mit Reden. Hermann Brünjes
Der Begriff Sprache kann wie ein Container für alles sein, was uns irgendwie anspricht, berührt und betrifft – auch ganz ohne Worte. Wir reden auch von Gebärdensprache, Körpersprache usw.
All dies spielt natürlich auch eine manchmal extrem wichtige Rolle beim Sprechen, Reden und dem Gebrauch von Worten, soll uns hier jedoch zunächst nicht vorrangig beschäftigen.
Hier geht es um die Sprache, die durch Worte entsteht und aus unserem Mund kommt. Worte sprechen. Vielleicht nicht immer, aber hoffentlich meistens gehen ihnen Gedanken voraus. Ein Gedanke wird ausgesprochen.
Der schon erwähnte Werner Steinbrecher hat oft Schriftzeichen in seine Bilder integriert. Er meinte einmal sinngemäß: »Schrift ist nichts anderes als ein Bild. Wir sprechen ja auch vom Schriftbild. Und was ist das? Es ist ein Bild von einem Wort. Schrift und Bild sind nichts anderes als die Darstellung des Wortes.«
Somit sind auch Schrift-Bilder Träger des gesprochenen Wortes. Wir alle kennen (und lieben) das: Briefe, Bücher, Gedichte ... auch wenn das Wort aufgeschrieben ist, spricht es zu uns.
Die Macht der Worte
Worte können etwas bewegen. Das erleben wir alle.
»Ich liebe Dich!«, da geht mein Herz auf! »Du bist toll!«, da fühle ich mich anerkannt. »Du spielst Fußball wie ein kleiner Messi!«, das spornt mich an, auch wenn ich es irgendwie übertrieben finde. »Wir schaffen das!« Dieser 2015 von Angela Merkel geprägte Satz hat zwar auch Widerspruch hervorgebracht, vor allem jedoch motiviert, Flüchtlinge aufzunehmen. Es gibt also Worte und Sätze, die bauen auf, trösten, stärken, motivieren ... Solche Worte hören wir gerne.
Es gibt aber auch Worte und Sätze, die zerstören und vernichten. »Du Dussel!«, da fühle ich mich klein und elend. »Du schaffst das nie!«, da reagiere ich entweder trotzig und verbissen oder mein Selbstwert sinkt bei jedem Wort dieser Art.
Wir alle kennen unzählige Beispiele beider Wirkungen von Worten. Kinder und Jugendliche erleben Bestätigung und Zuspruch. Ihr Selbstgefühl steigt, ihre Lebensfreude und Motivation gleichermaßen. Anders, wenn sie klein gemacht oder gar gemobbt werden. Solche Worte, auch wenn sie in den sozialen Medien gepostet werden, haben junge Menschen sogar schon in den Suizid getrieben. Worte wirken. Wir erleben, wie Populisten dies wissen und nutzen. Untergangsszenarien und apokalyptische Zukunftsbilder werden vor Augen gemalt. Ängste werden geschürt und als Ausweg Erlöser- und Retterfiguren oder Ideologien angeboten. All das geschieht durch Worte.
»Yes, we can!« Worte schüren Hoffnung und setzen Kräfte frei. »America first!« Worte spalten und grenzen voneinander ab. Nicht nur in Amerika, überall auf der Welt geschieht so etwas. Worte können Völker versöhnen (Martin Luther King, Nelson Mandela, Willy Brandt ...) und Worte können Krieg und Vernichtung hervorbringen, einleiten oder beschleunigen (Adolf Hitler, Joseph Goebbels, George W. Bush ...).
Soll also niemand sagen: »Das sind ja nur Worte!«
Richtig. Es werden viele Worte gemacht und oft geschieht wenig. Es gibt unzählige nutzlose, überflüssige, dumme und wirkungslose Worte. Täglich werden wir mit einer Flut von Worten konfrontiert, einer Sturmflut, einem Tsunami sogar. Jährlich erscheinen allein in Deutschland um die 80.000 Bücher. Zeitungen, Magazine, Prospekte und Flyer füllen die Altpapiercontainer. Fernsehen, Radio, Internet und Social Media lullen uns ein mit abertausenden Worten.
Zu behaupten, dass all dies und jedes Wort auch Wirkwort sei, wäre wohl maßlos übertrieben. Viele Worte verpuffen wie eine Fehlzündung oder zerplatzen wie schillernde Seifenblasen ohne Wirkung – es sei denn, man versteht das Desinteresse, die Müdigkeit und Abgestumpftheit gegenüber Worten und Texten als Wirkung jener Überschwemmung durch Worte ...
Was die Wirkkraft angeht: Es kommt ganz gewiss sehr darauf an, wer etwas sagt, in welcher Situation, also wann jemand redet und natürlich auch was er oder sie sagt und wie er oder sie es rüberbringt.
Es kommt also nicht nur auf das bloße Wort an, sondern auch auf die Person, auf Kontext und Zeitpunkt, auf den Inhalt und auf die Art und Weise wie Sprache eingesetzt wird.
