Dämonentreue. Dagny Kraas
jedoch wieder nach vorne und ging mit ihr in das Schloss hinein.
Cridan folgte ihnen in einem Schritt Abstand, dahinter zwei weitere ihrer Soldaten, die Kammerzofen und die Diener mit den Geschenken für ihren Gastgeber.
Korlikon war ausnehmend freundlich auf ihrem Weg durch die endlosen Flure, machte sie auf Details und Feinheiten der Architektur aufmerksam oder erläuterte die Anlage des riesigen Baus, dennoch legte sich Cridans Abneigung gegen ihn nicht ein bisschen. Korlikon gab den aufmerksamen Diener seines Herrn, doch er war sicher, dass wesentlich mehr hinter dieser Fassade steckte.
»Kommt, kommt«, lud Korlikon sie schließlich mit einer Handbewegung ein. »Wir gehen nun in das wahre Herz des Schlosses! Der Thronsaal wird Euch gefallen. Er ist ein echtes Prunkstück! Kommt nur herein, Llegar erwartet Euch schon!«
Die Türen des großen Saals öffneten sich, und die Diener, die rechts und links des Eingangs standen, pochten mit schweren Holzstäben auf die dunklen Fliesen des Bodens. Die Gespräche in dem mit Menschen reichlich gefüllten Raum verstummten mit einem Mal, und alle Köpfe wandten sich ihnen zu.
Auch hier waren es neugierige und bewundernde, teils sogar neidische Blicke, die Béo trafen, dann jedoch erschrockene und befremdete, als die Leute Cridan entdeckten. Raunen und Getuschel begleitete sie durch den Saal.
Korlikon führte sie geradewegs auf den Thron des Königs zu, der an der Stirnseite der langen Halle stand. Es war ein ziemlich weiter Weg, und so hatte Cridan genug Zeit, nicht nur den König, sondern auch die Umgebung genauer in Augenschein zu nehmen.
Korlikon hatte nicht geprahlt: Der Thronsaal war ein Schmuckstück. Die makellos weißen Wände und Säulen, die eine breite Galerie trugen, waren mit farbenfrohen Teppichen und Bildern behängt, und die Fenster aus buntem Glas malten leuchtende Muster auf den Boden, die Wände und die anwesenden Gäste.
Drei Thronstühle standen am Ende der Halle, der höchste und am prächtigsten geschmückte in der Mitte. Dort saß Llegar, ein korpulenter Mann, der seine besten Jahre längst überschritten, aber dennoch nur wenig von seiner eindrucksvollen Erscheinung eingebüßt hatte. Ein schlichter goldener Reif saß auf seinen dunklen, von Grau durchzogenen Locken, die er im Nacken zusammengebunden hatte. Sein ebenso dunkler Bart reichte ihm bis auf die Brust. Nur wenige weiße Haare zeigten sich darin. Er trug ein rotes Wams zu schwarzen Hosen und Stiefeln, und einen ebenso roten Kurzmantel, der mit Pelz verbrämt war. An seinen Händen, die er gefaltet auf seinem mächtigen Bauch abgelegt hatte, glänzten unzählige Ringe.
Zu seiner Rechten saß eine junge Frau von etwa zwanzig Jahren, deren Schönheit einen durchsichtigen Schimmer hatte. Ihr rotblondes Haar trug sie in einem festen Zopf über der Schulter ihres züchtig hoch geschnittenen grünen Kleides, ihre Stirn zierte ein ebensolcher Goldreif, wie Llegar ihn trug. Ihre Haut war so blass, dass sie fast transparent wirkte, und ihre grünen, mandelförmigen Augen waren groß und hell, der Ausdruck darin eine Mischung aus Vorsicht, Furcht und Neugier.
Zur Linken des Königs saß ein Mädchen, vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt, das gelangweilt an einem seiner braunen Zöpfe kaute und den Neuankömmlingen entgegen sah. Sie hatte die Füße über einer Armlehne ihres Stuhls baumeln lassen, setzte sich jedoch abrupt auf, als sie Cridan erblickte.
»Vater«, rief sie aus, »sieh doch nur! Der Mann dort hat ja Schuppen! Wie eine Echse!«
Ihre helle Kinderstimme schallte durch den stillen Raum und ließ das Gemurmel um sie herum verstummen.
Cridan verbarg ein Lächeln: Das Mädchen drückte in seinen einfachen Worten die Überraschung, Verwunderung und Furcht aus, die allen anderen Anwesenden ins Gesicht geschrieben stand.
In etwa zehn Schritt Entfernung zum Thron bedeutete Korlikon ihm, stehen zu bleiben, und Cridan gehorchte wortlos.
Béo schritt neben Korlikon weiter auf Llegar zu, der sich nun erhob und die Stufen seines Throns hinab kam. Seine Ehegattin, denn das war die blasse junge Frau neben ihm zweifellos, tat es ihm gleich.
