mit Reden. Hermann Brünjes
Suchende. Aber wir sind gleichzeitig wichtig. Als »Salz der Erde« können wir konservierend (bewahrend) wirken, wir können Wunden aufzeigen und zur Heilung beitragen und wir können die »Suppe« genießbarer machen. Und als »Licht« können unsere Worte Orientierung bieten und Klarheit bringen. Wir können zu Wegweisern werden und Menschen trösten, ermahnen, korrigieren, stärken und begleiten (Mt. 5,13-14).
Wie gut, dass wir in einem Land leben, wo mitreden nicht nur den Wortführern in Politik und Kirche zugestanden wird, sondern jeder und jedem Einzelnen. Wir können und sollen uns einbringen. So wie unsere guten Werke, ist auch unsere Stimme unverzichtbar – und nicht nur mit einem Kreuz auf dem Wahlzettel. Nicht stellvertretende Akteure, sondern wir selbst sind gefragt! Auch was in unseren Gemeinden geschieht und was auf den »höheren« Ebenen von Kirche, hängt im Wesentlichen an denen, die mitreden.
Das Buchcover
Dem Coverdesign liegt wieder ein Bild aus dem »Schöpfungsweg« von Werner Steinbrecher zugrunde. Diesmal ist es die 4. Station, die Schaffung von Erde, Meer und Pflanzen. Auch das Gleichnis vom vierfachen Acker fällt mir ein. Am Ende bringt das Wort hundertfache Frucht! (Mt. 13).
»Und Gott sprach – und es wurde!« So wurde das Chaos geordnet und so entstehen Energie, Licht und später auch Leben. Das Wort Gottes geschieht. Es ist ein machtgeladenes, starkes Wort. Wir werden uns gleich im ersten Kapitel mit Kraft und Stärke des Wortes befassen. Das Wort Gottes ist nicht nur so dahingeredet, lapidar, kraftlos und ohne Wirkung. Es ist nicht so nebenbei gesagt als eines unter vielen. Es ist nicht genuschelt, undeutlich oder mehrdeutig. Dieses Wort ist Gottes Wort. Er nutzt Sprache. Er hat geredet. Durch Abraham und die Väter und Mütter des Glaubens, durch die Propheten und zuletzt durch Jesus Christus (Hebr. 1,1-2).
Zuletzt? Ja, weil es nach Christus keine zusätzliche, korrigierende oder ergänzende Gottesoffenbarung gibt. Jesus selbst ist das Wort (Joh. 1,14). Nein, wenn jemand meint, heutzutage schweigt Gott. Das Gegenteil ist der Fall. Wir werden sehen, dass Gottes Christuswort weiter ausgesprochen und verbreitet wird – durch uns, Sie und mich. Folglich werden wir gewissermaßen Teil jener Wortgewalt, die den Kosmos, alles um uns herum und auch uns selbst geschaffen hat.
Zu anmaßend? Zu selbstherrlich? Nein, gerade nicht. Weil Gott sich mit seinem Wort an Jesus bindet, begegnet uns sein mächtiges und starkes Schöpfungswort sehr, sehr menschlich. Gotteswort ist ins Menschenwort hineingekrochen, hat sich erniedrigt, ist jetzt verletzlich und verwechselbar geworden. Wie damals mit Jesus von Nazareth kann man auch heute mit Gott diskutieren, ihn anzweifeln, Gegenargumente ins Feld führen, ihn ablehnen und verspotten. Das Wort Gottes ist also alles andere als absolut in einer relativen Welt. Es kann und wird relativiert werden. Ganz so wie Jesus von Nazareth.
Interessant: Für den Künstler sind Evolution und Schöpfung kein Gegensatz. Seine Darstellungen im Schöpfungsweg beziehen die Entwicklung allen Lebens als von Gott ausgelösten und durch ihn geleiteten und begleiteten Prozess mit ein. Evolution wäre dann so etwas wie die Art und Weise der Umsetzung des Schöpfungswortes. Wenn solche Sicht auch dem Weltbild und Denken der Schöpfungsberichte noch nicht zugrunde liegt, so bleiben sie doch dafür offen. Die Schöpfung selbst wird als Prozess dargestellt, nicht als punktuelles Ereignis. Auch relativiert die Bibel ihre Zeitangaben gelegentlich selbst und betont, dass Gott der »Zeit« gegenüber souverän bleibt (ein Tag ist wie 1.000 Jahre: Psalm 90,4; 2. Petr. 3,8).
Auch dieser Gedanke passt zu unserem Thema. Das Wort stößt einen schöpferischen Prozess an. Nicht alles, was es bewirkt, ist sofort zu sehen. Vieles muss noch wachsen, sich entwickeln, fertig werden. Viele Worte wirken darauf ein, nicht nur eines. Dennoch bleibt es das schöpferische Wort Gottes. Es kommt menschlich daher und aus Menschenmund, wird jedoch auf geheimnisvolle Weise zum Reden Gottes.
