Dämonentreue. Dagny Kraas

Dämonentreue - Dagny Kraas


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zu erwählen?«

      Er hatte noch nie darüber nachgedacht, und im ersten Moment wollte er verneinen, zögerte jedoch. Er wollte ehrlich mit ihr und auch sich selbst sein.

      »Ich glaube, da bin ich etwas selbstsüchtig«, bekannte er schließlich und grinste. »Ich würde mir ein solches Versprechen gern geben lassen, aber selbst geben wollen würde ich ein solches Versprechen nicht!«

      »Das ist in der Tat selbstsüchtig«, stimmte Béo ihm zu. »Nur eins verstehe ich nicht: Du hast mir mal gesagt, du hättest keine eigenen Kinder. Wenn aber doch…«

      Er musste seinen Gesichtsausdruck nicht gut genug unter Kontrolle gehabt haben, denn sie brach ab.

      »Entschuldige«, bat sie. »Ich wollte dir nicht zu nahe treten.«

      Er zwang sich zu einem Lächeln.

      »Schon gut. Du kannst es nicht wissen. Ich rede nicht oft darüber.«

      Er sah auf Camros wippende Mähne vor sich hinab und versuchte sich zu erinnern, wie es damals gewesen war.

      »Ich hatte einmal zwei Söhne«, sagte er dann. »Ich war noch sehr jung, kaum sechzehn Jahre, und gerade Skatarhaks ficha‘thar geworden, als sie geboren wurden. Ihre Mutter war eine der wenigen T‘han T‘hau, die ich zu meinen Freunden zählte, und sie wusste, welches Leben ich gewählt hatte. Ich habe sie einmal besucht, kurz nachdem meine Söhne geboren worden waren, und danach habe ich sie nie wiedergesehen. Weder Chama noch meine Söhne. Ich weiß nicht einmal mehr ihre Namen.«

      Er griff in die Zügel und ließ Camro in Schritt fallen.

      Warum erzählst du ihr das? Er wunderte sich ein wenig über sich selbst. So viele Jahre hast du diese Erinnerungen in dir vergraben, dass es dir schon schwerfällt, sie wieder ins Gedächtnis zu holen – weshalb tust du es jetzt?

      Ihm war nicht klar, warum er es tat, doch es fühlte sich richtig an. Wenn jemand ihn verstehen konnte, dann sie. Und so fuhr er fort:

      »Es ist für dich vielleicht schwer nachzuvollziehen, aber ich lebte – und lebe immer noch – ein Leben, das sich von dem anderer T‘han T‘hau unterscheidet. Ich kann keine Gefährtin oder Familie haben, nicht wie du es kennst oder dir vorstellst. Mein Leben gehört meinem König, und ich diene dem Volk Gantuighs. Es ist der Weg, den ich gewählt habe und den ich gehen will. Ich wollte nie Kinder. Vielleicht weil ich wusste, dass ich sie nicht lieben kann.«

      »Ich habe meine Söhne nicht geliebt, und ich fühle mich deswegen bis heute in gewisser Weise schuldig. Selbst Skatarhak, der so grausam sein konnte wie kaum ein anderer, liebte seine Kinder. Ich konnte das nicht. Ich habe nie Wert darauf gelegt, Nachkommen zu zeugen. Ich hätte sie ohnehin nie aufziehen können, nie eine Familie haben können! Mein Weg war ein anderer; ein Weg, den ich nur ohne Gefährtin und ohne Kinder gehen konnte. Es ist zwar sehr wahrscheinlich, dass ich noch mehr Kinder mit anderen Frauen hatte, vermutlich ein ganzes Heer von Bastarden auf dem Kontinent«, er lächelte humorlos, »aber ich weiß nichts von ihnen. Und im Grunde ist mir das ganz recht so.«

      Er machte eine kleine Pause und sprach dann weiter:

      »Ich wollte nie Kinder haben, und heute kann ich es nicht einmal mehr. Als Skatarhak Tiko fortgeschickt hat, wollte er nicht, dass ich mit ihm gehe. Er wollte, dass ich auf Gantuigh bleibe, an seiner Seite, und den Krieg mit ihm führe, als seine Waffe, sein Kettenhund und Henker. Ich habe mich damals anders entschieden, weil ich wusste, Skatarhaks Weg war falsch. Ein König muss das eigene Volk beschützen, und wenn er es nicht tut, dann muss der ficha‘thar es tun. Skatarhak hat das Volk der T‘han T‘hau in den Untergang gestürzt – es war meine Aufgabe und Pflicht, die Blutlinie der Könige zu beschützen. Und das konnte ich nur an Tikos Seite. Ich habe mich letztlich durchsetzen können, aber ich habe teuer dafür bezahlt. Skatarhak hat mir für alle Zeiten die Möglichkeit genommen, Söhne oder Töchter zu haben.«

      Er fing ihren Blick auf und schüttelte den Kopf.

