Diener des Feuers. Karin Kehrer

Diener des Feuers - Karin Kehrer


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Reise hinter sich, war er doch gleich zu zwei der magischen Wesen geschickt worden. Der andere Adressat seiner Botschaft hatte sie noch widerwilliger angenommen als die Wassermagierin, aber das spielte keine Rolle. Am Ende gehorchten sie alle.

      Er schloss den Käfig und betrachtete den steinernen Tisch, der die Mitte der Halle einnahm. Acht Stühle aus dunklem Holz waren an einer Seite aufgereiht. Ihre Lehnen trugen die Abbilder der großen Elementwesen. Einer davon musste einstweilen noch leer bleiben. Trotzdem würde die Versammlung der Weisen Magier einen beeindruckenden Anblick für seinen Gast bieten. Nicht umsonst plante der Älteste des Rates der Magier und Magierinnen seine Auftritte genau und sein Sinn für Dramatik war bekannt.

      Die Festung Ranasor stellte einen würdigen Rahmen für sein Vorhaben dar. Hoch in den vulkanischen Bergen des Vorlandes von Mag’Mayn gelegen, bildete sie ein beeindruckendes Bollwerk magischer Baukunst. Er selbst hatte es in vielen Jahren geschaffen, hatte Stein um Stein aufeinander gefügt.

      Der Lichtstrahl, der durch das offene Fenster fiel, verbreiterte sich mit einem Mal, wurde zu einer gleißenden Bahn, die sich auf den schwarzen Steinboden senkte. Varruk schirmte die Augen mit der Hand ab.

      „Ah, Irisana Reguvil, Herrin des Lichts, sei gegrüßt.“

      Der Strahl sammelte sich, nahm die Gestalt einer großen, schlanken Frau an. Mit einer anmutigen Bewegung raffte sie ihr weißes Kleid und neigte lächelnd den Kopf. Das blonde Haar fiel in leichten Wellen bis auf ihre Hüften und auf ihrem Scheitel leuchtete die weiße Strähne der Lichtmagier.

      „Schön, dich zu sehen, Varruk Erasant, Herr des Feuers. Bin ich die Erste, die deinem Ruf gefolgt ist?“ Ihre Stimme klang glockenklar und füllte jeden Winkel des großen Saales, obwohl sie nicht laut gesprochen hatte.

      Varruk nickte. „So ist es. Aber du wirst dich noch ein wenig gedulden müssen. Die anderen kommen später – besonders mein Gast, der die Nachricht zuletzt erhalten hat.“

      „Ein Gast? Wer ist es?“ In den goldenen Augen der Frau funkelte Neugier.

      Über das Gesicht des Feuermagiers huschte ein Grinsen. „Ich werde es dir nicht verraten. Du wirst warten müssen, bis er da ist.“

      Irisana lachte. „Du bist immer für Überraschungen gut. Aber ich kann mir denken, welche Aufgabe er bekommen wird. Ein Feuermagier, der Madryls Platz einnehmen soll, nicht wahr?“

      „Deine Scharfsicht ist wie immer nicht zu übertreffen, Herrin des Lichts.“

      Irisana hob ihre hellen Augenbrauen. „Du solltest nicht über mich spotten. Wir alle wissen, welch großer Verlust der Tod Madryls für die magische Welt war und wie wichtig es ist, das Gleichgewicht im Rat wiederherzustellen.“

      In Varruks gelben Augen glühte ein Funke auf. „Du sagst es. Vor allem auch deshalb, weil nicht alle auf der richtigen Seite sind. Für manche ist unsere Aufgabe noch immer nicht wichtig genug.“

      Irisana wich seinem bohrenden Blick aus. „Ich weiß sehr wohl um die Bedeutung unseres Vorhabens.“

      Der Feuermagier lächelte. „Wissen allein genügt nicht, meine Liebe. Es gibt auch nur einen, der tatsächlich mein Gegner ist. Aber er ist einstweilen keine Gefahr.“

      „Du meinst …?“

      „Ja, ich meine Sel Dragmon, den Erdmagier.“

      Irisana lachte. Es klang wie das Schellen von unzähligen Glöckchen. „Ein Erdmagier? Den wirst du nicht fürchten müssen, oder?“

      „Nein, natürlich nicht. Er ist viel zu schwach, wie alle diese Hohlköpfe, die nur an ihre Pflanzen und Tiere denken. Es geht um die anderen, die einfach nur gleichgültig sind. Ich frage mich, was schlimmer ist. Ein Feind, der mir offen entgegentritt, ist einfacher zu behandeln als einer, dessen Meinung ich nicht kenne. Vor allem Wankelmut ist gefährlich.“

      In Irisanas Augen flackerte ein helles Licht auf, doch sie antwortete nicht. Mit einer leichten Handbewegung überbrückte sie schließlich das entstandene Schweigen. „Was mich vor allem interessieren würde: Wie weit ist Madryl bei seiner Aufgabe tatsächlich gekommen? Hat er wenigstens eines der Abbilder gefunden?“

