Dämonentreue. Dagny Kraas

Dämonentreue - Dagny Kraas


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das.

      Er hatte Tage und Wochen damit zugebracht, das Vertrauen des Tieres zu gewinnen. Er hatte Stunden bei ihm gesessen und mit ihm gesprochen, war der einzige gewesen, der Camro gefüttert, getränkt oder auf die Weide gebracht hatte, und ganz allmählich hatte sich die Furcht des Hengstes vor dem geschuppten Krieger gelegt, bis er Cridan schließlich so selbstverständlich akzeptiert hatte, als wäre er nie einem anderen Reiter begegnet.

      Auch jetzt folgte er Cridan ohne jede Spur von Scheu auf den Hof. Als Cridan sich in den Sattel schwang, bog das Pferd den Kopf herum und stieß ihn sanft mit dem Maul an. Cridan beugte sich zu ihm hinunter und zauste ihm die dichte Stirnlocke, bevor er die Zügel aufnahm.

      »Sollen wir?« fragte er nach einem Blick auf Béo, die auf ihrem schlankeren Hengst Whal bereits auf ihn wartete.

      Sie nickte. Nebeneinander trabten sie durch das Tor auf die Straße, die sie in weniger als zwei Tagesritten zur Siedlung der T‘han T‘hau bringen würde. Béos Pferd Whal hatte ein ähnlich stürmisches Temperament wie Camro, und als sie die Häuser der Stadt hinter sich gelassen hatten und die Straße erst ins Tal und dann weiter in die Berge hinauf führte, gaben sie den Pferden die Zügel frei. Die beiden Rappen sprangen in einen frischen Galopp, die Hufe trommelten den Takt auf dem Pflaster.

      Cridan schloss für einen Moment die Augen und konzentrierte sich auf das Gefühl des warmen Sonnenscheins auf seiner Haut, der Bewegungen des Pferdes unter sich und das Geräusch, mit dem ihm der Wind um die Ohren pfiff.

      »Ist das nicht wunderschön?« rief Béo zu ihm hinüber. Sie schien den Ritt ebenso sehr zu genießen wie er.

      Cridan grinste breit.

      »Das ist es«, gab er zu. »Und wie ich sehe, hat Mar‘Tian Recht, was dich angeht!«

      Béo nickte lachend.

      Die Straße wurde zunehmend schmaler und steiler, als sie anfing, sich die nächste Bergflanke hinaufzuwinden, und sie zügelten ihre Pferde in einen leichten Trab.

      Cridan warf Béo einen Blick zu. Ihre Augen ruhten auf ihm. Die ausgelassene Freude war von ihrem Gesicht verschwunden und hatte einer fast betroffenen Nachdenklichkeit Platz gemacht.

      »Worüber grübelst du nach?« fragte er.

      Ertappt lächelte sie. »Über Vergangenes.«

      »Vergangenes?« Er legte die Stirn in Falten. »Das lohnt sich nicht. Du solltest deinen Blick lieber nach vorn richten. Es ist eine bedeutsame Aufgabe, die vor uns liegt, und es zeigt, welches Vertrauen Mar‘Tian in dich setzt.«

      »In uns«, berichtigte sie ihn. »Dein Anteil an dieser Aufgabe ist ebenso groß wie der meine, wenn nicht um einiges größer. Trotzdem können wir auch aus dem Vergangenen lernen, und manchmal ist es dafür wichtig, es noch einmal zu betrachten.«

      »Ach«, bemerkte er fast ein wenig spöttisch und trieb Camro wieder in Galopp, »und was betrachtest du?«

      Béo schwieg einen Augenblick, bevor sie antwortete:

      »Ich frage mich, ob Mar‘Tian dich auch in die Berge geschickt hätte, wenn er gewusst hätte, dass Guthrag dein Bruder war.«

      Cridan zögerte kurz. Er hatte nicht erwartet, dass sie darüber nachgedacht hatte.

      Guthrag war der Gefährte von Tikos Schwester Inth Silia gewesen und hatte der abtrünnigen T‘han T‘hau, die er bis zur Selbstaufgabe geliebt hatte, nicht nur als williger Handlanger gedient, sondern in ihrem Auftrag auch versucht, Cridan zu ermorden. Aus dem Hinterhalt heraus hatte er seinen eigenen Bruder feige überfallen, ihm den bestialischen und öffentlich zur Schau gestellten Mord an einem jungen Mädchen angehängt und ihn dem rasenden Mob in L‘hunivals Straßen vorgeworfen.