      »Frag‘ nicht weiter. Es gibt Dinge, an die ich mich nicht erinnern will, und diese Sache gehört eindeutig dazu.«

      »Ich wollte nicht fragen«, murmelte sie. »Mir wird nur gerade wieder klar, was Skatarhak für ein Ungeheuer war.«

      »Das war er in vielerlei Hinsicht«, bestätigte Cridan düster.

      Ein trauriges Lächeln ging über Béos Gesicht.

      »Weißt du«, sagte sie, »mir geht es ähnlich und doch ganz anders als dir. Ich wollte immer Kinder. Es war ein furchtbarer Zeitpunkt und die denkbar ungünstigste Lage, in der ich war, als ich feststellte, mit Ajula schwanger zu sein, aber mir hat sich nie die Frage gestellt, ob ich sie wollte. Und ich bin sehr glücklich, dass es so ist. Sie ist ein wunderbares Kind.«

      Er spürte, wie schwer ihr die nächsten Worte fielen, und wartete taktvoll, bis sie weitersprach.

      »Es passierte ein paar Jahre nach Ajulas Geburt. Zu der Zeit lebte ich schon hier auf Gantuigh, bei Rim‘var. Er hat mich und Ajula damals bei sich aufgenommen, und er ist einer der besten Freunde, die ich mir wünschen könnte. Ich war wieder schwanger, mit Syrians zweitem Kind. Ich hatte mir immer Geschwister für Ajula gewünscht. Rim‘var war auf Geschäftsreise, Syrian irgendwo auf dem Kontinent unterwegs, und ich mit Ajula allein. Ein Unwetter zog auf, und ich wollte die Pferde von der Koppel holen. Auf dem Rückweg brach das Gewitter los. Die Stute, die ich führte, erschrak, riss sich los und keilte nach hinten aus. Sie… Sie traf mich in den Bauch.«

      Cridan hörte das Zittern in ihrer Stimme, und ihm war, als würde es plötzlich kälter werden. Er wusste, was sie erzählen würde.

      »An diesem Tag brachte ich nicht nur ein totes Mädchen zur Welt.« Béos Worte waren leise, kaum hörbar. »Ich war schwer verletzt und wäre beinahe verblutet. Mar‘Tian war bei mir, die ganze Zeit, auch als die Hebamme mir erklärte, dass ich nie wieder ein Kind bekommen würde.«

      Sie seufzte, doch dann lächelte sie.

      »Ich habe ein Kind verloren, aber den Mann meines Lebens gewonnen. Vielleicht sollte es so sein.«

      Ihre Miene hellte sich auf.

      »Aber dieser Tag ist viel zu schön, um ihn mit solch finsteren Erinnerungen zu füllen! Freuen wir uns lieber darauf, unsere Freunde und Familie wiederzusehen! Ich war schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr dort!«

      Zwar war der Tag warm gewesen, doch als die Sonne hinter den Gipfeln versank, wurde es rasch dunkel und kalt. Sie verbrachten die Nacht im Freien, auf einer kleinen Anhöhe neben einem Gebirgsbach, der munter in die Tiefe sprang und sie mit frischem, klaren Wasser versorgte. Unter sich konnten sie bereits die letzten Ausläufer der Berge sehen und dahinter das Hügelland, in dem die T‘han T‘hau unter Tiko lebten.

      Fröstelnd rutschte Béo näher an das kleine Feuer, das sie entzündet hatten, und zog ihren Umhang aus der Satteltasche.

      Cridan warf ihr seinen eigenen Mantel zu: »Nimm den, er ist größer. Du kannst dich damit zudecken.«

      Dankbar schlang sie sich den festen Wollstoff um die Schultern und wickelte die Enden des Mantels um ihre Beine, bevor sie sich auf die Seite sinken ließ, den Arm unter den Kopf schob und in die Flammen sah.

      »Eigentlich ist es doch gemein«, seufzte sie. »Tagsüber ist es schon richtig warm, und nachts muss man immer noch frieren.«

      Er lachte.

      »Ich würde dir ja anbieten, dich zu wärmen, aber ich fürchte, das wird schwer!«

      »So kalt können deine Schuppen gar nicht sein«, murmelte Béo, schon halb eingeschlafen.

      Cridan antwortete nicht, aber er setzte sich neben sie, legte seine Arme um ihre Schultern und zog sie auf seinen Schoß. Er spürte selbst, wie kühl seine Schuppen waren, doch nach einer Weile schienen sie die Körperwärme von Béo zu spiegeln.

      Mit einem wohligen Seufzer streckte sie sich in seinen Armen aus.

      Er drückte sie kurz ein wenig fester an


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