Dämonentreue. Dagny Kraas
Linie hinunterzugehen, und auch die Klinke zum Gästezimmer entglitt zwei Mal seinen Fingern, bevor es ihm gelang, sie hinunterzudrücken und die Tür zu öffnen. Als er eintrat, vergaß er, sich zu bücken, und stieß prompt mit der Stirn gegen den hölzernen Rahmen.
Er fluchte leise, machte einen schwankenden Schritt in den Raum hinein und schloss die Tür hinter sich. Einen Moment lang blieb er mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt stehen und sah sich um.
In dem kleinen Raum befanden sich nicht viele Möbel: ein Tisch, ein Stuhl, eine niedrige Truhe und zwei Betten an den Seitenwänden. Im linken davon schlief Béo, ihr Haar wie eine Flut goldener Wellen auf dem Kopfkissen.
Die kleine Kerze, die auf dem Tisch in einem Glas stand, gab ausreichend Licht, um sich beim Entkleiden nicht auf den Tastsinn verlassen zu müssen, dennoch geriet es zu einer echten Herausforderung, die Schnalle seines Waffengurts zu öffnen: Der Dorn schien ein seltsames Eigenleben entwickelt zu haben.
Einen Herzschlag lang schloss er die Augen, um sich zu konzentrieren, doch dabei geriet er so gefährlich aus dem Gleichgewicht, dass er sie wieder öffnete. Er fluchte erneut.
Béo wachte auf, rollte sich herum und sah ihn verschlafen an.
»Meine Güte«, staunte sie, »wie viel hast du getrunken?«
»Mehr als Tiko«, antwortete er und wunderte sich selbst darüber, wie undeutlich seine Stimme klang. »Und der hat es nicht mehr aus dem Sessel geschafft. Ich bin immerhin hier. Aber der…«, er suchte nach dem richtigen Wort, »Waffengurt wehrt sich gegen meine Versuche, ihn abzulegen. Und wie ich aus den Stiefeln kommen soll, weiß ich auch noch nicht.«
Béo schwang die Beine aus dem Bett.
»Ich helfe dir«, bot sie an, und bevor er etwas erwidern konnte, hatte sie den Waffengürtel schon gelöst und ihn mitsamt dem Schwert und den beiden Messern darin auf dem Tisch abgelegt. Als nächstes öffnete sie die Knöpfe seines Hemds, wobei sie offensichtlich sehr genau auf ihre Finger achtete, um sich nicht zu verletzen. Sie streifte ihm das Kleidungsstück über die Schultern und warf es auf den Stuhl, der am Tisch stand.
»Verdammt«, brummte er, nur halb im Spaß. »Jetzt ziehst du mich schon mal aus, und ich bin zu betrunken, um es zu genießen!«
»Benimm dich«, mahnte Béo streng und gab ihm einen Stoß, der ihn sein ohnehin wackliges Gleichgewicht verlieren ließ. Cridan taumelte zur Seite, stolperte und fiel.
Geistesgegenwärtig packte sie zu, um ihn festzuhalten – doch es war ein aussichtsloses Unterfangen: Cridans Gewicht riss sie schlicht mit ihm zu Boden.
Sie keuchte schmerzerfüllt auf, als die Schuppen seines Unterarms blutige Furchen in ihrem Handteller hinterließen. Im nächsten Moment landete sie auf seinem Brustkorb, rutschte über seine Schulter ab und wäre um ein Haar mit dem Gesicht voran auf den Dielenbrettern gelandet. Im letzten Augenblick rollte sie sich zusammen und schrammte nur mit der Wange über den rauen Boden.
»Verflucht noch mal«, stieß sie hervor, rappelte sich auf und sah ihn an. »Au, verdammt! Wie konnte ich nur so dämlich sein? Tut mir Leid, ich wollte dich nicht umreißen!«
»Wie es aussieht, habe nicht ich den Schaden davon getragen«, bemerkte er teils belustigt, teils besorgt. Mit einem Blick auf ihre blutverschmierten Hände fügte er hinzu: »Vielleicht solltest du dir von deiner Tochter zeigen lassen, wie man einen Dämon richtig anpackt.«
»Du bist wirklich unmöglich!« entfuhr es ihr. »Aber wo wir schon hier unten sind: Zieh die Stiefel aus!«
»Geht nicht«, gab er zurück. »Das Zimmer dreht sich zu schnell. Ich mache mir ernsthaft Sorgen, was passiert, wenn ich mich bewege.«
Béo stieß einen ärgerlichen Seufzer aus, zog sein Hemd vom Stuhl und wischte sich notdürftig das Blut von den Händen und Unterarmen. Dann wickelte sie sich das Hemd um die Hand, schnürte seine Stiefel auf und zerrte sie ihm von den Füßen.