      Cridan hatte diesen Anschlag nur um ein Haar überlebt – und Mar‘Tian hatte die Situation geschickt ausgenutzt: Er hatte Cridan an einen geheimen Ort tief im Berg unter der Burg schaffen lassen. Während Cridan sich dort langsam erholte, hatte Mar‘Tian die Welt glauben lassen, dass der Anschlag geglückt und der T‘han T‘hau ums Leben gekommen sei. Er hatte sogar eine Beerdigung für seinen angeblich toten ficha‘thar gestellt.

      Seit diesem Angriff auf sein Leben trug Cridan nun den dunklen Panzer, der aus den zerstörten Resten seines alten Schuppenkleids nachgewachsen war – und Cridan hatte die neuen Eigenschaften seiner matten Panzerung zu schätzen gelernt, als er in die Tunnel und Höhlen der Berge aufgebrochen war, um Inth Silia und die Verräter an ihrer Seite zur Strecke zu bringen. Letztlich hatte er nicht nur Silia selbst, sondern auch seinen Bruder Guthrag getötet.

      Das war es, worauf Béo anspielte.

      »Ich denke schon«, antwortete er nach einer Weile. »Davon abgesehen, hätte ich darauf bestanden.«

      »Aber… Er war dein Bruder! Und Inth Silia hast du geliebt!«

      »Beides ist wahr«, nickte er mit einem kleinen Achselzucken, »und doch wieder nicht. Damit du das verstehst, muss ich ein wenig weiter ausholen. Ich will versuchen, es dir zu erklären. Guthrag ist von Bluts wegen mein Bruder, das ist richtig, doch bei uns zählt das nicht in dem Maße wie bei euch. Siehst du, wir haben alle so viele Brüder, Schwestern, Halbgeschwister…«

      Er winkte ab.

      »Jeder Mann, der etwas auf sich hält, hat mindestens zehn Kinder in seinem Leben gezeugt. Mit welcher Frau er die Kinder hat, spielt keine große Rolle. Die Kinder werden in der Familie aufgezogen, in die sie hineingeboren werden, ganz gleich, wer ihr Blutsvater ist. Daher sind unsere Familien häufig riesig und sehr kompliziert miteinander verwoben. Versteh mich nicht falsch: Es ist nicht so, als würden Familienbande nicht existieren! Sie sind nur einfach anders als bei euch.«

      Er machte eine kleine Pause.

      »Ich mochte Guthrag, habe ihn als Freund und Bruder geschätzt, und als klar war, dass Inth Silia sich für ihn entscheiden würde, habe ich das akzeptiert. Natürlich wäre es mir damals lieber gewesen, wäre ich an seiner Stelle gewesen, aber im Nachhinein betrachtet war es vielleicht ganz gut so. Wer weiß, ob sie sonst mich für ihre habgierigen Ziele benutzt hätte?«

      Er verschwieg, dass er einmal ganz anders darüber gedacht hatte, und dass es dieser Vertrauensbruch gewesen war, der ihn und seinen Bruder entzweit hatte.

      Béo rümpfte die Nase. »Ich glaube kaum, dass sie das geschafft hätte.«

      Eine Weile lag Schweigen zwischen ihnen.

      »Haben wirklich alle Männer bei euch so viele Kinder?« fragte Béo dann.

      Cridan nickte.

      »Allerdings, ja. Tiko hat über dreißig – zumindest die gezählt, von denen ich weiß. Bald wird es ja noch eins mehr!«

      Er grinste.

      »Und wenn er Gironna nicht versprochen hätte, dass sie seine einzige Bettgefährtin bleiben würde, wären es sicherlich schon etliche mehr.«

      Gironna war Tikos Gefährtin und stammte aus dem Volk der Menschen vom Kontinent. Sie hatte zu einer Gruppe von Abenteurern gehört, die mit Mar‘Tian und Béo befreundet waren. Tiko und sie waren sich im letzten Jahr begegnet, und es war trotz ihres ungleichen Aussehens Liebe auf den ersten Blick gewesen. Selbst Cridan, der dieser Verbindung anfangs skeptisch gegenüber gestanden hatte, hatte rasch begriffen, dass die beiden einander auf ganz besondere Weise zugetan waren. Gironna hatte alles zurückgelassen, um dem damaligen König der Dämonen in sein Leben zu folgen, und Tiko wiederum liebte seine Gefährtin so sehr, dass er ihr – entgegen aller Gewohnheiten der T‘han T‘hau – versprochen hatte, mit keiner anderen Frau mehr das Lager zu teilen.

      »Er hat es ihr tatsächlich versprochen?« Béo staunte. »Das muss etwas Besonderes für euch sein.«

      Cridan hob die Schultern.

      »Ja und nein. Es ist ungewöhnlich, aber auch unter uns T‘han T‘hau gibt es hin und wieder Paare, die sich so etwas versprechen. Selten, ja, aber es gibt sie.«

      »Und wie wäre


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