Kontrolle zu halten, verbraucht unendlich viel Energie. Die dunklen Verse, die sich unentwegt in mir regen und mich so rastlos machen, schreibe ich auf, damit es mir besser geht. Wie lange wird das aber noch funktionieren?
Cybill hat recht, niemand kennt meine wahren Beweggründe. Mittlerweile bin ich mir manchmal selbst eine Fremde. Seitdem ich in die ewige Dämmerung gezogen bin, ist tief in mir etwas ins Rollen geraten. Täglich entdecke ich neue Dinge an mir, die mich verängstigen.
Zum Beispiel benutze ich Rosinante mittlerweile nur noch zum Fliegen, da sie große Angst vor meiner Magie hat. Das ist ganz furchtbar. Aber ich kann es nicht beeinflussen.
Als ich im Internat bemerkte, dass ich schwarzes Blut habe, war ich verzweifelt, da ich keine von ihnen sein wollte. Nun weiß ich, dass ich anders bin als die anderen dunklen Hexen. Aber das beruhigt mich nicht, da mir niemand erklären kann, wohin das führt. Insgeheim haben doch alle Angst vor der Antwort und flüchten sich deshalb immer in diese Legende. Was am Ende wirklich passiert, weiß niemand. Auch ich nicht.
In den letzten Tagen habe ich aber etwas Wichtiges gelernt:
Macht macht einsam.
Im Grunde hat sich für mich also gar nichts verändert. Es ist alles noch genau so, wie vor meiner Einreise. Mit dem Unterschied, dass ich keine unschuldigen Wesen mehr mit meiner dunklen Magie gefährde. Der Druck in meinem Inneren und diese tiefe Verzweiflung sind geblieben. Ich hoffe, dass ich bald einen Gegenzauber finde.«
Eine Weile beobachtet sie noch versonnen die Lichter und fliegt dann zurück ins Hotel, um sich für das Treffen mit den Rosaryern herzurichten.
Kapitel 6
Zwei seltsame Abgesandte aus Rosaryon
Als sie im Hotel angelangt, steht ein Kleiderständer mit einem Abendkleid vor ihrer Zimmertür. Aufgeregt schiebt sie es in ihr Zimmer und liest den Zettel:
Mit den besten Empfehlungen!
Hexe Strada.
Sie linst kurz unter die Folie und hüpft zufrieden unter die Dusche. Bevor sie sich umzieht, holt sie noch schnell ihr Tagebuch hervor. Verträumt streicht sie über das Foto von Diggler und Lincoln und beginnt, wie jeden Tag ganz genau zu protokollieren, was sie getan hat und wie es ihr in Wirklichkeit geht.
J.J. weiß nicht, was noch auf sie zukommt, aber sie weiß, was alles passieren kann. Deshalb will sie sichergehen, dass ihre wahren Beweggründe nicht verschleiert werden, falls ihr irgendetwas zustößt.
Als es leise an der Tür klopft, trägt sie bereits das schwarze knielange Kleid. Vorsichtig öffnet sie Tür. Auf dem Flur steht ein stattlicher Mann mit großem Zwirbelbart, der sich höflich verbeugt.
»Hexe Jezabel. Ich bin dein Chauffeur. Der Hexenrat wünscht, dass ich dich pünktlich zum Eggtower bringe. Darania möchte nicht, dass du weiterhin zu offiziellen Terminen mit dem Besen anreist. Ich warte vor dem Hoteleingang auf dich.«
J.J. starrt auf den Mann im schwarzen Anzug und stutzt. Noch bevor sie etwas erwidern kann, dreht der Chauffeur sich um und eilt den Gang zurück.
»Sehr unhöflich, dieses Personal. Ich hätte mir meinen Chauffeur auch sehr gern selbst ausgesucht, liebe Darania«, meckert das Mädchen schlecht gelaunt los.
»Tut mir leid, Rosinante, wie du siehst, habe ich heute einen Fahrdienst zugeteilt bekommen. Dann wartest du so lange hier und passt auf unser Zimmer auf.«
Sie streicht dem Besen über das Reisig und holt ihre Tasche, bevor sie das Zimmer verlässt. Nachdenklich fährt sie in das Erdgeschoss. Dieses spontane Treffen ist ihr nicht geheuer.
»Hoffentlich stellen mir diese Abgesandten keine peinlichen Fragen. Ich bete, dass dieses Treffen nichts mit Großmutter zu tun hat«, denkt sie verunsichert.
Als sie die Lobby verlässt und die große Drehtür betritt, stockt sie. Vor dem Eingang steht eine äußerst pompöse, schwarze Stretchlimousine, die von etlichen Schaulustigen umringt wird.
Der komische Chauffeur öffnet umgehend die Hintertür, als er J.J. erblickt. Dabei drängt er die aufdringlichen Wesen beiseite und hilft dem verärgerten Mädchen beim Einsteigen. Genervt lässt sie sich in den bequemen Rücksitz fallen und wartet, dass die Tür sich endlich schließt.
»Ich dachte, dem Hotelier gehen die Schaulustigen auf den Geist. Dann verstehe ich nicht, warum sie mir so ein Geschoss vor die Tür stellen«, denkt sie empört.
Der Innenraum dieses Wagens erinnert sie sowohl von der Größe als von der Einrichtung an die Limousinentasche ihrer Großmutter. Mit dem kleinen Unterschied, dass, außer ihr, kein anderer Fahrgast zugegen ist, was die Größe dieses Wagens schon wieder lächerlich wirken lässt.
Der Wagen erhebt sich und schleppt sich im Schritttempo durch die Verkehrsebene. Das Mädchen sieht aus dem Fenster und knetet nervös ihre Hände. Es macht ihr zu schaffen, dass sie nicht weiß, wer oder was sie erwartet. Sie hat das Schreiben nicht gelesen, obwohl Hexe Cybill es ihr extra auf den Monitor geschickt hat. Den hat das Mädchen in letzter Zeit jedoch überhaupt nicht mehr hochgefahren.
Warum