Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 02: Die schwarze Prinzessin. M.E. Lee Jonas
die Tür hinter sich zu. Dann versteckt sie sich im Badezimmer, da mit einem Schlag ihre Angst zurückkommt.
»Ihr Narren! Was habt ihr euch nur dabei gedacht?«, brüllt sie in den dunklen Raum, während sie hemmungslos weint. Immer wieder schüttelt sie entsetzt den Kopf. Dabei fällt ihr Blick auf den Umschlag, den sie vorhin wütend in die Ecke geschmissen hat. An dem Siegel kann sie erkennen, dass er vom Hexenrat stammt.
»Das ist seltsam. Wir hatten doch gerade erst ein Treffen«, denkt sie irritiert und reißt den Umschlag auf:
Sehr geehrte Hexe Jezabel, schwarze Prinzessin!
Die neuen Erkenntnisse zwingen uns leider zur Eile. Wir haben uns deshalb entschlossen, deine Amtseinführung vorzuziehen und dieses große Fest bereits in drei Tagen zu feiern. Um alle nötigen Dinge zu klären, treffen wir uns morgen früh im Amtsgebäude.
Darania
J.J. liest den Brief und winkt ab.
»War ja klar. Ach, was soll’s? Ein paar Tage früher oder später.
Ich möchte zu gern wissen, was Konrad und Großmutter mit dieser Aktion erreichen wollten? Wollten sie mich durcheinanderbringen? Aber das wäre doch Blödsinn. Dann hätten sie einen anderen Weg gefunden und nicht so etwas Auffälliges getan. Und was muss ich so dringend wissen? Nein! Ich will gar nichts mehr wissen.«
Sie steht auf und hält ihren Kopf unter eiskaltes Wasser, da er fürchterlich brummt.
Dann geht sie in ihr Zimmer und holt ihr Tagebuch hervor. Nachdem sie noch ein paar Zeilen zum heutigen Protokoll hinzugefügt hat, legt sie sich schlafen.
In dieser Nacht erscheint ihr Linus im Traum:
Sie sitzen auf dem Berg in der Nähe vom Funnypark und unterhalten sich. Es ist kein aufgeregtes Gespräch. Sie kann fühlen, dass sie sehr entspannt ist. Friedlich und vollkommen frei. Ihre Schwermütigkeit ist einer besonderen Sicherheit gewichen. Der Sicherheit, dass er auch jetzt noch auf sie aufpasst. Linus ist irgendwo da draußen. Ein Windhauch trägt seinen Duft zu ihr. Sie schließt die Augen und atmet ihn tief ein.
Als sie erwacht, kann sie sein Lächeln noch sehen.
»Ich werde es schaffen, Linus! Ich werde dich finden!«, flüstert sie in das leere Zimmer.
Kapitel 7
Marlas Erkenntnis
»Es ist geschehen. Die schwarze Prinzessin hat ihre Entscheidung gefällt. Trotz meiner Hoffnung, dass Jezabel sich wegen der vergangenen Ereignisse auf ihre Familie besinnt, hat sie den dunklen Phad gewählt. Ein weiteres Mal hat das Böse gesiegt.
Ich habe mir all die Jahre überlegt, ob nicht allein schon der Name einen Hinweis auf ihre tiefste Gesinnung gibt. Ich meine, warum sollte sich die schwarze Prinzessin ausgerechnet für den weisen Phad entscheiden? Das Dunkle entscheidet sich selten für Loyalität.
Der große Vaun hatte eine Vision. Er wollte, dass das Zauberreich eines Tages zu seinen Wurzeln zurückfindet. Sicherlich sind für die perfekte Balance zwei gleichwertige Gewichte nötig, aber heißt das wirklich, dass wir für unseren Respekt mit Heimtücke und Gier belohnt werden?
Ohne es zu bemerken, haben auch wir in den letzten Jahren gekämpft, weil wir Opfer unserer Angst geworden sind. Der Angst, dass wir unserer Aufgabe nicht mehr gerecht werden können. Wir tragen ebenso Schuld an den aktuellen Ereignissen. Versteckten unsere Geheimnisse nur unter dem Schutzmantel der Gerechtigkeit. Sind wir wirklich die besseren Wesen?«
Marla schreitet langsam durch den Saal. Das Echo ihrer Schritte ist sanft. Während sich ihre Hände verkrampfen, hält sie den Kopf gerade.
Sie hat die Nachricht bekommen, dass Jezabel sich dem dunklen Phad verpflichtet hat und das Amt der Buchmacherin dort antreten wird. Rosaryon hat den Kampf um diese Legende verloren. Seit mehreren Tagen berät sich deshalb der Rat der Weisesten.
»Ich gebe mir allein die Schuld. Ich war verblendet und habe hochmütige Entscheidungen getroffen. Mein Weg wurde mir vorgegeben. Ein einziger Biss in diese Blüte hat mein Schicksal besiegelt. Und das des weisen Phads ebenso.
