Die Hoffnung aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

Die Hoffnung aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen


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mich interessierte nur die eine und ich nahm jede Bewegung von ihr wahr und ihr glasklares Lachen. Sie verstand sich viel zu gut mit diesem Typ und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Seine Blicke sagten mir, dass sie für ihn seine Beute war und sie trank viel zu viel Sekt. Ich konnte gerade rechtzeitig einige Leute zwischen mich und sie bringen, als sie sich vom Hocker schob, um mit dem Typ nach Draußen zu verschwinden.

      Fassungslos suchte ich sie. Ich fand sie am Eingang der Scheune wieder, in der diese Bauernveranstaltung stattfand, als sie von irgendwoher aus der Dunkelheit schoss und an mir vorbei über den Platz stob, ohne mich wahrzunehmen. Der blonde Typ folgte wenig später fluchend und mir war an seiner Haltung schnell klar, dass sie ihm in seine Weichteile getreten hatte. Ich konnte dazu nur lautlos applaudieren und war stolz auf sie. Sie gehörte halt nicht zu so einem Schnösel …

      Ich holte von einer Bierbude zwei Fanta und folgte ihr zum Lagerfeuer, hinter dem sie sich verkrochen hatte. Als ich mich neben sie setze, sah sie auf und ich brachte bei ihrem Blick nur ein: „Du solltest vielleicht auf Fanta umsteigen“, hervor und reichte ihr nervös eine Flasche.

      Sie nahm sie, völlig perplex darüber, mich plötzlich neben sich sitzen zu haben.

      Ich stellte mich ihr vor, weil ich das bei meinem stümperhaften Auftritt in ihrem Garten versäumt hatte. „Übrigens, ich heiße Tim.“

      Sie fand auch sehr schnell ihre Stimme wieder, denn sie murmelte genervt: „Nicht noch so ein Timothie“, was scheinbar nicht für meine Ohren bestimmt war. Aber ich nahm das sofort als Aufhänger, ein Gespräch voranzubringen. „Timothie? Ich heiße Tim und nicht Timothie. Übrigens, war nicht nett von mir, einfach so in eurem Garten herumzuschnüffeln, ohne mich vorzustellen.“

      Sie sah mich unschlüssig an und murmelte ein: „Sowas ist auch nicht nett.“

      Ein weiteres Gespräch voranzubringen war wirklich schwer gewesen. So hatte ich sie nach diesem Typ gefragt. „War der Kerl von eben ein Timothie?“

      Sie hatte nur genickt und ich sah, dass ihr das Ganze wirklich peinlich war. Darum hatte ich locker eingeworfen: „Da weiß ich ja, was ich bei dir besser nicht versuche.“ Es sollte eine kleine Anmache sein, die das Gespräch auflockern sollte, und sie war sogar darauf eingegangen. „Ja, das ist wohl besser. So was kann böse enden“, hatte sie gesagt und mir ihr erstes Lächeln geschenkt.

      Ab da war das Eis gebrochen. Das Feuer vor uns, das seinen hellen Schein auf uns warf, und die laue Sommernacht, sowie die Musik aus dem Zelt, ließen sie offenbar mir gegenüber etwas vertrauensvoller werden, denn sie begann zu erzählen, dass sie das erste Mal an so einer Veranstaltung teilnahm. Sie sagte, dass dieser Timothie nett war und vernünftig gewirkt hätte, bis sie einige Gläser Sekt später von ihm zu einem Gang an die frische Luft überredet wurde. „Allerdings ahnte ich nicht, was er mit „Frische Luft schnappen“ meinte. Das waren wohl wieder irgendwelche Verständigungsschwierigkeiten oder eine Geheimsprache unter Partygängern, die mir noch nicht geläufig ist. Aber meine Antwort hat er dann doch verstanden, denk ich.“

      Sie war so naiv.

      Ich weiß noch, dass ich sie mit meinem Ausspruch: „Der braucht an etwas Bestimmtes heute nicht mehr zu denken“, verlegen gemacht hatte.

      Sie war es dann auch gewesen, die daraufhin schnell das Thema gewechselt hatte. „Seit wann wohnst du eigentlich hier? Ich habe dich hier vorher noch nie gesehen.“

      So hatte ich ihr von meinem Zimmer in Alfhausen erzählt und sie war entsetzt, dass ich mit meinen neunzehn Jahren allein in so einem Hotelzimmer hauste.

      „Also meine Eltern würden mich nicht so einfach wegziehen lassen“, hatte sie damals sogar gesagt. Dass auch sie ihr Elternhaus in den folgenden Wochen verließ, obwohl sie zu dem Zeitpunkt nicht mal achtzehn war, ahnten wir natürlich nicht.

      Ich erzählte ihr außerdem, dass ich meinen Vater nicht kenne würde und auf der Suche nach ihm wäre, und deshalb mit meiner Mutter im Streit läge.

