Schiffselektriker – Werft, Schiffe, Seeleute, Funkbuden – Jahrgang 1936. Conrad H. von Sengbusch
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„Lehrjahre sind keine Herrenjahre“, 1. Lehrjahr, 1953/1954
Arbeitsmäßig ging es so an: Wir begannen mit einfachen handwerklichen Tätigkeiten. So waren „Sonnenbrenner“ zu reparieren. Das sind die großen, transportablen, schwarzen Emailleschirmlampen, die auf der Innenseite einen weißen Reflektor haben. Sie wurden mit 300- oder 500-Watt-Glühlampen bestückt und überall auf der Werft eingesetzt, wo es etwas zu beleuchten gab. Zum Reparaturgut gehörten auch Verteiler, Kraftkabel (Drehstromkabel), Verlängerungskabel, Schweißkabel, Kabellampen, Bohrmaschinen und die Unterstützung des Betriebselektrikers bei der Installation und dem Auswechseln von Leuchtstoffröhren. Auf der Werft herrschte ein ungemein rauer Betrieb, und entsprechend viele Reparaturen fielen an. Ein oder zwei Mann in unserer E-Werkstatt waren ständig mit solchen Arbeiten ausgelastet.
Mit den Gesellen gingen wir auch schon mal an Bord der Havaristen. Die stets wechselnde Umgebung, der Umgang mit Seeleuten aus aller Welt und die oft nicht dokumentierte Technik, die dennoch unter Zeitdruck repariert werden musste, waren für mich bunt und aufregend. Gefragt war hier eine Kombination aus Fachwissen, Einsatzfreude und zeitweise auch Englisch. Mit einem erfahrenen Gesellen war das auch zu schaffen.
Natürlich bekamen wir Lehrlinge im ersten Jahr nicht immer die sauberste Arbeit zugewiesen. Unbeliebt war z.B. die Gewinnung von Bindedraht. Dieser wurde benötigt, um bei den Marinekabeln, wie wir sie verlegten, einen galvanisch gut leitenden Übergang zwischen dem äußeren Stahlgeflecht und dem innen liegenden Bleimantel zu bekommen. Dazu wurden mehrere Windungen des verzinnten Bindedrahtes, ausgehend vom Bleimantel und übergehend auf das Stahlgeflecht, aufgebracht und mittels einer TINOL- oder Lötlampe und Zinn verlötet. Anfang und Ende des Bindedrahtes wurden trickreich verdrillt und dann mit den Stopfbuchsenverschraubungen mittels kleiner Gewindeschrauben verbunden.
Den Bindedraht gewannen wir aus den verseilten Adern von altem, ausgeschlachteten Marinekabel. Die mageren Jahre der Vorwährungszeit lagen erst fünf Jahre zurück, und die Leute waren es noch gewohnt, zu improvisieren und mit einem Minimum an Material auszukommen. Ein Kabelrest wurde zwischen zwei Schraubstöcken eingespannt und mit dem Kabelreißer das Stahlgeflecht auf der ganzen Länge, meistens Enden von zwei oder drei Metern Länge, aufgerissen. Dann wurde der Bleimantel mit dem Kabelmesser eingeritzt, abgezogen und schließlich die Isolation entfernt. Lag dann die verseilte Kabelseele frei, dann ließen sich einzelne Drähte über die ganze Länge abstreifen. Diese Drähte wurden anschließend einseitig in den Schraubstock gespannt und leicht in der ganzen Länge gestreckt, so dass sie gerade wurden. Zum Schluss wurden die Drähte zu kleinen Vorratsringen von etwa 10 cm Durchmesser aufgeschossen und dem „Budenviz“, damals Ernst K., für sein Handlager übergeben. Der „Budenviz“ war ein Geselle, der ständig in der Werkstatt war, der das Handlager führte und Material für die Reparaturen auslieferte, der aber auch der Verbindungsmann zum Meister war und die Lehrlinge betreute, wenn sie in der Werkstatt eingesetzt wurden. Bleibt an dieser Stelle noch zu erwähnen, dass es für die Arbeit an den Kabeln, die mit vielen „Fleischhaken“ am teilweise beschädigten Stahlgewebe übersät waren, natürlich keine Lederhandschuhe gab!
Nicht gerade beliebt war auch das Auswaschen und Füllen der großen NiFe-(Nickel-Eisen)-Sammler, auch als Stahl-Akkumulatoren bezeichnet, die als Notstromversorgung auf den Schiffen eingebaut waren. Das „Auswaschen“ musste sehr überlegt geschehen und wurde nur angewandt, wo es unumgänglich war, weil sich dabei die Platten voll Wasser sogen. Füllte man dann neue Lauge ein, wozu wir einen Gummieimer und einen Krug aus dem gleichen Material benutzten, dann konnte es sein, dass die Laugendichte nicht mehr stimmte. Günstiger war es in jedem Fall, gleich wieder mit Lauge aufzufüllen. Dann war die geforderte Dichte von mindestens 1.18 (min. 1,16, max. 1,20) auch zu erreichen, und man ersparte sich das erneute Ausgießen der verdünnten Lauge und das Wiederauffüllen mit konzentrierter. Durch die Ladung erhöht sich nämlich kaum die Konzentration. Das sind Erfahrungen, die man selbst gemacht haben muss.
