Der Tod lauert im Internet. Jutta Pietryga

Der Tod lauert im Internet - Jutta Pietryga


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oder schmeißt alternativ den Grill an. Der Geruch von Holzkohle und Gegrilltem schwängert die Sommerluft. Musik, Gelächter, ein Wirrwarr der unterschiedlichsten Stimmen, hallen durch die Wohngegenden. Fast alle nutzen die Gelegenheit, sich im Freien aufzuhalten. Jeder will raus aus den stickigen Räumen und der drückenden Hitze in den vier Wänden entfliehen.

       Die Gastronomen reiben sich die Hände. Enormen Verdienst witternd packen sie sämtliche Sitzgelegenheiten, deren sie habhaft werden, ins Freie. Jede Fläche wird ausgenutzt und mit Tischen und Stühlen vollgestellt. Sie erwarten ein Bombengeschäft, wünschen, das Bilderbuchwetter möge lange anhalten.

       Kapitel 2 Einsamkeit

      Ein anstrengender Tag liegt hinter der Person. Bei einem grünen Tee mit viel Eiswürfeln sucht sie Entspannung. Mit geschlossenen Augen, genießt sie den ersten Schluck des Getränks, stellt die Tasse ab und greift zu dem angefangenen Roman auf dem Couchtisch. Eine Weile liest sie entspannt.

      Dann, wie aus dem Nichts, fällt sie jenes Gefühl an. Sie hasst es, wenn es sie überkommt. Die Stille um sie, löste es aus, förderte es zutage. Die Empfindung von Verlassenheit springt sie an wie ein Tier, packt und schüttelt sie, lässt nicht los, umklammert sie, drückt zu und droht sie zu ersticken. Die Person versucht, sich abzulenken. Es gibt etliche, die allein leben. Das muss nicht gleichbedeutend mit Einsamkeit sein. Viele genießen das Alleinsein. Das Gefühl gewinnt an Boden. Sie verzweifelt. Weshalb empfinde ich so? Ich will das nicht! Eigentlich habe ich genug um die Ohren, bin oft mit vielen Menschen zusammen, schon von Berufs wegen. Warum zum Teufel fühle ich so!

      Schließlich hält sie es nicht aus. Fluchtartig verlässt sie das Wohnzimmer. Getrieben rennt sie von einem Zimmer in das nächste. Sie muss diesem Gefühl entfliehen, es nicht gewinnen lassen. Sie will die Einsamkeit, die fürchterliche Leere, herausschreien, weitergeben an die Welt, Platz machen für das Glück, damit es den Weg zu ihr fände. Irgendwann schlurft sie zurück ins Wohnzimmer.

       Höhnisch blickt ihr der schwarze Bildschirm des Fernsehers entgegen. Innerlich zerrissen greift sie zu der Fernsteuerung vor ihr auf dem Tisch. Ihre Hände zittern. Das Ding entgleitet ihr, rutscht unter die Couch. Auf Knien angelt sie fluchend nach der Fernbedienung, erreicht diese knapp mit den Fingerspitzen. Teilnahmslos zappt sie dann durch das Programm. Bei einer Soap, die wie immer von Liebe handelt, stoppt sie. Genervt schaltet sie weiter, landet bei einer Tierdokumentation. Auch nicht ihr Ding. Aber sie stellt die Lautstärke hoch, so laut, dass sie es gerade noch erträgt. Die Stille bleibt.

      Die Flasche Wein im Kühlschrank fällt ihr ein. Jetzt kreisen ihre Gedanken um das Eine, den Alkohol. Der würde entspannen. Die Person stöhnt. Sie will nicht! Das Verlangen gewinnt die Oberhand. Nach drei Glas hat sie den Pegel erreicht, genau diesen Stand des Entspanntseins. Es fühlt sich gut an. Liegt das am Wein, dessen Menge es gilt exakt abzumessen, oder erwies ihr die Natur einfach die Gnade entspannt und glücklich zu sein. Sie hinterfragt es nicht lange. Genießt es!

      Die blöde Fernbedienung fällt erneut herunter, diesmal unter dem Tisch. Sie landet auf die Vorderseite. Das Programm springt wieder auf diese dämliche Soap. Jetzt ist es ihr gleichgültig. Gelöst lehnt sie sich an die Sofalehne. Die Welt ist ein Stück zurückgetreten. Alles ist egal geworden. Unbeteiligt starrt sie auf den Bildschirm. Schließt die Augen. Sie ist kurz davor ins vollständige Vergessen hinüber zu gleiten. Das Wort Date lässt sie aufhorchen. Aufmerksam blickt sie zum Fernseher. Zwei Teenies hocken vor einem PC. Einer beackert die Tastatur. Der andere brüllt.

       „Warte mal! Warte, die sieht doch toll aus.“

      „Ne, die ist doch voll bescheuert.“

      „Dann scroll langsamer! Mal schauen, was es da für Tussen gibt.“

      Was treiben die da? Letztendlich dämmert es ihr. Erneut tigert sie durch die Wohnung, diesmal nicht getrieben, sondern nachdenklich mit langsamen, forschenden Schritten. Das könnte die Lösung sein, das Internet! Datingbörsen!

