Dämonentreue. Dagny Kraas

Dämonentreue - Dagny Kraas


Скачать книгу
sind auf meiner Burg«, erinnerte Mar‘Tian ihn spöttisch. »Béo braucht nicht auf Schritt und Tritt einen Aufpasser. Sie kann sich zur Not sogar selbst verteidigen, weißt du?«

      »Es ist meine Aufgabe, genau das zu verhindern«, entgegnete Cridan etwas verstimmt.

      Mar‘Tian ging nicht darauf ein, sondern winkte einen Diener heran und bat ihn, Béo zu rufen. Dann legte er die Feder aus der Hand, schob die Papiere zur Seite und gähnte herzhaft.

      »Ich muss mich immer wieder daran erinnern, dass auch das zu den Aufgaben gehört, die ein Herrscher hat«, murmelte er. »Sonst würde ich diesen ganzen Mist einfach in den Burggraben werfen.«

      Cridan lächelte ausdruckslos.

      »Nicht die schlechteste Lösung, wenn du mich fragst«, murmelte er so leise, dass nur er selbst es hörte.

      Dann sah er Mar‘Tian an. »Du wolltest mich sprechen«, erinnerte er ihn. »Weshalb?«

      »Ah«, Mar‘Tian machte eine wegwerfende Geste mit der Hand und seufzte. »Ich erwarte eine Gesandtschaft des ehernen Königs, und meine Berater erinnerten mich eben noch einmal daran, wie viel Wert er und seine Vertreter auf Äußerlichkeiten legen. Ich brauche dich an meiner Seite, um ein wenig Eindruck zu schinden.«

      »Wenn du meinst«, entgegnete Cridan halb belustigt, halb ernsthaft. »Das sollte mir gelingen. Darf ich mein Hemd anbehalten?«

      Mar‘Tian musterte ihn mit einem knappen Blick von Kopf bis Fuß.

      »Es reicht, wenn du die Ärmel aufkrempelst«, entgegnete er dann in einem Tonfall, der nicht verriet, ob er es ernst meinte oder nicht.

      Cridan wollte etwas erwidern, da betrat ein Diener den Raum. In seinem Gefolge befanden sich Musgin und Jekerat, zwei von Mar‘Tians Beratern, die sich mit einem kurzen Kopfnicken in den Hintergrund zurückzogen.

      Der Diener verneigte sich vor Mar‘Tian.

      »Herrscher von Gantuigh«, sagte er ehrerbietig. »Die Gesandten sind eingetroffen. Sie bitten darum, von Euch empfangen zu werden.«

      »Du weißt genau, dass ich diese Anrede nicht mag«, brummte Mar‘Tian unwirsch, neigte jedoch zustimmend den Kopf, erhob sich von seinem Platz und setzte sich statt dessen auf den einzeln stehenden Stuhl am Kopfende des Raumes. Wenn es auch keinen Thron mehr gab, erwarteten die Menschen doch etwas Ähnliches, hatte Mar‘Tian festgestellt, und so war es zu diesem Kompromiss gekommen.

      Cridan beeilte sich, die Ärmel seines Hemds nach oben zu schlagen, während er ihm folgte, und nahm neben ihm Aufstellung: die Beine gespreizt, die Arme vor der Brust verschränkt. Das Sonnenlicht, das durch die Fenster fiel, ließ den Staub in der Luft funkeln wie Splitter eines Diamanten und schimmerte auf seinen Schuppen – matt und silbrig blau auf den dunklen, glänzend golden auf den Überbleibseln seines alten Schuppenkleids.

      Der Diener wartete, bis Cridan in die übliche Reglosigkeit des ficha‘thar verfallen war, dann schritt er zur Tür, blieb an der Seite stehen und gab zwei weiteren Bediensteten einen Wink. Sie öffneten die großen Torflügel, und eine Handvoll Leute betrat den Raum.

      Es waren ein halbes Dutzend Männer in prunkvollen, reich verzierten und auffallend bunten Gewändern, die sich Mar‘Tians Hochsitz näherten und sich davor verneigten. Die teils verstohlenen, teils offensichtlichen Blicke, die dabei Cridan trafen, reichten von furchtsamer Neugier bis hin zu unverhohlener Bewunderung.

      Das Gespräch selbst bestand aus rein höflichem Geplauder und drehte sich überwiegend um uninteressante Dinge, und Cridan hörte bereits nach kurzer Zeit nicht mehr richtig zu. Seine Aufgabe bestand diesmal darin, als schweigender Leibwächter möglichst beeindruckend zu erscheinen, und das war dank seiner Körpergröße und seinem einzigartigen Schuppenpanzer eine ziemlich einfache Sache.

      Als die Männer schließlich gegangen waren, kam Béo herein.

