Mauern der Macht. Ralf Häcker

Mauern der Macht - Ralf Häcker


Скачать книгу
Stuhl, schob ihn zur Seite und kniete langsam nieder. Panev stand ebenfalls auf, stellte sich neben sie und befahl ihr zu krabbeln. „Schneller, immer schön im Kreis herum! Denken Sie einfach, Sie wären ein Zirkuspferd!“ Immer lauter schrie er sie an. „Ich habe gesagt schneller, oder sind Sie auch dafür zu dumm?“ Sie krabbelte so schnell sie konnte und rieb sich dabei ihre Knie blutig. „Sie sehen erbärmlich aus!“ spottete er. „Sie langweilen mich. Los stehen Sie auf! Machen Sie die Musik lauter und tanzen Sie!“ Wieder zögerte sie, dann stand sie auf. Es war keine Musik, auf die man tanzen konnte, aber sie versuchte, sich so rhythmisch zu bewegen wie möglich.

      Noch bis spät in die Nacht, musste sie sich seinen widerwärtigen Spielen hingeben. Was genau an diesem Abend geschah erzählte sie außer Putkin nie mehr jemandem.

      Schon am zweiten Abend war sie so erniedrigt, dass sie einem Nervenzusammenbruch nahe war. Sie hatte sich und ihren Bruder aufgegeben. In ihrer Not ging sie am nächsten Morgen in die Boutique, in die Putkin sie eingeladen hatte. Sie wollte dort keine Kleider kaufen, sondern einfach nur einer anderen Frau nahe sein. Eine Zeit lang fand sie Gehör bei einer Angestellten, dann wurde sie von ihr mit Putkin verbunden. Über eine Stunde lang berichtete sie ihm, was geschehen war. Zu dieser Zeit hatte sie längst ihren Stolz verloren und schilderte ihm sämtliche Einzelheiten. Sie werde die Sache aufgeben und beenden, bat ihn aber noch um einen letzten Gefallen. „Bitte nehmen Sie mich, aber lassen Sie meinen Bruder gehen.“

      Seine gewohnt ruhige Stimme klang schon beinahe wie ein Rettungsanker. „Bleiben Sie im Laden, ich lasse Sie sofort abholen.“

      Nur kurze Zeit später saß sie mit Putkins Leuten in seiner Limousine und fuhr zu ihm nach Hause. Lange redete er auf sie ein, teilweise beruhigend, aber auch durchaus fordernd. „Tatjana, es ist schrecklich, was Sie durchstehen mussten. Aber Sie können und werden jetzt nicht aufgeben. Gehen Sie heute Abend wieder zu ihm und erfüllen Sie ihm alle Wünsche. Sobald er damit herausrückt, was er eigentlich will, laden Sie ihn für morgen in Ihre Wohnung ein. Bieten Sie ihm alles, was eine Frau bieten kann.“

      Nachdem sie Panev auch an diesem Abend für mehrere Stunden zu Willen war, erfuhr sie von seinen Absichten.

      „Sie Schlampe werden für mich nach New Orleans fliegen! Dort findet zurzeit ein Kongress für Chemiker statt. Es ist alles vertreten, was in der Branche Rang und Namen hat. Unter anderem wird dort auch ein gewisser Dr. Greene anwesend sein. Er ist ein ausgewiesener Experte für das stärkste Gift der Welt – Botox. Es ist mittlerweile, da es relativ leicht herzustellen ist, in allen Arzt- und Kosmetikpraxen vorrätig, aber der Erreger muss zuerst für den Waffeneinsatz optimiert werden. Ist das der Fall, wäre jeder einzelne Soldat in der Lage Mengen mit sich zu führen, um damit ganze Dörfer eliminieren zu können. Denken Sie nur mal an den Israel-Palästina-Konflikt. Im Moment kommen dort auf jeden getöteten Israeli 400 getötete Palästinenser. Was denken Sie wird ein Palästinenser mit Botox tun, wenn er es erst mal in Händen hält? – Gut, das alles wird eine Schlampe wie Sie zwar nicht verstehen, aber Sie werden es verstehen an die Formel von Dr. Greene zu kommen! Mit so einem Körper!“ Wieder starrte er sie abfällig von oben bis unten an. „Naja, vielleicht sollten wir Ihren Körper noch ein bisschen verschönern! Wissen Sie, dieses kleine schwarze Dreieck da unten, empfinde ich als störend. Ich denke, wir sollten es rasieren.“

      „Nein!“ schrie Tatjana. „Das werden Sie nicht! Ich kann nicht mehr und deshalb werde ich jetzt gehen. Es ist mir auch völlig egal, ob Ihnen das Recht ist oder nicht. Ich werde Ihr Büro nicht mehr betreten! Sie haben gesagt, wenn der Deal besprochen ist, lassen Sie mich in Ruhe. Ich gebe Ihnen noch einen Tag. Sie können morgen Abend mit zu mir kommen und Ihre abartigen Fantasien ein letztes Mal ausleben. Meinetwegen rasieren Sie mich, aber dann lassen Sie mich für alle Zeit in Ruhe!“

      Panev lachte. „Okay, abgemacht! Wir fahren morgen gemeinsam zu Ihnen und danach fliegen Sie nach New Orleans!“

      Tatjana zog sich an und verließ sein Büro. Vor der Firma wartete bereits Putkin mit seinen Leuten auf sie. Auf der Fahrt zu ihrer Wohnung schilderte sie ihm Panevs Absichten. Als sie schon vor ihrer Haustür waren und sie gerade aussteigen wollte, ermahnte sie Putkin mit ungewohnt scharfer Stimme. „Hören Sie zu, Tatjana. Sie haben das heute sehr gut gemacht, aber das gleiche erwarte ich morgen Abend von Ihnen.“

      Sie nickte wortlos und stieg aus. Oben angekommen, legte sie sich zusammengerollt auf ihr Bett und weinte. Irgendwann schlief sie vor Erschöpfung ein.

