Die Hoffnung aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

Die Hoffnung aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen


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waren, die ich nur Wasser und Himmel sah. Aber eines Tages verfärbte sich der Himmel so schwarz wie ein Leichentuch und ein Unwetter brach über uns herein, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte.

       Das Schiff versank. Ich schwebte zwischen Leben und Tod, von den stürmischen Wellen auf einem Brett, an das ich mich gebunden hatte, hin und her gepeitscht.

       Der Sturm verging und der Tag brach an. Mit ihm noch zwei weitere Tage und Nächte. Dann, ich dachte wirklich es wäre ein Himmelsschiff, kam meine Rettung in Form eines großen Frachters, dessen Besatzung mich aus dem Meer fischte.

       Ein seltsamer Mann nahm mich in seine Obhut und pflegte meine von der Sonne verbrannte Haut und rettete mein Leben.

       Kari Mantei gab mir nicht nur mein Leben zurück, sondern er nahm mich als seinen Lehrling und Diener in seinen Dienst auf. Wir schifften in ein Land, das Ägypten heißt und mir wie der Himmel vorkam.“

      Ich weiß noch, mit wie viel Herzblut mein Vorfahre aus diesem Land berichtete und ich weiß noch, wie mich diese Geschichte meines Urgroßvaters tief in meinem Inneren traf. Schließlich kannte ich jeden Aspekt darin aus meinen Träumen. Und ich erkannte, dass mein Kurt mein Urgroßvater sein musste.

      Erst erschreckte mich dieser Umstand, doch dann verstand ich, was dieser Mann wirklich geleistet hatte. Er hatte sich seinen Wunsch nach Unsterblichkeit in gewisser Weise erfüllt. Doch der Irrsinn, der hinter der ganzen Geschichte steckte, offenbarte sich in seinen weiteren Schriften.

      „Kari Mantei nahm mich in sein Haus auf und unterrichtete mich in der Wissenschaft der Alchemie und der Heilkunst. Ich entdeckte bald, dass er ein wichtiger Mann in seinem Land war und die Achtung, die man ihm entgegenbrachte, schenkte man bald auch mir.

       Über zehn Jahre verbrachten wir damit, die Elemente des Feuers, des Wassers, der Erde und der Luft zu erforschen. Wir versuchten sie einer überirdischen Reinheit zu unterziehen, die wir dann als Grundlage für weitere Versuche nahmen, um auch andere Stoffe in einen Reinheitsgrad aufzusplitten, der noch nirgends Gleiches fand.“

      Seine Bücher strotzten vor Begeisterung für die Alchemie, beschrieben Verfahren und ihre Ergebnisse und zeigten ein Wissen, das mich einerseits verwirrte und mir doch nicht ganz fremd war.

      „Wenn alles aus einer Urmaterie, die in sich selbst eine Einheit ist, entstand, so mussten wir die Dinge zu ihrer Urmaterie zurückführen, aus der wir dann wiederum neues Entwickeln konnten. Kari Mantei war nicht allein mit seinem Wissen. Es gab geheime Sitzungen in einem unterirdischen Keller unter dem heißen Wüstensand, in dem wir uns mit anderen trafen und über unsere Ergebnisse berichteten. Dort erfuhr ich zum ersten Mal das wirkliche Ansinnen dieser alchemistischen Vereinigung. Kari Mantei hatte mich schon darauf vorbereitet. Aber niemals ahnte ich, welches Ausmaß der Wunsch angenommen hatte, endlich das Aurum Potabile des ewigen Lebens zu erschaffen. Alle waren besessen von diesem Wunsch nach Unsterblichkeit und ich mittlerweile genauso.

       In der Alchemie gibt es Ansichten und Weisheiten, die aus Zeiten stammen, als diese Wissenschaft noch in Kinderschuhen steckte. Aus der Zeit stammt ein Wissen über pure Intensität und Kraft, die alles beherrschend durchdringt und alles zu dem macht, was es ist. Es gibt Anhänger der Alchemie, die genau die gleichen Eigenschaften dem Lebenssaft zusprechen und meinen, dass man unsterblich werden kann, wenn man durch das Blut einer jungen Frau immer wieder eine Körpererneuerung erlebt. Oder andere waren sich sicher, dass nur der Unsterblichkeit erlangt, der sein eigenes Blut mit dem Blut seiner aus Inzest geborenen Tochter ersetzt, was immerwährenden Inzest und Mord zur Folge hatte. Ich fand diesen Gedanken grässlich, obwohl es einige unter uns gab, die darauf schworen, dass dies das Einzige ist, das wirklich Erfolg verspicht.