Llegar blieb vor Béo stehen, ergriff sie an beiden Händen und deutete eine Verneigung an.
»Königin Ibéowe«, begrüßte er sie herzlich, »welch eine Freude, Euch an meinem Hof empfangen zu dürfen! Wir haben schon seit längerem vorsichtige Beziehungen zu Gantuigh geknüpft, und es ist mir eine Ehre und ein persönliches Anliegen, Euch als meinen ganz besonderen Gast zu empfangen. Darf ich Euch meine Gemahlin Irida vorstellen?«
Die junge Frau senkte beinahe schüchtern den Blick, als Béo sie anlächelte.
»Ich bin überaus erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen«, sagte Béo. Ihr Tonfall war von ausgesuchter Höflichkeit, aber zugleich warm und verbindlich. Cridan konnte nicht umhin: Ihr Talent, mit Menschen umzugehen, war bewundernswert.
»Doch bin ich auch ein wenig verwirrt. Man sagte mir bereits, Euer Palast und Euer Thronsaal seien geradezu Schmuckstücke, aber niemand verriet mir, dass die schönste Zier die Dame an Eurer Seite ist.«
Zu Cridans Überraschung errötete Irida, doch Llegar lachte bloß, ließ Béos Hände los und sah ihr in die Augen. In seinem Blick lag Anerkennung, Neugier, unterdrückte Anspannung und ein wenig Herausforderung. Der König von Initim fand ganz offensichtlich Gefallen an Béo, und er gab sich keine Mühe, das zu verbergen.
Cridan beobachtete ihn wachsam. Die Körpersprache des Mannes verriet viel, und das meiste davon mochte er nicht besonders.
»Fürwahr, das habt Ihr gut erkannt«, erwiderte Llegar schließlich. »Doch lässt sich auch die Herrscherin Gantuighs mit Fug und Recht als Augenweide bezeichnen. Ich hoffe, Eure Überfahrt war ruhig und die Reise nicht zu beschwerlich?«
Béo deutete ein geschmeicheltes Nicken an.
»Ihr seid zu freundlich. In der Tat, es war eine sehr angenehme Reise, danke der Nachfrage. Erlaubt mir, Euch die Geschenke zu überreichen, die ich mitzubringen in der Lage war.«
»Oh, Geschenke sind immer gut«, rief das Mädchen von ihrem Thronsitz aus, schwang die Beine über die Lehne und eilte zu ihrem Vater.
Llegar legte ihr eine Hand auf den Kopf.
»Verzeiht die Ungeduld meiner Tochter Svana«, bat er lächelnd, »sie ist jung genug, die Beherrschung zu verlieren. Doch schließe ich mich ihren Worten an – allerdings nicht, bevor Ihr mir verraten habt, wer der überaus beeindruckende Krieger ist, der Euch begleitet.«
Béo drehte sich noch immer nicht zu Cridan um.
»Mein Diener und Leibwächter«, erwiderte sie. Es klang beinahe unbeteiligt. »Cridan entstammt dem Volke der T‘han T‘hau. Ein Vorbild an Treue und Zuverlässigkeit.«
»Und ein Mann von außerordentlich imposanter Statur«, ergänzte Llegar mit einem wohlwollenden Lächeln. »Wenn ich ihn so betrachte, stimme ich mit der Ansicht meines geschätzten Beraters überein, der die Vermutung äußerte, unser Ärgernis in Korat könnte seine Wurzeln in Gantuighs Geschichte haben. Doch darüber lasst uns später sprechen. Ich würde es als eine Ehre betrachten, Eure Geschenke annehmen zu dürfen.«
Béo hob eine Hand, und auf ihr Winken traten die vier Diener mit den mitgebrachten Kisten vor. Sie öffneten den Deckel der kleinsten Truhe.
Béo hob ein Diadem heraus, das ebenso gearbeitet war wie das ihre, nur kleiner und noch filigraner, und überreichte es Svana, die es bewundernd in den Händen drehte, bevor sie es aufsetzte.
Für Irida befanden sich in der zweiten Truhe bestickte Tücher und eine Halskette aus Gold mit einem eingefassten gelbgrünen Edelstein in der Größe einer Kinderfaust. Die dritte Truhe enthielt einen Vorrat an Wein von Enods Ländereien, dem unbestritten besten Weingut von ganz Gantuigh.
Damit blieb nur noch die letzte Truhe übrig.
Zum ersten Mal warf Béo Cridan wieder einen Blick zu. Er löste sich aus seiner Starre, trat neben sie und wartete, bis die Diener den Deckel angehoben hatten, dann holte er ein Stück nach dem anderen heraus und baute die Einzelteile vor Llegar auf.
Es