Dämonentreue. Dagny Kraas

Dämonentreue - Dagny Kraas


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Leben gehörte einzig und allein seinem König. Er war der ficha‘thar.

      Und das Leben eines ficha‘thar war einsam.

      Béo durchbrach diese Einsamkeit, wie es nie zuvor jemandem gelungen war. Er stand an ihrer Seite, war Teil ihres Lebens – und das ohne eine solche Verpflichtung, wie er sie gegenüber seinem König hatte. Das war es, was es ihm so leicht machte, sie zu lieben.

      Sie war Mar‘Tians Ehefrau, daran ließ sie nie einen Zweifel, und er hätte sich eher die Hand abgehackt, als etwas herauszufordern, aber allein ihre Gegenwart füllte ihn mit Zufriedenheit.

      Seufzend streckte Cridan sich, ließ die linke Hand auf den Schwertgriff fallen und sah über den Hof.

      Auf der anderen Seite des großen Platzes war Marud‘shat in einen Übungskampf mit zwei Soldaten vertieft: Einer davon war der Offizier Hertrulf.

      Cridan konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Es war ein offenes Geheimnis, dass die beiden zusammen waren.

      Marud‘shat war zunächst Cridans Bettgefährtin gewesen – kein Wunder, wenn man bedachte, dass sie die beiden einzigen erwachsenen T‘han T‘hau in dieser Burg waren. Doch nach und nach waren ihre Besuche seltener geworden, und es hatte Cridan nicht viel Mühe gekostet, herauszufinden, was dahinter steckte. Er war nicht enttäuscht gewesen, sondern hatte sich sogar für sie gefreut. Er hatte für Marud‘shat, die mit ihm aufgewachsen war und die in all den Jahren mit ihrer unbeirrbaren, stählernen Freundschaft wie ein Fels in der Brandung zu ihm gestanden hatte, immer mehr wie für eine Schwester denn wie für eine Liebschaft empfunden, und Hertrulf war ein anständiger Kerl.

      Dabei machte sich Cridan keine Gedanken darum, ob jemand Marud‘shat nicht gut behandelte. Tatsächlich war es eher so, dass ihm jeder Mann Leid tat, der meinte, ihr nicht respektvoll genug gegenübertreten zu müssen: Marud‘shat hatte eine ausgesprochen eindrückliche und meist schmerzhafte Art, jemandem Respekt beizubringen.

      Aus dem Augenwinkel bemerkte Cridan den Fehler seines Schülers. Er beugte sich etwas weiter vor und schüttelte missbilligend den Kopf.

      »Raggal! Lass die Schulter hinter dem Ellenbogen! Du verlierst die Struktur!«

      Der T‘han T‘hau nickte kurz, ohne zu ihm aufzusehen, und korrigierte seine Haltung.

      »Besser«, brummte Cridan. »Viel besser!«

      Dann fügte er lauter hinzu: »Béo, sei nicht so nachlässig! Nur weil du zu freundlich bist, ihm seine Fehler zu zeigen, muss er das nicht sein! Deine Deckung ist sperrangelweit offen!«

      Er wollte noch etwas sagen, doch in diesem Moment kam ein Diener die Treppe zum Wehrgang hinauf und eilte auf ihn zu.

      »Cridan? Mar‘Tian wünscht Euch zu sehen.«

      Cridan nickte zustimmend, warf einen letzten Blick auf die Kämpfer, dann machte er sich auf den Weg zum Herrscher von Gantuigh und seinem König.

      Zwischen Mar‘Tian und ihm hatte sich im letzten Jahr ein Verhältnis entwickelt, das nach anfänglicher Vorsicht und Misstrauen von zunehmender Freundschaft und gegenseitigem Respekt geprägt war – vor allem, seit Cridan unter Einsatz seines Lebens die Verräter in den Bergen aufgespürt hatte. Mar‘Tian, der Cridan bis zu diesem Zeitpunkt immer mit einem gewissen Argwohn begegnet war, hatte ihn seitdem uneingeschränkt nicht nur als seinen ficha‘thar und Vertrauten akzeptiert, sondern ihn auch als Freund an seiner Seite willkommen geheißen.

      Es erinnerte Cridan an die Zeit, als er noch jung gewesen war und seinem damaligen König Skatarhak in Zuneigung und Treue verbunden. Mar‘Tian war seinem Vater Skatarhak in vielerlei Hinsicht ähnlich, doch fehlte ihm glücklicherweise die rücksichtslose, eigensüchtige Zielstrebigkeit, die bei Skatarhak letztlich in Grausamkeit umgeschlagen war.

      Mar‘Tian war nachdenklicher und ruhiger, besaß allerdings auch nicht den trockenen Humor, den Cridan an Skatarhak geschätzt hatte. Den Sturkopf jedoch hatte er ebenso ausgeprägt wie sein Vater.