Bei diesen Stahl-Akkumulatoren wurde also nicht einfach erneuert, sondern gepflegt und erhalten, solange es nur irgendwie ging. Die alte Kalilauge gossen wir damals in einen Zementbottich, wo sie über Bleirohre im Abfluss „entsorgt“ wurde. Durch Überladung aufgeblähte Zellen wurden wieder zusammengepresst. Neue Lauge wurde aufgefüllt und die Zellen wieder geladen. Wir lernten damals, dass man mit 1/10 der Kapazität in Ah auflädt und die Dichte der Lauge prüft um festzustellen, wann der Ladevorgang beendet ist. Zwischendurch wurden an Bord die großen Stahlbehälter, in welche die Batterien eingesetzt wurden, sauber entrostet, mit roter Mennige vorgestrichen und dann mit Asphaltlack „konserviert“, wie der Werftmann sagt. Wo es nötig war, wurden die Anschlusskabel neu mit Ölgewebeleinen umwunden und mehrfach mit Isolierlack zusätzlich bestrichen. Schließlich wurden alle Brückenverbindungen zwischen den Elementen wieder hergestellt und die Leitungen zum „Zellenschalter“ angeschlossen. Der Zellenschalter bot die Möglichkeit, bei Bedarf bei teilentladener Notbatterie noch einige zusätzliche Zellen zuzuschalten, so dass die Betriebsspannung für die angeschlossenen Geräte wieder stimmte. Die Batteriearbeiten an NiFe-Zellen hatten die üble Nachwirkung, dass es sich trotz der Gummihandschuhe nicht vermeiden ließ, dass etwas Lauge an die Hände kam. Die Haut weichte dabei auf, fühlte sich zunächst seifig an, wurde dann papierdünn und schmerzte elendig.
Auch die schweren 180-Ah-Bleiakkumulatoren hatten wir zu warten. Sie wurden für die Notbeleuchtung, FT-Anlagen usw. benötigt. Wir wuchteten sie aus den Maschinenräumen der Kutter, Küstenmotorschiffe und Dampfer, balancierten sie von Reling zu Reling, dann mit mehreren Leuten hinauf zum Kai und schließlich in den „Akkuraum“. Wenn wir Glück hatten, dann waren die schwarzen Hartgummi-Batteriegehäuse heil und hatten keine Risse. Es kam aber auch vor, dass solche Batterien Säure verloren und tropften. Dann waren garantiert am nächsten Tag wieder ein paar Löcher in den Drillichstoff des Overalls gefressen, und Mutter bereitete schon die nächsten Flicken vor. Im Akkuraum folgte dann wieder die gleiche Prozedur: In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde mit allen Mitteln versucht, Akkumulatoren solange wie möglich zu erhalten. Da wurden dann auch noch neue Platten und Separatoren (isolierte Trennwände zwischen den Platten) eingesetzt und alles wieder mit Asphalt vergossen. Diese Arbeit blieb uns erspart, auch mit dem giftigen Kleesalz wurde nicht mehr gearbeitet, das die Akkumulatoren noch etwas auffrischen sollte. Wir beschränkten uns damals auf das Auswaschen der Batterien, wobei der Schlamm, der sich am Boden absetzt und die Zellen kurzschließt, entfernt wurde. Nach heutigen Maßstäben würden solche Akkumulatoren gleich ausgemustert werden, damals wurden die Zellen aber mit Destillat ausgewaschen, gleich darauf neu gefüllt und in einem langen Ladevorgang nochmals aufgefrischt. Die Sammler erfüllten dann noch für ein paar Reisen ihren Zweck. Nach dem Laden und der Überprüfung der Kapazität mit dem „Zellenprüfer“ ging die ganze Tour wieder zurück an Bord.
Wo sich etwas dreht oder bewegt, da gibt es Verschleiß, und so hatten wir viel mit Generatoren und Motoren jeglicher Größe zu tun. Der Ein- und Ausbau dieser Aggregate war Knochenarbeit. Besonders in den engen Maschinenräumen der Fischkutter mussten wir sehr einfallsreich sein: Mit seemännischer Finesse, Hubzügen, Blöcken und der Hilfe von stehendem und laufendem Gut, wurden die schweren Elektromaschinen durch enge Niedergänge an Bord gehievt, um dann mit der zweirädrigen „Schott´schen Karre“ über holperiges Kopfsteinpflaster zur Werkstatt gebracht zu werden. Der Umgang mit dieser kippeligen Karre wollte gelernt sein, und man musste höllisch aufpassen, dass einem die E-Maschine nicht von der Ladefläche rutschte.
In der Werkstatt begannen wir mit dem Zerlegen der Maschinen. Mit dem Körner wurden die Positionen der Lagerschalen und der Bürstenbrille markiert. Dann wurden die Elektromaschinen in ihre Einzelteile, wie Anker, Lagerschalen, Lager, etc. zerlegt. Die Einzelteile kamen dann in große Blechwannen. Die verdreckten Wicklungen und Lager wuschen wir mit Testbenzin und trockneten danach mit Pressluft. Wir lernten dabei, wie Kugellager geprüft werden, indem wir den inneren Ring zwischen Daumen und Zeigefinger nahmen und sorgfältig beim Durchdrehen fühlten, ob vielleicht eine Kugel gebrochen war oder ob z.B. ein Sandkorn den Lauf beeinträchtigte. Weiter durfte zwischen Außen- und Innenring kein Spiel vorhanden sein. Man konnte das Drehverhalten der Lager auch kurzzeitig mit Pressluft prüfen. Damit war die Prüfung beendet. Defekte Lager wurden ersetzt, da die Überholung