Gottes Wort
Bis heute ringen und streiten Christen verschiedener Bekenntnisse um den Begriff »Gottes Wort« und das »rechte« Verständnis zu Bibel und (kirchlicher) Überlieferung. Die Literatur dazu vermag wohl Bibliotheken zu füllen. Dieses Werkbuch will und kann weder eine theologische Dogmatik noch ein Begriffslexikon noch eine Bibelkunde ersetzen. Auch erspart es jenen, die sich wirklich weiterbilden wollen, nicht die Lektüre theologischer Fachbücher.
In der Einleitung habe ich von »Elementarisierung« gesprochen. In diesem Sinne nenne ich hier ein paar mir einleuchtende Ansätze zum Verständnis des Wortes Gottes. Es sind nicht einfach »Erkenntnisse«, die theoretisch bleiben, sondern Einsichten, die sich praktisch auf meine und Ihre Verkündigung auswirken.
Göttliche Machtworte
Was Gott sagt, geschieht. Einleitend habe ich dies bereits erwähnt. Gott spricht und es entstehen Kosmos, Erde und Lebewesen. In diesem Sinn sind Gottes Worte starke und souveräne Machtworte.
Haben Sie es erlebt? Dass Gottes Wort etwas bewegt und sicht- und spürbare Wirkungen zeigt? Bei Ihnen und bei anderen? Ich ja. Nur ein paar Beispiele – und je länger ich überlege, desto mehr fallen mir ein:
Wir sprechen über Schuld und Vergebung. Ich bin erschrocken über mich selbst, weil ich zwei Reifen für meinen alten VW zwar mitgenommen, aber nicht bezahlt hatte. Dumme Schuldgefühle? Nein, ich war anderen etwas schuldig geblieben. Ich beichte es meinem Seelsorger. Der spricht mir zu: »Dir sind deine Sünden vergeben!« Welche Entlastung! Sofort habe ich auch meine Schulden bezahlt.
Aus Indien habe ich schon berichtet. Viele weitere Beispiele von dort könnte ich erzählen. Wie dies: Ich bete für eine Frau. Plötzlich fällt Sie um, schreit, zuckt und liegt da wie tot. Ich spüre keinerlei Puls. Plötzlich höre ich mich fast befehlend sagen: »Im Namen Jesu Christi: Atme, steh auf und danke Gott!« Völlig unreflektiert habe ich die Frau auf Deutsch angesprochen – und dann nicht schlecht gestaunt. Die Frau stand umgehend auf und sagte laut und vernehmlich »Vandenalu!« (Gott sei Dank!). Mein Wort war ganz offensichtlich zum Machtwort geworden.
Vielfach kamen Menschen auf mich zu und bedankten sich. »Danke! Was du gesagt hast, ist mir zu Herzen gegangen. Da hat Gott zu mir geredet.« Was sie im Gespräch mit mir oder beim Hören einer Predigt erlebt hatten, war für sie mehr als nur mein menschliches Wort. Es war zum Gotteswort geworden. So habe ich es selbst ja auch oft erlebt. Ich höre Christen von Gott reden, von ihrem Glauben und entdecke mich selbst im Gegenüber zu Gott.
Für mich ohne Zweifel: Gottes Wort wirkt. Dies betrifft auch viel größere Zusammenhänge als die meines persönlichen Lebens. Wir suchen und finden oft »natürliche« Erklärungen. Aber wer weiß, vielleicht steckt Gottes Kraft und Lenkung dahinter ... wenn ein Mensch vor großem Leiden bewahrt wird, wenn wieder Frieden einkehrt (auch zwischen Völkern), wenn die Mauer zwischen Menschen (auch die in Berlin) fällt, wenn jemand loslassen kann, am Ende vielleicht sogar sein Leben ... Dies alles muss nicht immer mit Worten verbunden sein, ist es oft jedoch. Wir beten mit Worten und Gott hört und erhört. Wir hören Worte und sind berührt. Ob durch eine Predigt, ein Referat, ob durch einen Filmdialog oder Liedertexte – oft wirken Worte unmittelbar auf uns und andere ein. Gott nutzt sie und erweist seine Macht durch sie. Anders ausgedrückt: Gott greift durch Worte in die Geschichte ein und verändert sie.
»Da muss mal jemand ein Machtwort sprechen!« so fordern es Zeitgenossen angesichts einer verwahrlosten Jugend (was diese schon immer war) oder vermummter Demonstranten. Gemeint ist, dass Politiker für »Recht und Ordnung sorgen« und Regeln und Gesetze mit Gewalt durchsetzen. Gelegentlich wird ein solches Machtwort auch von Gott erwartet oder gar verlangt. Er soll endlich eingreifen! So kann es doch nicht weitergehen mit dieser verdorbenen und gottlosen Welt. Corona-Pandemie, Klimakrise, Erdbeben, Terror und weltweite Flüchtlingsströme werden dann von einigen,