mit Reden. Hermann Brünjes
Hermann Brünjes, Küsterweg 2, 29582 Hanstedt
Kontakt: [email protected]
Info: www.hermann-bruenjes.de
Druck: epubli/neopubli GmbH, Berlin
Umschlag, Texte, Fotos: © Copyright by Hermann Brünjes
Vorwort
Zwei Öllampen tauchen die Szene in flackerndes Licht. Trommeln, dazu monotoner Gesang. Eine Ziege meckert, ein Wasserbüffel zerrt knarrend an seiner Fessel. Zwischen Hütten, Bambuszäunen und in tierischer Geräuschkulisse hat sich eine kleine christliche Gemeinde versammelt.
»Hermann, you should bring greetings. Please give witness,« raunt mir jener einheimische Missionar zu, der im südindischen Stammesgebiet entlang der Godavari später eine Kirche mit 40 Gemeinden leiten wird. »Hermann, du sollst Grüße bringen und deinen Glauben bezeugen.« Ja, übersetzen kann ich das inzwischen. Auch heute bin ich des Englischen keineswegs »mächtig«, aber ich komme klar – allemal wenn meine indischen Gegenüber die Fremdsprache schlechter beherrschen als ich. Damals jedoch, 1981, war mein Englisch schlicht miserabel. Neben Mathe war es der Grund, dass ich in der Realschule eine Klasse wiederholen musste. Folglich war die völlig überraschende Aufforderung durch Paul Raj nicht Anerkennung und Ehre, sondern schlicht ein Schock für mich. Trotzdem wollte ich es versuchen. Allerdings brauchte ich noch einen Moment zum Überlegen. »Please let them sing one more song«, stammelte ich und bekam so, da die Lieder unserer Freunde dort bis zu zwanzig Strophen enthalten, erheblich mehr Zeit zum Vorbereiten meines Statements. Aber dann war es soweit. »Dear brothers and sisters ...!« Hermann begann seine erste englische Predigt.
Und erlebte sein ganz persönliches Pfingsten!
So jedenfalls habe ich mir später erklärt, was passiert war. Dass mein Englisch wundersam perfekt wurde, bezweifle ich. Aber es sprudelte aus mir heraus. Paul Raj übersetzte mit großem Pathos. Ich hatte den Eindruck, den Geist Gottes zu spüren. Nicht nur ich. Sowohl die Inder als auch unsere deutsche Besuchsgruppe waren beeindruckt.
»My fear was, your Englisch could be bad«, meinte Paul nachher. »But this was excellent!« (Ich dachte, dein Englisch ist schlecht. Aber es war ausgezeichnet!) »Me too!« (ich auch!) war mein stammelnder Kommentar. Mehr zu sagen fiel mir nicht ein. Plötzlich fehlten mir wieder die Worte. Pfingsten schien vorbei zu sein, sobald ich meine Glaubenszeugnis mit dem christlichen Gruß »Vandanale« beschlossen hatte. In der dann erforderlichen Konversation konnte ich wieder nur noch stottern.
Der Geist macht lebendig
Das damalige Ereignis in Indien hat mein Denken und auch meine Praxis des Redens vom Glauben nachhaltig beeinflusst. Gleich mehrere Konsequenzen habe ich daraus gezogen.
Mir wurde klar: Ich muss besser Englisch lernen, wenn ich mich in diesem Kontext verständlich machen will. Das ist mit harter Arbeit verbunden. Oder verallgemeinert: Je besser ich die in der jeweiligen Umgebung benutzte Sprache spreche, desto besser gelingt die Kommunikation.
Nur das mutige und beherzte Annehmen solcher Herausforderungen führen zu guten Erfahrungen. Wenn ich dem Reden von Gott, über die Bibel und meinen Glauben ausweiche, entgeht mir enorm viel und ich nehme manches Wirken des Geistes Gottes nicht wahr.
Auch wenn ich meine, es nicht zu können, kann und will Gott durch seinen Geist dennoch durch meinen Mund und mit meinen oft mühsam gefundenen Worten reden.
Anders ausgedrückt: Aus meinem »bisschen« kann Gott erstaunlich viel machen. Perfektionismus in Sachen Reden zu verlangen, käme einem Maulkorb gleich. Da könnte man auch gleich ein Redeverbot erteilen.
Gerade eine einfache und schlichte Rede bringt die »frohe Botschaft« zu den Menschen. Bei meinen Englischkenntnissen zwingt mich die fremde Sprache zu solcher Elementarisierung. Das hilft mir, mich für alle verständlich auszudrücken und die Sache auf den Punkt zu bringen. Solche Schlichtheit auch in meiner Muttersprache zu versuchen, ist aller Mühe wert.