      Erst spät am Vormittag wachte sie völlig kraftlos auf und spürte eine tiefe Resignation in sich. Sie fühlte förmlich, wie man ihr an diesem Tag auch ihr letztes bisschen Würde rauben würde. Gleichgültig über die Reaktion der Kollegen, betrat sie um Stunden unpünktlich in Jeans und Sweatshirt ihr Büro. Rock und Bluse wollten ihr keinen Schutz mehr spenden, ließen sie wie nackt zurück.

      Gedanken quälten sie. Warum nur hatte Putkin sie zu dieser Verabredung geschickt? Er wusste doch von der Absicht Panevs, an das Wissen von Dr. Greene kommen zu wollen. Was musste sie in dieser Nacht noch über sich ergehen lassen und was hatte Putkin davon? Sollte Panev ihr noch eine Lektion erteilen? Warum aber? Wollte Putkin sie weiter einschüchtern, ohne sich selber die Hände schmutzig zu machen? Können Männer Feindschaften überwinden, um mit gebündelter Kraft Frauen zu dominieren? Ihre Gedanken urteilten und erklärten Männer zu Schweinen.

      Nach Dienstschluss hielt Tatjana auf den Parkplatz zu, auf dem Panev schon in erster Reihe auf sie wartete. „Steigen Sie ein und zeigen Sie mir den Weg, wir wollen doch keine Zeit verlieren!“

      Schon auf der Fahrt begann Panev seine üblichen Spielchen. Er zelebrierte es förmlich, sie mit Spott und Herabwürdigungen zu überziehen. Tatjana hoffte nur noch, dass er sie nicht schlagen würde, wusste aber nicht, wie er sonst den letzten Abend noch steigern konnte.

      Unvermittelt fing er an zu erzählen. „Bis vor zwei Jahren hatte ich ein kleines Hündchen. Er war mein Ein und Alles. Jeden Tag waren wir zusammen an der frischen Luft, sogar gegessen haben wir gemeinsam. Nur wenn er böse war und unerlaubt auf das Sofa sprang, musste ich ihn mit einem Rohrstock züchtigen. Er wäre aber deshalb niemals zu einem anderen Hund gelaufen. Er wusste einfach, wo er hingehörte und wem er zu dienen hatte. Eines Tages aber hat ihn ein Auto überfahren, - er war sofort tot. Seitdem bin ich auf der Suche nach einem neuen Hündchen.“

      In Tatjana, die Tiere über alles liebte, kam sogar ein wenig Mitgefühl auf. „Warum schauen Sie nicht in ein Tierheim? Viele Hunde warten dort auf neue Besitzer.“

      „Aber Sie verstehen mich nicht. Ich habe mein neues Hündchen schon gefunden.“ Er holte eine Leine aus seiner Tasche und hielt sie Tatjana vor ihr Gesicht. „Gefällt Ihnen die Farbe? Ich hoffe, Sie steht Ihnen.“

      „Wir sind jetzt da“ sagte Tatjana, „da oben wohne ich.“ Dabei spürte sie eine riesige Angst in sich, wusste sie doch, Panev war krank.

      Als sie ihr Wohnzimmer betraten, öffnete Panev seine Tasche, holte Rasiermesser, Fressnapf und Rohrstock heraus und legte es fein säuberlich nebeneinander auf ihren Tisch. „Wir wollen keine Zeit verlieren Frau Dr. Smirnow. Knien Sie sich auf den Boden, ich möchte Sie bellen hören.“

      In diesem Augenblick sprang die Badezimmertür auf und zwei kräftige Männer mit Schlagstöcken stürmten in den Raum. Einer würgte Panev damit von hinten, der andere zertrümmerte seine Knie. „Wir müssen gehen Panev! Leider ist die Party für Dich schon zu Ende!“ Sie zerrten ihn nach unten und zogen ihn in einen dunklen Lieferwagen und fuhren davon. Mehr konnte Tatjana von ihrem Fenster aus nicht mehr sehen.

      Sie nahm seine mitgebrachten Utensilien vom Tisch, packte sie in eine Tüte und warf sie in ihren Müll. Dann ließ sie sich auf ihr Bett fallen, war aber nicht mehr in der Lage ihre kreisenden Gedanken anzuhalten oder zu ordnen. Immer wieder wachte sie nachts auf und zuckte zusammen.

      Sie war froh als aufkommende Helligkeit die Nacht beendete. Nach einem kurzen Frühstück und anschließender Dusche, verließ sie im Gegensatz zum Vortag wieder pünktlich ihre Wohnung. Schon auf den ersten Metern machte sie vor einem Zeitungsstand halt. Eine fettgedruckte Schlagzeile verkündete ihr das Ende ihres gestrigen Besuchers.

       Fabrikchef tot auf Parkbank


Скачать книгу