Eine geistlich-theologische Sprachwerkstatt
Eine Werkstatt. Da wird gebastelt und experimentiert. Man benutzt verschiedene Materialien und fügt sie zusammen, bis entsteht, was gewollt wird und den Vorstellungen des Bestellers entspricht. Man verwirft, was nicht funktioniert oder gefällt. Meistens arbeitet man mit anderen zusammen – allemal in einer Lehrwerkstatt. Viele Gewerke sind auf andere angewiesen. Es werden verschiedene Gaben eingebracht, Fähigkeiten ergänzen sich, »Knowhow« wird geteilt. So auch in einer Sprachwerkstatt.
Wir tauschen Erfahrungen aus. Wir reflektieren unseren Umgang mit Sprache, die Weise unserer Verkündigung, unseres Auftretens und des Umgangs mit dem Wort Gottes. Wir versuchen, es beim nächsten Mal besser oder zumindest angemessener zu machen. Wir ergänzen, korrigieren und ermutigen uns gegenseitig. Wir erlauben uns Fehler, Irrwege und sogar Schuld – um sie dann zu korrigieren oder zu vergeben.
Vor allem erwarten wir, dass Gott selbst unser Lehrmeister ist. Wir werden Schüler des Rabbi Jesu von Nazareth. Jünger eben. Wir schauen hin, wie er von Gott redet und mit den Menschen spricht, denen er begegnet und mit denen er unterwegs ist. Wenn stimmt, dass Jesus selbst das Wort Gottes ist, kann nur er das Bild sein, das uns im »mitReden« leitet und inspiriert.
Als Mitgestalter oder Mitgestalterin bin ich wichtig. Klar! Deshalb will und muss ich meine individuelle Sprache des Glaubens finden und will dann auch mitreden. Dies wird sich vor allem in meinem alltäglichen Leben abspielen. Doch während ich dort oft allein mit den Leuten rede – in der Sprachwerkstatt ich bin nicht allein! Ich bin Teil der Jüngergemeinschaft, einer Gruppe. Deshalb wurde bisher so viel von »Wir« gesprochen. Der Ort, so ein Buch wie dieses zu lesen kann natürlich auch das Sofa sein oder der Schreibtisch. Besser wird es als Lektüre in einer Werkstatt-Gruppe verstanden.
Christen treffen sich nicht nur zur »Erbauung«, sondern arbeiten an sich und stecken sich Ziele. Etwa: Wir wollen in der Lage sein, über unseren Glauben zu sprechen. Wir wollen die alten, biblischen Geschichten und Begriffe in unserer eigenen Sprache erzählen und weitergeben können. Wir wollen Menschen mit dem Evangelium erreichen, sie begeistern und ihnen erklären können, was christlichen Glauben ausmacht. Wir wollen ihr Herz und ihren Verstand ansprechen und hoffen, sie am Ende für Christus zu gewinnen ...
Weil dieses Lesebuch sich auch als Werkbuch versteht, gibt es in jedem Kapitel diese ✪Sternchen. Sie sind eingeladen, in Ihrem Haus-, Gesprächs- oder Mitarbeiterkreis und in Ihrer »Werkstattgruppe« die so gekennzeichneten Anregungen aufzunehmen.
Sie haben schon gemerkt: Die Werkstatt hat bereits geöffnet. Wir sind mittendrin und gleich geht es weiter ...
✪Zu Beginn können Sie ja einmal für sich selbst, aber auch für Ihre Gruppe überlegen, was Sie eigentlich erreichen wollen. Warum und wozu wollen Sie »mit Reden« nutzen – und warum und wozu wollen Sie überhaupt mitreden? Was soll dieses Werkbuch Ihnen bringen?
1. Von der Macht des Wortes
✪ Bevor Sie dieses Kapitel lesen, empfehle ich einen Einstieg für die Gruppe zum Selber-Denken.
Die Leitfrage ist: »Worte – was können und leisten sie und was nicht?«
Sie schreiben Überlegungen dazu auf Karten (in zwei Farben) und sammeln diese geordnet an einer Pinnwand oder auf dem Boden.
Ohne Zweifel, Sprache ist das herausragende Instrument der Kommunikation unter Menschen überhaupt. Wir wissen, dass auch Tiere sich durch Laute und vielleicht gar so etwas wie Worte miteinander verständigen (z.B. Papageien, Robben, Delfine, Raben, Elefanten). Eine derart ausgefeilte und differenzierte Sprache jedoch, wie wir Menschen sie entwickelt haben, ist nur dem Homo Sapiens zueigen. Man geht heute davon aus, dass die Anatomie des Menschen (Zusammenwirken von Rachenraum, Gaumensegel, Stimmbänder und Zunge, Lippen, Mund- und Nasenhöhle) und zusätzlich ein spezielles Gen (FOXP2) die Fähigkeit des Sprechens ermöglichen.
Worte sprechen lassen
Den Begriff »Sprache« beziehen wir nicht nur auf den Gebrauch von Worten. »Die Sprache der Liebe«, die »Sprache des Herzens«, die »Sprache des Geldes« usw. sind gängige Beschreibungen menschlicher Ausdrucksformen. So