Burnout. Dr. Hanspeter Hemgesberg
fielen Freudenberger bereits die sogen. „Helfenden Berufe“ (Ärzte, Pflegeberufe, Rettungsdienste, Feuerwehr, Sozialarbeiter, Lehrer und Erzieher) durch besonders häufige ‚Krankschreibung‘, Arbeitsunfähigkeitszeiten und auch durch Frühverrentungen besonders auf.
Als Ursache hierfür sah er in deren hohen Arbeitsbelastung, gepaart mit einem besonders hohen persönlichen Engagement, was er letztlich verantwortlich machte für das „Ausgebranntsein“ und der vielmals ausbleibenden Anerkennung der Leistungen.
Die Folgen reichen dabei vom schlichten „Dienst nach Vorschrift“ über viele Krankschreibungen bis hin zum Abusus (Missbrauch) – v.a. ‚schaurige‘ Kombinationen wie z.B. Alkohol + Psychopharmaka + sonstige Drogen – über Sucht bis letztlich zum Suizidversuch oder auch zum Suizid.
Kommen wir noch einmal auf Herbert J. Freudenberger zurück.
Dabei wird augenfällig, dass das „Ausbrennen“ auch andere Zeit-genossen trifft, - wie FOCUS berichtete - so u.a.:
Nicht nur hochleistungswillige, sondern auch völlig unauffällige und nicht stark belastete Zeitgenossen sind betroffen;
Bei vielen Ausgebrannten fehlen – die von Freudenberger genannten – „klassischen Symptome“ wie Zynismus und Aggressivität;
Inzwischen wird der Terminus mehr und mehr auch außerhalb des
Arbeitslebens verwendet. Selbst überforderte Schüler und frustrierte Hausfrauen bezeichnen sich mittlerweile als ausgebrannt.
Seelische Krisen – die unstrittig eine Ähnlichkeit mit Burnout-Beschwerden haben (können) – hat es schon zu allen Zeiten gegeben (s. Anmerkung unten); sie kommen auch heute noch unter anderen Namen in anderen Kulturen vor.
Die Ärzte Hillert und Marwitz (Schön-Klinik Roseneck, Prien/Chiemsee) ziehen daraus radikale Folgerungen und Konsequenzen:
Es gibt demnach ein weites Feld von psychischen Störungen, in denen Demotivation, Stress, Angst und Depression eine Rolle spielen.
Burnout sei dabei nicht klar und eindeutig abzugrenzen.
Ihre Schlussfolgerung:
Man solle tunlichst ganz auf den Begriff verzichten!
Der Mythos vom ‚Ausgebranntsein’ beschönige bloß die Tatsache, dass es sich um eine ‚echte Erkrankung’ handle. Er führe zudem sachlich in die Irre und erschwere so eine kompetente Therapie
[Anmerkung:
Diesen beiden letztgenannten Punkten kann und will sich der Autor dieses Buches absolut nicht anschließen und dies aus vielerlei Gründen, wie im weiteren Verlauf der Abhandlung sich noch herauskristallisieren wird]
Der Freiburger Universitätsarzt und Psychiater Joachim Bauer – er ist wahrlich kein „Burnout-Rebell“ – skizziert für Burnout folgenden biochemischen Mechanismus:
„Motivations- und Stress-Systeme gleichen einer Waage. Botenstoffe, die freigesetzt werden, wenn die Motivations-Systeme aktiv sind, beruhigen das Stress-System. Wenn die Motivation sinkt, weil Beachtung und Anerkennung ausbleiben, steigt die Stress-Anfälligkeit. … Das steigere das Risiko für körperliche, neuro-mentale und psychische Erkrankungen. …
Eine häufige typische Folge nach einem Zusammenbruch der Motivations-Systeme bei gleichzeitiger Aktivierung der Stress-Biologie ist die Depression!“
Einig sind sich alle Forscher – hierzulande unbedingt hinzuzuzählen u.a.: der Medizin-Soziologe Johannes Siegrist, der Burn-Out-Experte Prof. Matthias Burisch – darin, dass …
… „die Waage kippt (Modell der Gratifikationskrise nach Siegrist), dass hoher Stress einzig auszuhalten ist bei hoher Motivation und adäquater Anerkennung (gleich ob Gehaltserhöhung, beruflicher Aufstieg, Lob von Vorgesetzten, Respekt der Kollegen/Mitarbeiter, Erfolg bei der Tätigkeit usw.). Erlebt der Betroffene hingegen die Belastung als Überforderung, dann stürzt er ab!“ …
Das heißt:
Individuelle Resistenz spielt zwar eine Rolle, doch im Prinzip kann bei jedem Menschen nicht zu bewältigender Stress in eine Depression oder eine Erschöpfung – also auch in ein Burnout – umkippen.