Pfingsten ereignet sich im Hier und Jetzt. Ob es sich um ein Hörwunder handelt (»Jeder hörte die Apostel in seiner eigenen Sprache reden« Apg. 2,6) oder um ein Redewunder (»Sie begannen in fremden Sprachen zu reden, ganz so wie der Geist es ihnen eingab.« Apg. 2,4): Gott selbst meldet sich während der Verkündigung und durch das Glaubenszeugnis der Christen zu Wort. Schön, dass ich nicht nur rede, damit dies möglicherweise geschieht, sondern weil es gewiss geschieht.
Was mich damals in Indien so beeindruckt hat, belegt meine nun fast fünfzigjährige Erfahrung im Reden von Gott und seiner Offenbarung in Jesus Christus. Habe ich in »mit Denken« meinen theologischen und geistlichen Rahmen abgesteckt und in »mit Machen« die tätige Umsetzung meines Glaubens beschrieben, so folgt jetzt in »mit Reden« die Reflexion des Schwerpunktes meiner privaten und beruflichen Aktivität als Redner und Verkündiger des Evangeliums. »mit Reden« habe ich zuletzt geschrieben und bei den ersten beiden Büchern nicht geahnt, dass es noch folgt. Einige der Themen wurden in den anderen Büchern bereits angesprochen, vor allem die missionarische Ausrichtung der Nachfolge Jesu. Deshalb ließen sich leider einige Doppelungen nicht vermeiden. Bitte lesen Sie jene Stellen zur Vertiefung und Erinnerung.
Bis heute bin ich kein »Sprachkünstler«. Meine Frau ermahnt mich immer wieder, weil ich falsche Worte nutze, nuschle oder mich unverständlich ausdrücke. Meine Bücher sind keine literarischen Kunstwerke und meine Predigten bieten keine druckreifen Vorlagen. Dennoch hat der Umgang mit Sprache mein Leben und Wirken maßgeblich bestimmt und ich bin überzeugt davon, dass Gott primär die Sprache und das Wort als Mittel seiner Kommunikation mit uns Menschen einsetzt und nutzt.
mit Reden und mitreden
Wieder kann man den Buchtitel verschieden lesen. Jede Lesart hat ihre Berechtigung.
Mit Reden, also nicht ohne Reden.
So werden Christsein und Nachfolge gelebt. Dies erscheint auf den ersten Blick logisch, wird jedoch bei genauem Hinsehen oft vergessen oder aber anders praktiziert. Wir sprechen nicht umsonst von der »schweigenden Mehrheit«. Die gibt es nicht nur in unserer Gesellschaft, sondern auch in unseren Kirchen und Gemeinden. Über den Glauben wird nicht geredet. Er wird dem Intimbereich und der Privatsphäre zugerechnet. Folglich kommt er selten oder gar nicht vor. Ja, manchmal geht um »die Kirche«. Da kann man ja tatsächlich viel sagen und noch mehr kritisieren oder gar meckern. Im günstigsten Fall wird noch über »Religion« gesprochen – aber Gespräche über meinen persönlichen Glauben, die Perspektiven für mich selbst und alle Welt durch Jesus Christus, die großartigen Zusagen Gottes, die Umsetzung seines Willens und seine Kraft und Größe ... da fehlen meist die Worte.
Bereits in »mitMachen« habe ich eine Haltung, die den persönlichen Glauben und die Bedeutung von Jesus Christus für diese Welt verschweigt, als Irrweg dargestellt. Ein vermeintlich kluger Satz wie »Rede nur, wenn du gefragt wirst – aber lebe so, dass du gefragt wirst!« ist nur bedingt stimmig. Wenn ein solcher Satz dazu dient, uns zum Handeln zu bringen – prima! Doch wenn er dazu benutzt wird, das Verschweigen unseres Glaubens zu rechtfertigen, unsere Feigheit zum Bekenntnis und unsere Sprachlosigkeit in »Sachen Gott« zu verschleiern, dann wird so ein Satz als bloße Ausrede benutzt.
In diesem Buch wird hoffentlich auf jeder Seite deutlich, dass die Rede von Gott, die Suche nach Worten für unseren Glauben und das Weitersagen des Evangeliums von Jesus Christus ein unverzichtbarer Bestandteil christlichen Lebens ist. Und dieses Buch wurde geschrieben, damit wir uns klar werden, worüber wir reden, wie wir dies machen und wo, wann und warum. In diesem Sinn also: Mit, nicht ohne Reden!
Mitreden. Sich aktiv ins Gespräch einbringen, in Auseinandersetzungen und Diskussionen um »Gott und die Welt« seinen Teil beitragen, auch dies gehört zum Christsein. Es wird hoffentlich deutlich, dass nicht jede und jeder über alles und bei allem mitreden sollte und auch nicht kann. Es geht auch hier nicht ums Prinzip »Hauptsache mitreden«: Wir melden uns überall zu Wort, haben zu allem eine Meinung und mischen uns in jedes Gespräch