      Varruk hob seine Hand. „Warte. Nicht so ungeduldig. Du wirst es erfahren, wenn die Ratsversammlung vollständig ist. Ich erzähle wichtige Dinge gerne nur einmal.“

      Irisana zuckte mit den Schultern. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Wie du meinst. Ich will dir deinen Auftritt bestimmt nicht verderben. Du kennst meine Meinung. Ich finde es immer noch vermessen, nichts Geringeres als die Unsterblichkeit verlangen zu wollen.“

      „Du hast dir dein eigenes kleines Paradies schon errichtet, ich weiß. Schade, dass du nicht von mehr Ehrgeiz beseelt bist.“ Varruk fauchte leise. „Genau das ist es ja. Davon habe ich gesprochen. Du bist nämlich nicht die Einzige, die so denkt. Selbstsüchtig und kleinmütig seid ihr. Seit Äonen kämpfen wir Magier um das Recht der Unsterblichkeit. Warum wurde es den Hynnen gewährt und uns nicht? Und sieh nur, was aus diesem so angeblich wunderbaren Volk geworden ist. Menschen!“ Er lachte verächtlich. „Niemals sollte sich ein Magier mit diesem schwächlichen Pack abgeben müssen. Aber genau dazu wurden wir verdammt. Zu einem Leben unter diesem Abschaum!“ Seine Finger schlossen sich blitzschnell um Irisanas Handgelenk. Die Lichtmagierin zuckte zusammen und sog scharf die Luft ein, als seine Hitze in ihre Haut drang. Ihre Aura leuchtete auf, umgab sie mit gleißendem Licht, aber der Feuermagier war zu schnell und zu stark. Ihre magische Abwehr flackerte auf und erlosch.

      „Hör auf – bitte! Es ist ja gut!“ Irisana wand sich unter seinem unbarmherzigen Griff.

      „Du wirst dich weder gegen mich stellen, noch meine Pläne behindern, nicht wahr?“, sagte Varruk weich. „Es ist die Bestimmung der magischen Wesen, Myn Fantrix zu öffnen, um uns das zu geben, was uns von Anbeginn der Zeiten zugestanden hätte und niemand darf sich dieser Bestimmung widersetzen oder sich kleinmütig verkriechen.“ Er nahm seine Hand weg und betrachtete die rote, verbrannte Haut.

      Irisana keuchte, in ihren Augen schwammen Tränen. „Lass mich. Du solltest mich nicht zu Gehorsam zwingen. Dieses Recht hast du nicht“, flüsterte sie gequält.

      „Doch, das habe ich“. Varruk sah sie durchdringend an, bis sie seinem Blick auswich. Er strich leicht über die Rötung und im Nu war sie verschwunden. „Feuermagie steht über allem. Feuer ist das stärkste Element, alle anderen sind ihm unterlegen.“

      Irisana öffnete ihren Mund, schloss ihn wieder. Vorsichtig strich sie mit den Fingerspitzen über die frisch verheilte Haut.

      Der Feuermagier lächelte. „Ich denke, wir sollten uns die Zeit mit angenehmeren Dingen vertreiben, bis die anderen eingetroffen sind. In meiner Speisekammer befinden sich Unmengen von köstlichen Dingen. Und dieser Wein! Seine vulkanische Glut ist unvergleichlich!“

      Kapitel 3

      Das Meer. Unvorstellbar viele, salzige Wassertropfen. Eine Flut von Tränen. Auch Catherine hatte geweint, Tränen der Angst, der Trauer und des Zorns. Aber das war vorbei. Jetzt bestand sie nur mehr aus einer leeren, ausgebrannten Hülle. Die Psychopharmaka, die sie seit fast einem Jahr schluckte, nahmen dem Schmerz die Schärfe, gaben ihr das Gefühl, als sei er in Watte gepackt, säße irgendwo dumpf und verschwommen in ihrem Inneren. Aber er war immer noch da.

      Catherine starrte auf die Wellen, die sich am Sandstrand brachen. Sie wartete darauf, dass das Wasser ihre bloßen Füße berührte, zuckte zurück, als die eisige Kälte an ihrer Haut leckte. Sie hatte für einen Moment daran gedacht, wie es wäre, in diese rauschenden Wogen hineinzugehen, unbeirrt, immer weiter.

       Kaltes Wasser. Es umklammert die Beine, greift nach meinem Bauch.

      Sie verkrampfte sich bei der Erinnerung daran. Aber unbarmherzig liefen ihre Gedanken weiter.

       Es erobert meinen Körper – Brust, Hals, Kinn. Füllt den Mund. Immer weitergehen, den Boden unter den Füßen verlieren, schweben. Die Augen schließen und sich treiben


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