      Mar‘Tian stand auf, ging ihr entgegen und küsste sie zärtlich auf die Stirn. Er raunte ein paar leise Worte, die Cridan nicht verstand.

      Sie lachte.

      »Du würdest nur deine Geschäfte vernachlässigen, mein Liebster«, sagte sie mit gutmütigem Spott, »und ich wäre dann nachts allein, weil du dich genötigt fühltest, das aufzuarbeiten, was du tagsüber nicht geschafft hast.«

      Mar‘Tian verzog den Mund.

      »Du kennst mich zu gut«, gab er zu und nahm ihre Hand. »Kommt, lasst uns gehen. Ich möchte etwas Wichtiges mit euch besprechen. Außerdem habe ich Hunger. Bevor ich mich also wieder der Politik zuwenden muss, kann ich auch bei einem guten Essen mit euch reden. Na los, komm schon!« Er winkte Cridan heran.

      Dieser runzelte verwundert die Stirn: »Mit mir auch?«

      »Gerade mit dir«, bekräftigte Mar‘Tian. »Nun komm endlich!«

      Während die Diener den Tisch deckten und das Essen auftrugen, musterte Cridan seinen König, dessen Gesichtsausdruck und dunkle Augen nichts von dem verrieten, was hinter seiner Stirn vorgehen mochte.

      Nachdem die Diener ihnen eingeschenkt hatten, schickte Mar‘Tian die Bediensteten mit einer knappen Handbewegung hinaus. Nachdenklich ließ er den Wein in seinem Becher kreisen, bevor er den ersten Schluck nahm.

      Cridan wartete geduldig, doch bei Béo siegte die Neugier. »Verrätst du auch, worüber du mit uns reden willst?«

      Er nickte, schwieg jedoch weiterhin.

      Cridan tauschte einen Blick mit Béo und zuckte dann die Achseln.

      »Er wird schon anfangen, wenn er soweit ist«, bemerkte er. »So lange sollten wir aber das Essen nicht kalt werden lassen.«

      Er zog sich die Fleischplatte heran und bediente sich. Béo tat es ihm nach kurzem Zögern gleich.

      Sie aßen eine Weile schweigend, dann sagte Mar‘Tian unvermittelt:

      »Ich habe eine Nachricht vom Kontinent erhalten.«

      Béo hob die Brauen.

      »Du erhältst jeden Tag Nachrichten vom Kontinent«, entgegnete sie. »Das ist doch nichts Besonderes.«

      Damit drückte sie aus, was Cridan dachte.

      Mar‘Tian lächelte und berührte flüchtig Béos Finger.

      »Nur Geduld, meine Liebe. Dies ist eine besondere Nachricht. Sie stammt von Llegar, dem Herrscher Initims. Er bittet mich um Hilfe. Nun ja«, er verzog das Gesicht, »zumindest, wenn man die unverschämten Formulierungen ignoriert. Es geht um ein paar seltsame Vorgänge in seinem Land und um ein Gerücht, das ihm in Verbindung damit zu Ohren gekommen ist. Grob zusammengefasst erzählt man sich in Initim, auf der Halbinsel Korat gebe es Dämonen. Oder zumindest Wesen, die der Beschreibung nach Dämonen sein könnten.«

      »Korat?« Cridan legte die Stirn in Falten. »Hilf mir auf die Sprünge: Wo ist das?«

      »Ich musste auch erst die Karten zu Rate ziehen«, gestand Mar‘Tian. »Korat ist eine große Halbinsel ganz im Norden des Kontinents, überwiegend aus Gestein, Geröll und Schluchten, auf der daher kaum ein Mensch lebt. Sie gehört zum Königreich Initim. Bisher war sie offensichtlich nie Gegenstand größeren Interesses, bis vor einiger Zeit in den Bergen Korats Gold entdeckt wurde. Seitdem strömen die Leute in Scharen dorthin, um Reichtum und ihr Glück zu finden. Nicht allen gelingt das, wie man sich denken kann, und einer der glücklosen Rückkehrer hat von den geschuppten Wesen erzählt, die dort seit einiger Zeit ihr Unwesen treiben, nachts in die Lager eindringen, Nahrung, Werkzeuge und wohl auch das eine oder andere Nutztier stehlen, die Brunnen zuschütten oder Stollen unbrauchbar machen. Sie sind nur von wenigen überhaupt gesehen worden, aber wer sie zu Gesicht bekommen hat, dessen Beschreibung gleicht frappierend der eines T‘han T‘hau.«

      Cridan kaute sorgfältig sein Stück Fleisch zu Ende und schluckte.

      »Und?« fragte er. »Was meinst du dazu?«

      Mar‘Tian hob die Schultern.


Скачать книгу