      Ich wollte diesen Weg nicht gehen und versuchte viele andere Wege. Doch ich sah, dass es im Namen unserer Zunft immer wieder zu erschreckenden Taten kam und wir bald als Mörder verschrien uns alle auf die Flucht begeben mussten. Kari Mantei kam bei der Flucht ums Leben. Er wurde von einer selbstjustizfordernden Meute gehängt, bevor er seine Unschuld auch nur beteuern konnte. Die wahren Mörder unter uns wurden nicht zur Rechenschaft gezogen und ich hasste sie dafür und beschloss 1938 wieder in meine Heimat zu reisen. Doch dort beschwor Deutschland nur ein Jahr später einen Krieg mit Polen herauf und mein Vater verlangte von mir, das gleiche Schicksal zu ertragen wie er selbst und mich dem Tod im Krieg zu stellen. Doch dass der Tod für mich eine andere Bedeutung hat, wie für ihn, schließlich hatte ich mein Leben damit zugebracht, ihm zu entkommen, ahnte er nicht. Und ich hatte noch nicht die Gewissheit, meinem Ableben auch wirklich durch mein alchemistisches Wissen entrinnen zu können. Meine Versuchsergebnisse hatte ich nur in Büchern mitbringen können und mein Labor in meiner Heimat war noch zu neu und unvollständig und meine Arbeit dort hatte mir noch keine neuen Erkenntnisse beschert. Doch der Tod traf nicht mich in den Wirren der Kriegszeit, sondern meinen wie einen Bruder lieb gewordenen Freund Martin, der mit mir auf der Suche nach dem ewigen Leben war. Und sein Tod war es, der mich voller Verzweiflung doch noch andere Wege des Aberglaubens aus den ersten Tagen der Alchemie einschlagen ließ.

       Mittlerweile hatte ich in Erfahrung gebracht, dass ich eine Tochter habe, die Maja heißt. Meine Sonja, die mich damals gegen den Bauern austauschte, war schwanger gewesen und ich war ahnungslos in die weite Welt gezogen.

       Ich bemühte mich das junge Mädchen kennenzulernen. Sie war zu dem Zeitpunkt 18 Jahre alt. Doch Sonja verbat es mir und ich hoffte auf einen späteren Zeitpunkt, an dem ich meine Tochter in die Alchemie einweihen konnte. Sie sah ich als eine alchemistische Grundlage an, die mich zwar auf eine Weise unsterblich machen sollte, die ich bis dahin verpönte, die aber mit meinem zunehmenden Alter und der zunehmenden Angst vor dem Sterben mein Gewissen unterjochte.

       Der Krieg tobte übers Land und ich war nicht bereit, daran teilzunehmen. Nachdem mein Freund schon gefallen war, legte ich einem von einer Bombe zerrissenen Kameraden meine Marke um das, was von seinem Hals übriggeblieben war und tauchte in dem Haus unter, das ich mir kurz nach meiner Ankunft in meiner alten Heimat gekauft hatte. Dort verschanzte ich mich in meinem unterirdischen Labor. Mich beseelte nur noch der Gedanke, alle mir erdenklichen Möglichkeiten offen zu halten, die mein alchemistisches Wissen mir offenbarte und ich begann einen zweiten Weg einzuschlagen. Ich weiß, dass für dich, meine liebe Tochter, das Ganze wie ein Fluch wirken muss. Aber es geht um Größeres. Es ist einfach die Gewissheit, zu einem bestimmten Zeitpunkt alles vorbereitet zu haben, was in meiner Macht steht. Und dieser Zeitpunkt ist mein Tod.

       So schreckte ich nicht davor zurück, einen Weg zu gehen, den Kari Mantei aus einem der ältesten Bücher der Alchemie erschlossen hatte: Zeugt man mit einer Frau, die dem eigenen Blut entspringt, ein Kind, kann diesem Wesen ein offener Geist gegeben werden, der dem Alchemisten eine Hülle für seinen eigenen Geist geben kann, wenn er dem Wechsel ins Jenseits entrinnen will.

       Ich musste dazu ein Mittel erschaffen, das den Genpool meines zweiten Kindes, und aller folgenden Nachkommen, weitgehendst rein erhielt, um diese Hüllen über Generationen aufrechterhalten zu können.

       Ich schuf dieses Mittel.

       Da meine Tochter, Deine Mutter Maja, mich nicht kannte, hatte ich keine Schwierigkeiten sie zu treffen und ihr den Hof zu machen. Sonja, meine einstige große Liebe, Deine Großmutter, durfte davon nichts erfahren. Es war Krieg, und das Leben war von Hunger, Todesangst und Leid geprägt. Ich brachte Maja heimlich Essen und Geschenke und sie hielt mich für einen reichen Bauern, der sich von dem Soldatenleben freigekauft hatte. Es war leicht, sie zu beeindrucken und keiner hatte Zeit, auf unser Treiben zu achten. Mit meinem alchemistischen Wissen und dem Mittel, das sie mir ganz hörig machte, verführte ich sie und ließ sie in dem Glauben auf eine baldige Hochzeit. Was ich bis dahin nur hoffen konnte war, dass dieses Mittel sich einen Weg in die Genmatrix sucht, die alle weiteren Nachkommen zwingt, sich mit denen, die diesen Genpool in sich tragen, zusammengehörig zu fühlen und zu vereinigen. Denn das war die eigentliche Macht, die von dem Mittel ausgehen sollte und mir auch Maja letztendlich näherbrachte.

       Mein Blut sollte immer wieder zu meinem Blut führen und rein bleiben, falls mich doch der Tod ereilt


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