Ich war neun Jahre alt, als ich den Thron des weisen Phads bestieg. Ein kleines Mädchen. Verunsichert, aber voller Mut und Hoffnung. Durch Konrads Verschwinden wurde mein Geist getrübt. Ich war voller verzweifelter Wut. Haderte mit meinem Schicksal. Anstatt mich auf meine Aufgaben zu konzentrieren, habe ich jede Minute damit verbracht, nach ihm zu suchen. So wurde ich blind.
Ich mache mir deshalb große Vorwürfe. Jezabel ist ebenfalls noch ein Kind und dazu in der realen Welt aufgewachsen. Anstatt mich ihrer anzunehmen, habe ich sie verstoßen, indem ich ihr mein Reich versagte. Ich war so auf die Rettung der Lebensbäume konzentriert, dass ich nach Vettels Geständnis eine falsche Entscheidung traf. Wie viele Möglichkeiten blieben Jezabel also?«
Marla hält inne und seufzt. Dann schreitet sie an der Tafel mit den Würdenträgern entlang und sieht ihnen in die Augen.
»Ich gab Sir Konrad den Vorrang. Ich sagte euch, dass wir ihm seine Tat nachsehen müssen, damit wir die Lebensbäume retten können. Aber das war eine Lüge! Tief in mir weiß ich, dass es nur der Wunsch war, meinen Bruder wieder an meiner Seite zu wissen. Wäre es ein anderes Wesen gewesen, hätte ich es auf der Stelle bestraft. Wir können nicht leugnen, dass Konrads Fähigkeiten den Erhalt unseres Reiches sichern, aber wäre es nicht unsere Aufgabe gewesen, eine andere Lösung zu finden?
Es war keine gerechte Entscheidung, ihn wieder aufzunehmen, sondern Egoismus.
Ich habe also nicht als Oberhaupt des weisen Phads entschieden, sondern als Schwester. Als Schwester eines Mannes, der vor über vierzig Jahren ganz bewusst unser Gesetz gebrochen hat. Auch wenn er nicht vorhatte, den dunklen Phad zu dienen, so hat er durch seine Liaison mit Vettel mein Vertrauen missbraucht. Die Freude über seine Wiederkehr hat einen Schmerz gelöscht, der mich eine sehr lange Zeit gelähmt hat. Aber er wurde nur ersetzt. Durch die Erkenntnis, dass auch ich fehlbar bin. Ich fühle mich nicht mehr imstande, den weisen Phad zu beschützen. Ich denke, es wäre das Beste für Rosaryon, wenn ein anderer die Führung übernähme.«
Die Köpfe der Ratsmitglieder erheben sich gleichzeitig. Mit großem Entsetzen sehen sie der Kindskönigin ins Gesicht. Die letzten Wochen, diese furchtbaren Ereignisse und die Wahrheit über Konrad haben dort tiefe Spuren hinterlassen.
Orton erhebt sich.
»Wir sollten keine überstürzten Entscheidungen treffen. Ich weiß, dass du jeden Entschluss mit Bedacht getroffen hast. Es war nicht unsere Wahl, dass du die Kindskönigin wirst, sondern deine Bestimmung. Wir haben keine Zeit uns im Meer der Selbstvorwürfe zu verlieren. Wir müssen handeln!
Ich gebe dir recht, dass die Entscheidung, Konrad und Vettel unbescholten aufzunehmen, nicht ganz im Sinne unserer Gesetze war. Ich bin mir allerdings sicher, dass jeder hier am Tisch deine Beweggründe nachvollziehen kann. Auch wir haben Familien. Ein Privileg, das dir leider verwehrt wurde.
Ich denke nicht, dass du Schuld an Jezabels Entscheidung trägst. Sie hatte eine eigene Wahl. Die ganzen Jahre wurde das Privileg, das sie durch ihre Bestimmung hat, als Problem gehandelt. Lassen wir Daranias primitive Versuche, dem Schicksal vorzugreifen, einmal beiseite. Anstatt sich vernünftig mit der Legende auseinanderzusetzen, hat man sie verzaubert und in der realen Welt versteckt. Sie hatte ebenso wie wir keine Möglichkeit, sich in Ruhe über ihren Weg Gedanken zu machen. Auch sie konnte nur auf Tatsachen reagieren, die durch Vettels Handeln erst entstanden sind.
Trotzdem habe ich Zweifel, dass dieses Mädchen gänzlich dem dunklen Phad untergeben ist. Vaun war ein großer Visionär. In den letzten Minuten seines Daseins hat er diese Prophezeiung ausgesprochen. Er sprach von Schuld, die getilgt werden muss. Er sprach nicht davon, dass Jezabel die Verantwortung dafür trägt oder gar die Lösung erschafft. Er sagte, dass sie ein Buch schreiben wird, mehr nicht. Wir, die Oberhäupter beider Phade, haben die Legende so weitergegeben, wie es der jeweiligen Gesinnung am nächsten kommt. Wie sollte sie also entscheiden?
Ich bitte