Cridan beobachtete sie dabei. Auf ihren Händen und Unterarmen waren zahlreiche blutige Schnitte, und auch ihr Nachthemd war auf der Vorderseite zerrissen und zerschnitten, wo es mit seinen Schuppen in Berührung gekommen war.
Es tat ihm Leid, dass sie sich verletzt hatte, aber irgendwie gefiel es ihm auch, sie neben sich auf dem Boden zu haben.
»So«, sagte sie schließlich entschieden. »Die Hose kannst du anbehalten. Ist vielleicht auch besser. Und jetzt hoch mit dir!«
»Hoch mit mir?«
Er lachte, dunkel und heiser. Der Geruch ihres Körpers und ihres Blutes erregte ihn. Er erschrak beinahe vor seinen eigenen Gedanken: War das noch er?
Selbst in seinem jetzigen Zustand war er noch zu schnell für sie. Ehe sie zurückweichen konnte, hatte er sie gepackt.
Er hielt sie an den Oberarmen fest und sah sie an. Ihr Nachthemd hing vorne in Fetzen, offenbarte ihre bloße Haut und große Teile ihrer Brüste.
Mit einem Mal ging sein Atem schneller. Sein Herz pochte heftig in seiner Brust, und weiter unten, zwischen seinen Beinen…
»Lass den Blödsinn«, befahl sie. Ihre Stimme klang rau. »Sonst…«
»Sonst was?« Er ließ sie nicht aus den Augen. »Wovor hast du Angst?«
Sie erwiderte seinen Blick, rührte sich aber nicht. Ihre Augen waren wie dunkle Spiegel, in denen winzig klein das Abbild der Kerzenflamme leuchtete.
»Wovor hast du Angst?« wiederholte er leise. »Hast du Angst, dass es dir gefallen könnte?«
Er ließ ihre Arme los, streckte die Hand aus und berührte sacht ihre Wange. Sie erschauerte unter seiner Berührung und holte hörbar Luft. Er spürte, wie sie gegen die Erregung, die auch sie ergriffen hatte, ankämpfte.
Obwohl in ihm die Gefühle kochten, wurde ihm doch schlagartig bewusst, wer sie war: Sie war Mar‘Tians Ehefrau. Seine Königin.
»Es ist ein Jammer«, murmelte er, mit einem Mal wieder nüchtern, und zog die Hand zurück. »Ich frage mich, ob du jemals vernünftig wirst! Du kannst doch nicht versuchen, einen T‘han T‘hau mit bloßen Händen aufzufangen!«
Er kniete sich neben sie und löste das blutverschmierte Hemd von ihrer Hand. Während er sich die Verletzungen genauer besah, spürte er den schnellen Puls an ihrem Gelenk.
Nein, dein Gefühl trügt dich nicht, dachte er. Sie mag dich. Sie mag dich sogar sehr. Nicht nur ihr klopfendes Herz, sondern auch ihr Geruch verrät es…
Verheißungsvoll und lockend stieg ihm ihr Duft in die Nase und machte es ihm zusätzlich schwer, sich zu konzentrieren.
Sei bloß vorsichtig!
Die Schnitte waren glücklicherweise zum größten Teil nicht besonders schlimm und hatten überwiegend schon aufgehört zu bluten. Nur die Stellen, wo sie versucht hatte, ihn mit der Rechten festzuhalten, waren tiefer.
Sie entzog ihm ihre Hand und stand auf.
»Komm schon, Cridan, du gehörst ins Bett. Und zwar in dein eigenes.«
Sie half ihm auf die Füße und schob ihn zum zweiten Bett. Widerstandslos ließ er sich von ihr zudecken und schloss dann die Augen.
»Schlaf gut«, hörte er sie flüstern, während sie in ihre Decken kroch und die Kerze ausblies. Er wollte noch etwas antworten, doch seine Zunge war einfach zu schwer und die plötzliche Müdigkeit zu stark.
In dieser Nacht hatte er verworrene Träume.
4. Kapitel – Aufbruch
Als er am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich zerschlagen und müde. In seinem Kopf war ein unangenehmes Pochen, und seine Zunge war trocken und belegt.
Verflucht noch mal, dachte er, ich hätte nicht so viel trinken sollen. Was für eine bescheuerte Idee! Ich kann mich nicht einmal mehr