      Sie wollte mir sofort suchen helfen und bot mir ihre Hilfe an. Aber es ging mir an diesem Abend nicht um meinen Vater oder um meine Mutter oder sonst was. Es ging nur um sie und mich. Darum versuchte ich das Thema auch zu beenden, weil sie sich auch noch darüber lustig machte, dass ich am falschen Ort wäre, wenn mein Vater in Osnabrück wohnt. Es war so unglaublich schwer ihr mein wirkliches Anliegen klarzumachen. So gestand ich ihr, dass ich eigentlich etwas aus meiner Vergangenheit und der meiner Familie suchen würde.

      Ich hatte ihr damals zum ersten Mal erklärt, was meine Motive waren. „Manche Menschen tragen ein Vermächtnis in sich, das aus einer anderen Zeit stammt und ihnen von ihren Vorfahren auferlegt wird. Ich muss etwas tun! Ich weiß nur nicht was!“, hatte ich ihr erklärt. „Und ich muss jemanden, außer meinem Vater, finden. Meine Träume werfen mir Brocken vor, denen ich nachgehe. Darum bin ich hier.“

      Ich weiß nicht, was ich erhofft hatte, aber sie sagte nichts dazu und starrte nur auf die Flammen des Lagerfeuers.

      „Du fragst gar nicht, von was für einem Vermächtnis ich spreche, wen ich suche oder was ich zum Beispiel in eurem Garten gemacht habe“, wollte ich sie zu einer Äußerung bewegen. Aber ihr Blick war pure Ablehnung und daher war es nicht verwunderlich, dass sie nur eine Frage herausgepickt hatte, die sie wohl am unverfänglichsten hielt. „Was wolltest du in unserem Garten?“

      Ich denke, ich wusste, dass ich einlenken musste, wenn ich sie nicht ganz verschrecken wollte. „Sag ich nicht“, hatte ich deshalb nur spielerisch hingeworfen, weil mich auch mein Mut verlassen hatte. Ich hatte schlicht und ergreifend Angst, ihr von meinen Träumen und von dem Alchemisten und seinem Labor zu erzählen. Und sie schien seltsamerweise froh darüber zu sein, dass ich es nicht tat. Jeder andere hätte mich gelöchert, was ich meinen würde. Aber sie nicht. Sie rief ein gespielt entrüstetes: „Sooo!“ Dabei schenkte sie mir ein erleichtertes Lächeln, was mich dazu bewegte, ihr alles zu erzählen, was nicht mit meinem Leben in Wolfsburg, meiner Familiengeschichte oder dem Alchemisten in mir zu tun hatte. Es gefiel mir, wie ihre Augen in dem Schein des Lagerfeuers zu leuchten begannen, während ich ihr Anekdoten von der zwar netten, aber etwas aufdringlichen und überbesorgten Hotelbesitzerin erzählte und ihr Lachen darüber stimmte mich glücklich. Bei ihr fühlte ich mich wohl und seltsam ruhig. Der Druck, ihr alles von meinen Träumen und dem Alchemisten erzählen zu müssen, hatte sich damals wie von Zauberhand gelegt. Etwas an ihr schien mich das alles vergessen zu lassen. Ich war da, wo ich mein Leben lang sein wollte. Das spürte ich an diesem Abend mit aller Macht. Bei ihr war ich ein anderer Mensch … oder der, der ich wirklich war.

      Irgendwann hatte sich mir dann aber doch wieder die Geschichte mit diesem Timothie aufgedrängt und ich hatte sie gefragt: „Stehst du auf blond und blauäugig?“

      Mit einem Blick, der bis tief in mich hineingereicht hatte und etwas darin zum Klingen brachte, hatte sie erwidert: „Eigentlich nicht. Ich weiß auch nicht, was mich da geritten hat.“

      „Das ist gut!“, war mir daraufhin herausgerutscht und sie hatte gefragt: „Warum?“ Dabei hatte ihre Stimme wie das Flüstern des Windes geklungen und ich hatte ihr genauso erwidert: „Weil ich nicht blond und blauäugig bin.“

      Was wäre wohl geschehen, wenn in diesem Moment nicht eine von ihren Freundinnen aufgetaucht wäre und lauthals ihren Namen über den Platz gerufen hätte?

      Carolin war daraufhin aufgesprungen und unsere gemeinsame Zeit war beendet. Aber ich wollte es nicht dabei belassen. „Können wir uns noch einmal treffen?“

      „Wieder in unserem Garten? Dann helfe ich dir suchen, was immer du zu finden beabsichtigst.“

      Das war ihr Versprechen an mich an diesem Abend. Aber mir blieb keine Zeit, ihr zu sagen, dass ich zwei Wochen nicht erreichbar sein würde. Ich hatte damals ein Engagement in einem Orchester angenommen. Das sollte sich noch rächen.

      Während sie zu ihrer Freundin ging, verschanzte ich mich hinter einem Baum und blickte auf den beleuchteten Platz zurück. Ich sah Carolin zwischen ihren Freundinnen zu den Fahrrädern gehen und ihr Blick glitt wieder zu dem Lagerfeuer zurück, als suche sie mich dort. Dann stieg sie auf ihr Fahrrad und


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