      Mar‘Tian sah nur kurz auf, als Cridan eintrat, nickte ihm zu und wies auf den Stuhl neben sich, den Blick schon wieder auf die Papiere in seiner Hand gerichtet.

      Cridan gehorchte dem unausgesprochenen Befehl ebenso schweigend und nahm Platz. Während er geduldig wartete, ruhte sein Blick auf dem König.

      Mar‘Tian war, soweit er wusste, der älteste Sohn Skatarhaks. Er war ein Bastard des Dämonenkönigs, seine Mutter eine Frau der Menschen – was sein Aussehen erklärte: Der T‘han T‘hau hatte rein äußerlich bis auf seine Größe und den ausgeprägt muskulösen Körperbau nichts mit den geschuppten Kriegern gemein. Doch nicht nur die markanten Züge seines Gesichts verrieten seinen Vater, sondern auch sein Blick, der ebenso durchdringend auf einem ruhen konnte wie der Skatarhaks. Anders als bei den Dämonen, deren Augen stets eine goldene Färbung aufwiesen, waren Mar‘Tians Augen, wie bei allen Mischlingen mit einer menschlichen Mutter, genauso schwarz wie seine Haare.

      Neben diesen Merkmalen, die für jedermann erkennbar waren, zeichnete ihn aber eines vor allen anderen aus: Er folgte Skatarhak in der Linie der Könige. Das Bluterbe, das sein Vater ihm vermacht hatte, berechtigte ihn dazu, an der Spitze aller T‘han T‘hau zu stehen und über sie zu herrschen.

      Tatsächlich hatte Skatarhak unter seinen unzähligen Kindern drei Söhne gehabt, in deren Adern das königliche Erbe floss. Neben Mar‘Tian und Tiko, der sich Mar‘Tian freiwillig unterworfen hatte, um Menschen und Dämonen zu einen, gab es noch einen weiteren Sohn, der dieses Geburtsrecht trug: Cor‘tarach, der viele Jahre seine eigene Schar an T‘han T‘hau angeführt hatte, hatte bei seiner Rückkehr auf die Insel den Rang des Königs für sich beansprucht – und ihn verloren, als er Mar‘Tian zum Zweikampf herausgefordert hatte.

      Seit diesem Tag war Mar‘Tian der König der T‘han T‘hau, und nun auch wieder der gewählte Herrscher von Gantuigh.

      Eine der ersten Handlungen, die Mar‘Tian nach seiner Wahl vorgenommen hatte, war es gewesen, den Thronsaal umzubauen: Er hatte den hohen Stuhl entfernen lassen und statt dessen einen runden Tisch aufgestellt, an dem bis zu zwei Dutzend Männer Platz fanden. Alle Stühle waren gleich, und ebenso behandelte er auch diejenigen, die mit ihm hier saßen. Wer seinen Weg in die Runde des Königs fand, konnte sicher sein, dass sein Wort gehört wurde. Cridan hatte einen festen Platz an diesem Tisch.

      Mar‘Tian schob ihm einen Stapel Papiere zu. Überrascht zog Cridan den Stapel zu sich heran und überflog die Zeilen.

      »Was soll ich damit?«

      Mar‘Tian zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Sag mir, was ich damit soll.«

      Cridan grinste.

      »Das nennt sich Politik, Mar‘Tian. Nicht mein Ding, wie du weißt.«

      Mar‘Tian seufzte.

      »Ja, durchaus. Beneidenswert, Probleme einfach mit einem Schwerthieb lösen zu können.«

      »Oh«, entgegnete Cridan ungerührt, »ich nehme nicht immer das Schwert. Das wäre… kaum verhältnismäßig. Manchmal reicht die Faust oder der Unterarm völlig aus.«

      Mar‘Tian sah auf, schenkte ihm einen scharfen Blick und musste dann doch lächeln.

      »Na gut«, seufzte er und zog den Stapel wieder zu sich heran. »Meinetwegen. Aber ich hasse diesen Papierkram! Wer, wann, wo, was, mit wem und wie… Das meiste davon ist völlig uninteressant! Warum muss ich wissen, welcher reiche Weinhändler gerade mit wessen Tochter anbandelt?«

      Cridan neigte den Kopf.

      »Weil möglicherweise dieser Weinhändler eine hohe Summe in deine Flotte oder in andere Unternehmungen investieren möchte. Vorausgesetzt, seine Angebetete kann eine gute Reputation am Hof vorweisen und ihn somit in gewisse Kreise einbringen.«

      »Hast du nicht gerade gesagt, Politik ist nicht dein Ding?«

      »Ist es auch nicht«, bestätigte Cridan grinsend.

      Mar‘Tian schnitt eine Grimasse und wechselte das Thema: »Weißt


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