      Den Laptop auf den Knien schielt sie auf die Weinflasche. Ist jetzt auch egal, findet sie, füllt erneut das Glas. Sie schlägt den Rechner auf und wählt die von ihr bevorzugte Suchmaschine, gibt Datingdatei ein. Erwartungsvoll fixiert sie den Bildschirm und staunt über die Unmenge an Partnerbörsen, selbst ausschließlich chinesische preisen ihren Dienst an.

       Sie klickt etliche an und arbeitet sich durch die verschiedenen Reiter. Vieles kann umsonst eingesehen werden, aber die meisten haben nach der Anmeldung eine Aufteilung in kostenlosem und kostenpflichtigem Service. Bei einigen ist die Registrierung, das Hochladen eines Profilbildes, das Ausfüllen und das Ansehen von anderen Profilen gebührenfrei. Aber will man Kontakte knüpfen, kostet das immer Geld.

       Möchte nicht wissen, wie vielen das egal ist, weil sie auf Glück und Liebe im Internet hoffen. Sie wählt das Datingportal, das im Test am besten abgeschnitten hat. Auf der Chatseite schildert sie sich in den schillernsten Farben, wie sie sich sieht, so, wie sie sein möchte.

      Vielleicht klappt es mit dem großen Glück, hofft sie, wie so viele.

       Kapitel 3 Christian Lorenzo

      Christian Lorenzo stöhnt. Zum wiederholten Mal wischt sich der Fotograf den Schweiß von der Stirn. Die Strecke um den Maschsee ist bei den mörderischen Temperaturen wahrlich kein Vergnügen, anstrengender, als er sich vorgestellt hat. Jeden sich bietenden Schatten heißt er willkommen. Innerlich flucht er, ausgerechnet heute diese Mordstour geplant zu haben. Aber er braucht dringend ein paar aktuelle Bilder und hier bieten sich stets gute Motive.

       Er ist ein guter Fotograf. Sein Atelier liegt in der List. Jedoch macht er selten diese gestellten Porträtaufnahmen, außer wenn das Geld knapp wird. Freiberuflich für verschiedene Zeitungen und Magazine tätig, träumt er davon, weltweit bekannt und gefragt zu sein.

      Jogger trotzen eisern den Temperaturen, ebenso Spaziergänger, denen man die Qual der Hitze ansieht. Ein eisgrauer Typ versucht einen Terrier, der sich immer wieder hinlegt, zum Weitergehen zu zwingen. Unerbittlich zerrt er an der Hundeleine, schafft es. Widerwillig trottet das Tier hinter ihm her. Herrchen spinnt, drückt seine gesamte Haltung aus.

       Pier 51, am Nordufer des Sees, kommt in Sichtweite. Zielstrebig steuert er darauf zu. Er muss eine Pause einlegen. Zufrieden ergattert er den letzten Liegestuhl, zieht ihm vom Uferrand zurück in den Schatten. Die langen Beine ausgestreckt genießt er bald einen alkoholfreien Cocktail. Er hätte gern etwas anderes getrunken, doch bei der Hitze würde ihn Alkohol unweigerlich aus den Schuhen hauen. Versonnen betrachtet er die silbrig glänzenden Wellen, die mit den bunten Segeln der Boote um die Wette flimmern. Die Sonne reflektiert dieses Wetteifern. Geblendet schließt er die Augen.

       Verhalten tönt das Kommando eines Steuermanns an seine Ohren. Wahrscheinlich trainiert da ein Ruderklub, folgert er aus den Geräuschen, die zu ihm her-überschallen. Er träumt vor sich hin. Jedoch das Wissen, wieder loszumüssen, stört. Widerwillig öffnet er die Augen, winkt der Kellnerin zum Zahlen.

       Erfrischt steuert er sein nächstes Ziel an. Bereits nach kurzer Zeit wischt der athletische Mittdreißiger zum xten-Mal den Schweiß von seiner Stirn. Doch die Tortur war die Mühe wert. Ein paar gute Bilder, Belohnung für die Quälerei, ergänzen inzwischen sein Repertoire.

      Gegenwärtig quält ihm das Bedürfnis nach einem kalten Getränk. Ein Bier wäre toll. Sein Ziel, der Biergarten, über den er eine Bildreportage erstellen soll, rückt näher. Bei dem Gedanken an dem baldigen Biergenuss schluckt er kräftig. Erleichtert stoppt er vor dem Wirtschaftsgebäude des Gastgartens, schießt rasch ein Foto von der Skulptur, seitlich des Hauses. So wie die Figur in typischer Manier eine Hand auf Höhe der Brust in die Uniformjacke gesteckt hält, erkennt man sofort, wen sie darstellen soll.

       Ehe ihm jemand zuvorkommen kann, steuert der gutaussehende, dunkelhaarige Mann einen Tisch unter einer der Linden an. Da das ausladende Blätterwerk des Baumes tagsüber die Sonne ferngehalten hat, müsste es dort angenehm frisch sein. Voller Vorfreude auf das kalte Bier, das langsam realer wird, schluckt er erneut.

       Die Beine weit auseinandergeklappt,


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