Das betrifft alle: sogen. „Weicheier“ ebenso wie „Hartgesottene“, es kommt nur auf den Druck an, um auch die härteste Schale zum Platzen zu bringen“. …
Auch das ist mir bereits an dieser Stelle sehr wichtig:
Betroffenen sollte es letzten Endes egal sein, welchen Namen ihre Krankheit trägt: ob Schaffens- oder Sinneskrise, Midlife-Crisis, Erschöpfungsdepression oder ob „Burn-Out“.
Viel wichtiger und sinnhafter ist es nach meinem Medizinverständnis, die Krankheit so früh wie nur möglich zu erkennen und entsprechende und effektive Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Zurück zum Burnout.
Fazit:
Zuletzt und letztlich spielt der gesamte Körper nicht mehr mit!
Burn-Out heißt:
„Rundum-Krankheit“!
Es gilt aber auch:
Nicht alle Menschen, die unter schwierigen/schwierigsten Bedingungen arbeiten – u.a. Priester, die in leeren Kirchen predigen, Lehrer, die von aufsässigen Schülern in die Verzweiflung getrieben werden, Krankenschwestern/-Pfleger, denen ihre Patienten immer gleichgültiger werden usw. … – sind gleichermaßen betroffen.
Was unterscheidet den Ausbrenner/Ausgebrannten vom Burn-Out-Resistenten?
Dies war über lange Zeit ein umstrittenes und kontrovers diskutiertes Thema.
Aber letztlich ist die Wissenschaft fündig geworden.
Gefährdet sind vor allem die allzu Ehrgeizigen, die Hyper-Idealisten, die hochakribischen Perfektionisten, die sogen. Workaholics, die Einzelgänger und aber auch die Dünnhäutigen und Hypersensiblen und insbesondere auch die Multitasker und die Menschen, die nie „Nein-Sagen“ können bzw. wollen.
Hinzu kommt noch infolge Globalisierung und Rationalisierung, in Zeiten von Shareholder-Ansprüchen, Just-in-time-Planung und vor allem Zukunftsängsten – insbesondere in den höheren/hohen Gehaltsstufen bzw. Leitungs- und Führungsebenen – der permanente und wachsende Druck:
„Immer weniger Mitarbeiter sollen immer mehr leisten“,
was dann letztlich einmündet im Burn-Out.
Etwas lapidar formuliert – so Dr. Andreas Hillert (Schön-Klinik Roseneck, Prien/Chiemsee) –:
„Leistungssteigerung mal Flexibilität minus Sicherheit = Burnout!“
Es gar nicht so selten, Menschen im Berufsleben anzutreffen – so Dr. Hillert weiter –, „die schon Hunderte ihrer Kollegen erfolgreich wegrationalisiert haben, bevor sie selbst unter Burn-Out weggeschoben wurden!“
Wer ist gegenüber Burn-Out gewappnet, gar gefeit?
Das sind vor allem Menschen mit einer ausgeglichenen „Work-Life-Balance“ [der Begriff Work-Life-Balance steht für einen Zustand, in dem Arbeits- und Privatleben und Sozialleben miteinander in Einklang stehen], Menschen mit hohem Selbstwert und mit Selbstsicherheit, mit stabiler familiärer (partnerschaftlicher) und gesellschaftlicher Einbindung und Bindung.
Bleibt die Frage aller Fragen – wie es FOCUS trefflich formuliert –:
„Alles Burn-Out, oder was?“
Dr. Hillert und sein Kollege Dr. Marwitz weisen zunächst einmal auf neuere Befunde hin, die dem klassischen Verständnis widersprechen.
Auch dies ist eine neue Erkenntnis:
Burn-Out-Phänomene